Begegnung in der Karibik

Von Hillebel
Claudia und Roland, zwei Menschen, die sich suchen, begegnen sich in der Karibik. Sie sind endlich bereit für ein neues Glück, aber alles wird kompliziert, als Arthur auftaucht, Rolands Sohn ...
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Claudia Vogler glitt hinter das Steuer ihres gemieteten kleinen Wagens, legte den Sicherheitsgurt an und startete den Motor. Zehn Minuten später hatte sie Fort de France verlassen und befand sich auf der Strasse, die ins bergige Innere der Insel Martinique führte. Ab und zu blitzte noch in ihrem Rückspiegel die tiefblaue Karibik auf, dann umgab sie nur noch die dichte, grüne Vegetation des Regenwaldes.
Sie fuhr langsam. Sie genoss diesen ersten richtigen Urlaub, den sie sich zeitlich und finanziell nach vier Jahren harter Arbeit endlich leisten konnte. Sie kam durch ein Dorf. Einige der dunkelhäutigen Frauen trugen noch die malerische Tracht der Insel: weite Kleider oder Röcke aus Madras-Stoffen, zu denen eine kunstvoll zusammengesteckte Kopfbedeckung gehörte.
Hinter dem Dorf lagen auf einem Hügel die Reste einer Zuckermühle. Links lag das Vulkangebirge Les Pitons du Carbet, und einer Eingebung folgend verliess Claudia die Strasse und bog in einen schmalen Weg ein, der direkt auf den beeindruckenden hohen Berg zuzuführen schien - nur tat er es nicht.
Der Weg machte viele Windungen und wurde immer schmaler. Rechts schäumte ein Wildbach, an der anderen Seite herrschte dichte Vegetation. Zweige schlugen gegen den Wagen, und immer zahlreicher werdende Löcher machten das Weiterfahren schwer.
Claudia fragte sich etwas bang, wohin der Weg wohl führen mochte. Sie konnte nicht einmal wenden. Aber plötzlich kam sie an eine Lichtung. Erleichtert hielt sie an und stieg aus. Sie reckte sich gerade ausgiebig, als sie das kleine Steinhaus bemerkte, das fast ganz von blühenden Bäumen und Sträuchern verborgen war. Ein Mann mit nacktem Oberkörper und einem breitkrempigen Hut arbeitete im Garten.
Sie waren die einzigen Menschen weit und breit, und Claudia grüsste ihn etwas unsicher: "Bonjour Monsieur."
Er hob nur flüchtig den Kopf: "Bonjour Madame." Es klang nicht sehr freundlich.
Sie wollte ihn nicht weiter stören und beschloss, gleich zu wenden und zurück zu fahren. Sie betätigte den Anlasser, aber der Wagen sprang nicht an. Erst als sie fürchtete, die Batterie völlig lahmzulegen, stieg sie wieder aus und machte ihrem Herzen mit einem kräftigen: "Verdammt, was ist denn jetzt los?" Luft.
Der Mann schlenderte heran. Sein Alter war schwer zu schätzen. Mitte bis Ende vierzig, vermutete Claudia. Er legte seine Hand auf die Motorhaube und sagte ebenfalls auf Deutsch: "Der Motor ist heissgelaufen. Das passiert auf diesen Wegen. Lassen Sie den Wagen eine Weile abkühlen."
"Ach, Sie sind Deutscher?" fragte sie überrascht.
"Es stört Sie doch nicht etwa?"
"Selbstverständlich nicht."
Er sah sie prüfend an: "Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser trinken? Etwas anderes kann ich Ihnen im Augenblick nicht anbieten."
Sie hatte Durst, aber konnte sie seine Einladung annehmen? Die ganze Situation war so abenteuerlich.
"Sie können auch hier stehen bleiben und warten", erklärte er ungerührt.
Der Durst und die Neugierde siegten. Ausserdem konnte ein Mann, der gärtnerte, nicht schlecht sein, fand sie. Sie folgte ihm in den Garten, und er bat sie mit einer Handbewegung, am grobgezimmerten Tisch unter einem Jasminbaum Platz zu nehmen. Dann verschwand er ins Haus, kam mit zwei Gläsern und einem Tonkrug zurück und schenkte ein.
"Verbringen Sie Ihren Urlaub hier?"
"Ja, und Sie leben sicher hier?"
"Seit fünf Jahren", bestätigte er. "Ich heisse Roland Merbach."
"Und ich Claudia Vogler."
Eine kleine Stille entstand. Sie trank aus ihrem Glas, sah sich dann um und meinte: "Ihr Garten ist sehr schön."
"Leider ist er nicht sehr gross", bedauerte er.
Sie zeigte auf die verschiedenen Orchideensorten, die Lilien, die Hibiskussträucher und Poincianas und nannte ihre Namen. Als ihr Blick zu Roland zurückkehrte, lächelte er. Zum ersten Mal. Sein Gesicht kam ihr ganz verwandelt vor.
"Woher haben Sie Ihre Kenntnisse?" fragte er.
"Von meinem Vater. Er besass ein grosses Gewächshaus. Er wäre gern Botaniker geworden, aber mein Grossvater verlangte von ihm, dass er in den Familienbetrieb eintrat, eine Spinnerei. Wir stellen Garne her. Mein Vater ist vor vier Jahren gestorben, meine Mutter will nichts von der Spinnerei wissen, ich bin es, die den Betrieb weiterführt." Sie lächelte nicht ohne Stolz: "Und dieses Jahr kann ich zum ersten Mal eine richtige Urlaubsreise machen!"
Sie dachte, er würde nun ein wenig von sich erzählen, aber er tat es nicht. Als das Schweigen zu drückend wurde, stand sie auf: "Ich denke, der Motor ist jetzt abgekühlt. Danke für ihre Gastfreundschaft."
Er hielt sie nicht zurück. Immerhin begleitete er sie bis zum Wagen, der tatsachlich ohne Schwierigkeiten ansprang. Er nickte ihr zum Abschied zu und ging zurück in seinen Garten.
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Den nächsten Morgen verbrachte sie am Strand von Sainte Anne, der von herrlichen Palmen gesäumt war, aber sie stellte fest, dass sie sich inmitten der Urlauber langweilte. Sie sehnte sich in den Garten von Roland Merbach mit seinen Orchideen, den leuchtenden Hibiskusblüten und dem süssen Duft des Jasmins zurück. Und, warum sollte sie es sich nicht eingestehen, sie wollte nicht nur den Garten, sie wollte auch Roland Merbach wiedersehen.
Kurzentschlossen, wenn auch mit klopfendem Herzen, setzte sie sich Nachmittags wieder in ihren Wagen. In einer Pâtisserie kaufte sie Kuchen. Sie wollte nicht mit leeren Händen kommen. Dann fuhr sie den wohlbekannten Weg hoch. Das Haus lag ruhig da. Niemand war im Garten.
"Roland", rief sie. "Herr Merbach, sind Sie da?"
Keine Antwort. Nur die Papageien lärmten in den Mangobäumen.
Sie blieb eine Weile stehen. Wie einsam es auf einmal hier war. Sie wollte gerade enttäuscht zum Wagen zurück gehen, als sie Roland auf sich zukommen sah. Er hielt zwei Einkaufstüten im Arm, und sie erkannte ihn kaum wieder. Er trug lange Leinenhosen, ein offenes, aber gutgeschnittenes Hemd, und er hatte sich sogar rasiert. Wenn sie nicht alles täuschte, wurde er sogar etwas rot, aber bei seiner Sonnenbräune war das kaum mit Sicherheit festzustellen.
Sie schluckte: "Ich kam gerade zufällig hier vorbei, und da dachte ich ..." Dann sah sie auf das Kuchenpaket in ihrer Hand und lachte: "Ach, Quatsch. Ich hatte Lust, Sie wiederzusehen, und ich habe Kuchen mitgebracht." Mit bald 41 Jahren war sie doch nun wirklich kein schüchternes junges Mädchen mehr.
Er zeigte mit dem Kinn auf die Tüten und grinste: "Ich finde, das trifft sich gut. Ich habe nämlich Kaffee und Tee besorgt. Unter anderem. Ich hatte nichts mehr im Haus."
Erst jetzt sah sie seinen Wagen. Er parkte hinter dem ihren. Sie hatte das Motorengeräusch der Papageien wegen nicht gehört.
Roland war ihrem Blick gefolgt: "Gewöhnlich stelle ich ihn hinter das Haus, aber jetzt trinken wir erst einmal Kaffee." Er wirkte liebenswürdiger als am Vortag. Entspannter. Als sie einträchtig im Wohnraum des Hauses die Tüten auspackten, sagte er ernst: "Ich Esel habe Sie gestern nicht einmal gefragt, in welchem Hotel Sie abgestiegen sind. Aber konnte ich denn wissen, dass Sie mir nicht aus dem Sinn gehen würden?"
"Mir ist es genau so ergangen", gab sie ehrlich zurück.
"Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Claudia."
Während sie im Garten Kaffee tranken und den mitgebrachten Kuchen dazu assen, erzählte Roland endlich seine Geschichte: "Ich bin ein Aussteiger. Vielleicht haben Sie das schon vermutet. Ich war Manager und habe zuletzt in Frankfurt gearbeitet. Ich war beruflich derart eingespannt, dass meine Ehe darüber in die Brüche ging. Ich habe es kaum wahrgenommen. Erst als mein Arzt mich nach einem Check-up vor die Wahl stellte: Entweder Herzinfarkt oder kürzertreten, habe ich begriffen, dass es so nicht weitergehen konnte. Statt kürzerzutreten, was mir schwerfiel, habe ich ganz aufgehört. Meine Frau, nun, meine Ex-Frau, hatte wieder geheiratet. Ich habe das Geld, das mir nach der Scheidung blieb, gut angelegt und bin hierhergekommen. Bis jetzt habe ich den Kontakt zu Menschen weitgehendst vermieden. Aber unser Gespräch gestern - hat mir gut getan. Leider habe ich es erst gemerkt, als Sie schon wieder fort waren."
"Ich bin auch geschieden", sagte sie. "Mein Mann wollte Kinder, und ich konnte keine bekommen. Eines Tages hat er mir eröffnet, dass er seit zwei Jahren eine Freundin hat, die nun ein Kind von ihm erwartete. Für mich brach eine Welt zusammen. Gleich danach habe ich meinen Vater verloren, und meine Mutter heiratete ein Jahr später einen anderen Mann. Sie lebt jetzt in Amerika. Ich glaube, die Arbeit hat mich gerettet Es gab viel zu tun, auch vieles zu modernisieren in der Spinnerei. Aber eines Tages bin ich aufgewacht und habe mich im Spiegel betrachtet. Ich habe mir gesagt, dass das Leben mir mit 40 Jahren vielleicht noch etwas anderes bieten kann als nur Arbeit. Gleichzeitig habe ich festgestellt, dass ich von meinem Unglück geheilt war."
Beide hatten sich lange nicht so rückhaltslos einem anderen Menschen anvertraut. Die Zeit verging wie im Flug. Ehe sie es sich versahen, war es dunkel geworden.
"Ich sollte vielleicht zurückfahren", meinte sie, stellte jedoch fest, dass sie nicht zurück wollte.
"Sie müssen unbedingt noch zum Abendessen bleiben. Ich habe doch eingekauft", bat er.
Während sie das Kaffeegeschirr abwusch, bereitete er ein pikantes Reisgericht zu. Dazu gab es leichten französischen Rotwein und als Nachtisch Ananas, Papayas, Bananen; voll ausgereifte, aromatisch süsse Früchte.
Und dann war es ganz selbstverständlich, dass sie auch die Nacht blieb. Diese erste Liebesnacht nach langer Zeit war für beide wie eine Neugeburt. Am nächsten Morgen fuhr sie nur rasch ins Hotel zurück, um einige Sachen zu holen.
Es folgten traumhaft schöne, zärtliche und leidenschaftliche Tage und Nächte. Sie lebten in der Gegenwart, vermieden es, über die Zukunft zu sprechen.
Claudia holte gerade Wasser aus dem Brunnen, als sie den Jungen auf dem kleinen Platz vor dem Haus sah. Er war blond und blauäugig, trug einen Rucksack und sah sich suchend um.
"Kann ich Ihnen helfen?" fragte Claudia auf Französisch.
"Ich suche meinen Vater. Roland Merbach. Man hat mir im Dorf gesagt, dass er hier lebt."
Roland hatte einen Sohn? Davon wusste sie nichts. Aber sie fing sich rasch: "Sie sind richtig hier, ich werde ihn holen."
Roland erntete gerade Bohnen fürs Abendessen. Sie rief: "Roland, komm mal, da ist jemand für dich!"
Er kam. Sah den Jungen, kniff die Augen zusammen: "Bist du es, Arthur?" fragte er schliesslich überrascht." "Himmel, ich hätte dich fast nicht wiedererkannt!"
"Kein Wunder. Wir haben uns seit einer Ewigkeit nicht gesehen", murmelte der Junge. Er sah Roland und Claudia an und fragte trotzig: "Ich störe sicher?"
"Rede keinen Unsinn", erwiderte Roland, aber es klang halbherzig. "Machst du Urlaub hier?"
"Wie man will. Eigentlich bin ich nur deinetwegen gekommen."
Roland schien sich unbehaglich zu fühlen. Er wandte sich Claudia zu und sagte: "Claudia, das ist Arthur, mein Sohn. Wie alt bist du jetzt, Arthur? Sechzehn? Siebzehn?"
"Achzehn. Ich hab in diesem Jahr mein Abi gemacht."
"Gratuliere. Arthur, das ist Claudia Vogler, eine ... Bekannte. Was möchtest du von mir? Brauchst du Geld?"
Der Junge wurde glühend rot: "Geld! Als ob es um Geld ginge! Ich möchte mich einfach nur mal mit dir unterhalten."
"Gibt's ein Problem?"
"Mein Problem ist, dass ich meinen eigenen Vater nicht kenne! Früher hast du immer nur gearbeitet, und als du deinen gottverdammten Beruf endlich aufgegeben hat, bist du aus Deutschland verschwunden. Ich habe dich nach der Scheidung kein einziges Mal mehr gesehen. Du hast nie dein Besuchsrecht wahrgenommen. Hast du überhaupt je gewusst, dass du einen Sohn hast?"
Rolands Stirnader schwoll gefährlich an: "Wenn du möchtest, dass wir uns miteinander unterhalten, schlag gefälligst einen anderen Ton an! Für wen habe ich denn gearbeitet? Für deine Mutter und dich. Fehlt es dir an etwas? Kommst du nicht gut mit deinem Stiefvater aus?"
"Doch, aber darum geht es jetzt nicht. Ich weiss auch, dass du finanziell für mein Studium aufkommst. Aber in Wirklichkeit bin ich dir doch völlig egal. Übrigens: Jeder Vollidiot weiss, das Workalkoholics, wie du einer warst, Probleme haben!"
"Ich? Probleme? Würdest du mir das mal genauer erklären?" Rolands Stimme war jetzt gefährlich leise.
Arthur warf Claudia einen feindseligen Blick zu: "Nicht, solange deine Freundin dabei ist."
Roland wollte auffahren, aber Claudia hob beschwichtigend die Hand: "Keine Aufregung, ich gehe ein bisschen spazieren."
"Das wäre ja noch schöner. Du bleibst hier!" Roland brüllte jetzt. So hatte Claudia ihn noch nie erlebt.
"Und du, Arthur, du entschuldigst dich sofort bei Claudia!"
"Entschuldigen Sie bitte, Frau Vogler. Entschuldige auch du mich, mein Vater. Entschuldigt alle beide, dass ich überhaupt vorbeigekommen bin", brachte Arthur zwischen den Zähnen hervor. Er rückte seinen Rucksack zurecht, drehte sich um und strebte mit langen Schritten davon.
Claudia war blass geworden. "Hol ihn zurück, Roland! Du kannst deinen Sohn doch nicht so gehen lassen!"
"Und warum nicht? Ich lasse mich doch nicht von diesem Bengel demütigen und beleidigen!"
Roland wollte sie in die Arme nehmen, aber sie wich zurück. "Ich habe mir so sehr Kinder gewünscht und konnte keine bekommen, und andere haben Kinder, von denen sie nichts wissen wollen." Heiss stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie wischte sie zornig fort, machte auf dem Absatz kehrt und lief zu ihrem Wagen.
Sie holte den Jungen schnell ein. Sie hielt neben ihm, stiess die Tür von innen auf und befahl: "Einsteigen!"
Arthur runzelte die Augenbrauen: "Wie komm ich dazu?"
"Steig schon ein! Wo wohnst du überhaupt?" Sie duzte ihn jetzt einfach.
"In Fort de France, in einem kleinen Hotel", antwortete er widerwillig.
"Ich bringe dich hin."
"Ich kann unten den Bus nehmen, wie für die Hinfahrt."
"Er ist gerade abgefahren, und der nächste fährt erst in zwei Stunden", sagte sie aufs Geradewohl.
Endlich stieg er ein, aber er starrte verbissen geradeaus. Als sie an die grosse Strasse kamen, wendete sie.
"He, Sie fahren ja zurück", protestierte er.
"Ganz richtig. Ich bringe Sie zu Ihrem Vater zurück."
"Das kommt überhaupt nicht in Frage! Lassen Sie mich sofort aussteigen!" Seine Stimme überschlug sich fast, aber Claudia hörte nicht nur Zorn, sondern auch Kummer und Ratlosigkeit heraus.
"So schnell gibst du auf?" schimpfte sie. "Ich dachte, dir liegt etwas an deinem Vater!"
"Sind Sie immer so energisch?" fragte er nach einer Weile.
"Wenn's sein muss, ja."
Beide machten jetzt ein finster entschlossenes Gesicht. Als sie vor Rolands Haus hielt, stieg Arthur wortlos aus und warf die Tür hinter sich zu. Claudia sah, wie er auf Roland zuging.
"Viel Glück, Arthur", sagte sie leise, ehe sie noch einmal wendete und fortfuhr. Die Sachen, die sie hier zurückliess, konnte sie in Fort de France nachkaufen.
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Ihr Gepäck war registriert, und sie wartete darauf, dass ihr Flug aufgerufen wurde. Sie war traurig, dass Roland sich nicht gemeldet hatte, aber vielleicht war es besser so.
Und dann sagte eine Stimme hinter ihr: "Claudia, endlich haben wir dich gefunden!"
Sie fuhr herum, stand Roland und Arthur gegenüber.
"Ich habe im Hotel angerufen. Dort hat man mir gesagt, dass du zum Flughafen gefahren bist." Roland sah sie unverwandt an.
Arthur blinzelte ihr zu und meinte: "Ich geh' mir mal eine Zeitschrift kaufen."
"Lass dir Zeit dabei", rief sein Vater ihm nach.
"Ihr habt euch also vertragen?" Claudias Herz klopfte noch immer so heftig, dass sie kaum sprechen konnte. "Ich freu mich so, dass alles ein gutes Ende genommen hat!"
"Alles hat noch kein gutes Ende genommen. Ich kann nicht ohne dich leben, Claudia."
"Mir wird es auch schwerfallen", seufzte sie, "aber ich muss nach Deutschland zurück."
"Arbeitest du nicht auch ein bisschen zuviel?" hakte er nach.
Sie hob die Schultern. "Was soll ich machen?"
"Du könntest vielleicht einen fähigen Manager brauchen. Und damit meine ich natürlich mich. Ich habe mich lange genug ausgeruht. Heute riskiere ich keinen Herzinfarkt mehr, dafür unheilbares Herzweh!"
Jähes Glück erfüllte sie, aber gleich kamen ihe Bedenken: "Ich kann aber keine Spitzengehälter zahlen, Roland."
"Wer redet denn davon? Ich fange ganz klein wieder an. Normal, nach fünf Jahren Abwesenheit. Und wenn wir den Betrieb erst einmal richtig hochgebracht haben ..."
"Stopp", lachte sie, "du kennst wohl keinen Mittelweg?"
Nun lachte auch er: "Arthur und du, ihr werdet auf mich aufpassen müssen. Da kommt er ja zurück. Worüber freut er sich denn so?"
Arthur grinste tatsächlich über das ganze Gesicht: "Bist du immer noch da, Claudia?" Auch er duzte sie jetzt.
"Warum sollte ich nicht mehr da sein?"
"Das Flugzeug ist wenigstens weg. Habt ihr nicht gehört, wie Claudia zum Schluss sogar namentlich aufgerufen wurde?"
"Das Flugzeug ist weg? Mit meinem Gepäck?" Claudia wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.
"Das Gepäck bekommst du in Deutschland wieder", tröstete Roland sie. "Ausserdem hast du doch auch noch ein paar Sachen bei mir. Die Welt wird nicht untergehen, wenn du ein oder zwei Tage länger bleibst, im Gegenteil!"
"Du hast deine Lektion gut gelernt", lobte ihn Arthur und wandte sich an Claudia: "Ich würde mich auch freuen, wenn du bleibst."
Endlich enspannte sich auch Claudia: "Ihr habt ja recht. Ich buche den nächstmöglichen Flug und rufe in der Firma an, dass ich später komme."
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Zwanzig Minuten später gingen sie einträchtig zu Arturs Wagen. Zwei zusätzliche Urlaubstage lagen vor Claudia. Plötzlich blieb Roland stehen und überreichte Arthur die Autoschlüssel: "Geh schon mal voraus, Sohnemann."
Dann sah er Claudia an. Seine Augen lächelten: "Ich bestehe darauf, dass wir meinen Einstellungsvertrag sofort unterzeichnen."
"Aber Roland ..."
"Ich will ein blindes Vorversprechen. Eher rühre ich mich nicht von der Stelle!"
Endlich verstand sie. Sie hob ihr Gesicht zu ihm auf und bot ihm lächelnd ihre Lippen zum Kuss ...
ENDE