Begegnung mit dem Mafiaboss

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Beispiel 1 Mafia in Bolivien

BO0719aIn meinem ersten Monat in Bolivien war ich einmal mit meinem Sprachlehrer im tropischen Urwald „Chapare“, unweit der Stadt Cochabamba unterwegs und ich hatte schon so manches fotografiert. In einem staubigen Restaurant schlürften wir eine Suppe. Plötzlich kam ein mächtiger Kerl mit dunkler Brille an unseren Tisch. Nur die Hälfte verstand ich von der Diskussion die er mit meinem Lehrer führte – aber dass er den Film aus der Kamera nehmen wollte merkte ich. Den Grund erklärte mir mein Lehrer, als wir fluchtartig das Lokal verließen: Der Mafiosi hat mich beim Fotografieren beobachtet. Die Gegend war aber fest in Händen seiner Cocain-Mafia von diesem Typen. Für ihn konnte es nur einen einzigen Grund geben, dass dieser junge Gringo ständig fotografierte: er wollte Daten sammeln, um ihnen das Geschäft zu verderben. Vorannahme.

Beispiel 2 Sicherheitsbeamter im UdSSR

29 - Irkutsk Angara Fluss aBei meiner Reise durch die Sowjetunion fand ich die mächtigen Flüsse großartig, die mit ihren weit gespannten, alten Brücken! Kurz nach Moskau die Wolga und nach der Überquerung des Urals den Ob, aber auch später den Amur, der Grenzfluss zu Rotchina.
Aber Sicherheitsbeamte im Zug machten mir rasch klar, dass sie mir die Filme wegnehmen würden, wenn ich es wagen sollte, Fotos zu machen. Denn wozu will jemand eine Brücke fotografieren? Das kann nur einen Grund geben: um sie zu sprengen. Vorannahme.
(links: Brücke über den Angara bei Irkutsk)

Beispiel 3: Bauern in Nepal

Ziemlich aufwändig war unser Umzug von Katmandu nach Jhapra, als ich die Leitung des Projektes dort im Westhimalaja übernahm. Zuerst wurde der Hausrat per Laster nach Bautechwor gebracht. Ans Ende der Autostraße. Dann haben es Träger in vier Tagen Fußmarsch ins Dorf geschleppt, in dem wir einige Jahre wohnten. In der ersten Woche kamen immer wieder Leute vorbei und fragten, ob sie bei uns Äpfel kaufen könnten. Das hat uns verwirrt. Bis wir erklärt bekamen, dass all die Kartonschachteln, in denen unsere Kleider und Bücher durch die weite Gegend getragen worden sind, eben Apfelkartons sind. Und für jedermann in der Gegend war klar, was in einem Apfelkarton ist: Äpfel. Vorannahme.

Vorannahmen und Vorurteile sind Verallgemeinerungen, die wir aufgrund eigener Erfahrungen oder den Berichten anderer machen. Aber Verallgemeinerungen sind immer Verzerrungen, im Einzelfall auch sehr oft falsch.
Wenn eine Statistik aussagt, dass in einem bestimmten Land im Durchschnitt jede Familie 1,87 Kinder habe – dann ist uns klar, dass das bei keiner einzigen Familie zutrifft. Was uns bei Zahlen logisch erscheint, wird bei qualitativen Aussagen nicht in Frage gestellt.

Es wär doch mal was, einfach alle Vorannahmen (die uns das Leben ansonsten sehr erleichtern) ein wenig in Frage zu stellen!


Weit im Westen / 42cm x 30cm / GMF und Acryl auf Karton / 2010-084



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