Nein, was mein Sohn angeht, habe ich Glück gehabt. Er ist auf seine Art und Weise pflegeleicht. Wenn ich andere Eltern beobachte, o mann. Es wirkt manchmal auf mich so, als ob das eine Weiterentwicklung von „Mein Auto, mein Haus…“ anstatt „Mein Boot“ heißt es hier „ Mein Kind“. Als ob man als Eltern versagt hätte, wenn das eigene Kind keine Preise nach Hause bringen kann. Vielleicht liegt es ja an unserer schnelllebigen Zeit. Mit wieviel Jahren lernen noch einmal einzelne Kinder chinesisch? Vielleicht wird sich das Ganze noch weiter steigern und man muss Wirtschaftsstatistiken dem Kind im Mutterleib noch näher bringen. Jetzt könnte man meinen, ich übertreibe. Aber wenn ich den einen oder anderen Lebenslauf einer Zwanzigjährigen sehe, die vier Seiten mehr gemacht hat als ich in meinem Leben, dann frage ich mich, was da draußen los ist.
Was meinen Sohn angeht, der hat jetzt Pech gehabt. Die Schule ist auf ihn aufmerksam geworden, kam auf mich zu. Und nach elf Jahren mit ihm bin ich desillusioniert. Er soll seine Chance kriegen zu zeigen, was er kann, ich will ihm da nicht im Weg stehen. Solche Ideen habe ich schon vor längerem aufgegeben. Im Kindergarten gibt es ja diesen Delfin-Test. Da hat das Kind, das mir zuhause immer ein Kotlett an die Backe gequatscht hat, versagt. Er hat einfach nicht gesprochen. Bei genauer Beobachtung habe ich dann auch feststellen müssen, dass es auch kein Wunder ist, dass die Erzieherinnen mit so einem Testergebnis zufrieden gegeben haben, denn sie waren im Gegensatz zu mir daran gewöhnt. Es möge mich jetzt bitte keiner danach fragen, wie er darauf gekommen ist und wann, oder wieso. Aber er hatte sich irgendwann zur Gewohnheit gemacht, sich vor die Erzieherinnen zu stellen und sie anzusehen, ohne etwas zu sagen. Und dann musste sie die Situation deuten. Waren die Schnürsenkel offen, müsste sie ihn nur fragen, ob sie die Schnürsenkel zumachen muss.
Er für seinen Teil musste nur nicken. Manchmal, da war es auch weniger eindeutig und sie mussten den gesamten Katalog nach Durst, Hunger und Toilette abfragen. Unglaublich, aber ein Vierjähriger kam damit durch. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben, aber es funktionierte.
Bei so einer lehrreichen und fördernden Kindergartenzeit lässt sich vielleicht besser nachvollziehen, warum ich es auf einen Versuch ankommen ließ, ihn vorzeitig einschulen zu lassen oder ihn zumindest auf diese Option zu testen. Der Kindergarten war schockiert. Und wenn die hätten das entscheiden können, wäre es noch nicht einmal zum Versuch gekommen. Das lief auch damals für meinen Sohn auch ganz gut. Bis dann die Frage an ihn gestellt wurde, im Testunterricht mit anderen Kindern, ob er denn jetzt gerne zur Schule gehen würde. Und er meinte nur widerspenstig „Ja“. Dann war das Thema natürlich gegessen. Die Pädagogen wussten das zu deuten. Mann, war mir das peinlich. Ich hab mir dann ja auch fest vorgenommen, es nicht mehr zu probieren, wenn sonst keiner auf mich zukommt oder er unbedingt will. Übrigens, ein Hoch auf unser Schulsystem, ein Jahr später musste er ja sowieso eingeschult werden und das war mein großes Glück, dass es sowas wie die Schulpflicht gibt und er in die Schule gehen musste, ob er wollte oder nicht. Denn, bis in die zweite Klasse hinein, war mein Sohn der Meinung, dass der Kindergarten besser ist. Gott sei dank hat sich das jetzt in der weiterführenden Schule verwachsen.
(Foto: jutta rotter/pixelio.de)