Befreiung?

„Drei Tage waren wir schon hinter der russischen Linie auf dem Rückzug. Ich schleppte meinen Sohn mit einer Schusswunde im Bauch so gut es ging Richtung Heimat. Die Russen hatten alles zerstörrt, was uns hätte nützlich sein können und so fanden wir weder ein Dach über dem Kopf, noch etwas zu essen. Als Trossführer hatte ich das Kommando über noch etwa zwei dutzend Soldaten und 70 Pferde. Alle anderen waren tot. Wir lagerten neben einem zerbomten Bauernhof, wo es wenigstens noch ein Holzklo auf dem Gelände gab, doch die Russen starteten einen weiteren Angriff und einer meiner Kameraden wurde auf dem Scheißhaus zerfetzt. Mein Mantel, auf dem ich geschlafen hatte, war von Granatsplittern zerrissen, die zwischen mir und dem Sandboden durchgeschossen waren. Ein unglaubliches Glück war das! Auch mein Sohn Horst kam durch und wurde wieder gesund. Ich sollte wieder zurück zur Front oder mich bei den Fallschirmfliegern melden, ansonsten käme ich ins KZ. So machte ich damals die Ausbildung zum Fallschirmspringer, um so dem Krieg und dem KZ zu entgehen, aber ich wurde dann über der Westfront abgeworfen und kam relativ schnell in kanadische Gefangenschaft. Wieder hatte ich riesiges Glück, denn dort ging es mir gut, bis zum Ende des Krieges.“

„Hast Du auch Leute erschossen?“ Mein Großvater zögerte, während wir beide im dunklen Schlafzimmer lagen. Meine Oma war bereits eingeschlafen, aber mich, als kleinen Jungen, ließen die Erzählungen nicht los und ich war froh nicht alleine zu sein, mit den lebendigen Bildern in meinem Kopf. Schließlich antwortete er und ich habe ihn danach nie wieder so ernst erlebt, denn eigentlich war mein Opa ein echter Partylöwe und machte dauernd Witze, über alles.

„Nur wenn ich musste. Es darf nie wieder einen Krieg geben, denn das ganze Leid ist mit nichts auszugleichen und ich werde nie vergessen, was ich in den beiden Kriegen erlebt habe.“

Damals dachte ich noch, dass es die einzigen Kriege unter Menschen gewesen wären und ich wußte ebenfalls nicht, dass ich der Einzige war, dem mein Großvater diese Geschichten erzählt hatte (es gab noch viel mehr). Heute leben fast keine Zeitzeugen mehr und wenn, hört keiner auf sie, denn die Interessen der Mächtigen sind andere, als diejenigen der Bürger. Über 2000 Milliarden werden jedes Jahr von den führenden Nationen für Militärwesen ausgegeben und Deutschland investiert derzeit mehr, als jedes andere europäische Land, in die Zukunft und Ausrüstung unserer Streitkräfte. Vor Jahren schrieb ich ein Gedicht für die Teilnahme an der Aktion „Gegen das Vergessen“ und wirklich rein gar nichts hat sich seit dem zum Positiven in der Welt verändert, ganz im Gegenteil! Befreit wurde im eigentlichen Sinne 1945 am 8. Mai also niemand, denn die Opfer konnten/ können niemals vergessen, die Schuld der Täter wird niemals getilgt, das böse Gedankengut niemals ausgerottet, der Frieden wurde niemals ausgerufen in Europa, und alle handeln erneut gegen jedes bessere Wissen. Doch selbst wenn heute der letzte Tag der Menschheit wäre, würde ich noch einen Baum pflanzen, damit wenigstens die Lebewesen nach uns ein vertretbares Vermächtnis von uns erhalten mögen.

Felsen war mein Großvater,
arbeitete mit harter Hand.
Die Staffelei war sein Theater,
Stunden war ich fest gebannt.

Die Zeitung und sein Brillenglas,
sein Radio, die schwere Pendeluhr.
Ein alter Tisch an dem er las,
kein Schreck in seine Glieder fuhr.

Sechs Jahre nur, ein lütter Knabe,
fragte ich den alten stillen Mann.
„Sag mir, warum ich Dich habe,
mein Freund nur zur Oma kann.“

Von Jugend sprach er lachend,
und von vielen schönen Festen.
Vom ersten Krieg sehr packend,
als Jüngster stets einer der Besten.

Es kam die Zeit um Dreiunddreißig,
anders war nun nicht mehr gut.
An Gewehren arbeitete er fleißig,
doch er spürte der Andren Wut.

Vor die Wahl man ihn nun stellte,
Frau und Kind musste er verlassen.
Kein KZ! in seinen Ohren gellte,
ihn an der Ostfront zu verprassen.

Tote Kameraden, zerfetzt am Grund,
Tiere aufgebläht im kalten Dreck.
Hunger, Grauen und auch wund,
all dies ohne Sinn und Zweck

Gefangen und alleine in der Fremde,
Keine Nachricht von Daheim.
Angst hatte er, bis zum Ende,
Soldat, dies wollt er niemals sein.

Kalt war mir damals, so wie heute,
vergessen alle grauenvollen Taten.
So dumm betrügen sich die Leute,
es scheint, man kann nichts raten.

Arno von Rosen, 10. Februar 2016


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