Von Michaela Preiner
Wilfried Zelinka (Barbe-Bleue), Iris Vermillion (Die Amme), Manuela Uhl (Ariane), Statisterie der Oper Graz(Foto: © Werner Kmetitsch) 18. März 2018 Oper Die Grazer Oper hat es sich schon seit einigen Jahren zum Ziel gesetzt, in jeder Spielzeit mit einem Werk Bezüge zu Richard Wagner herzustellen. In dieser Saison gelang dies mit dem selten gespielten Stück „Ariane et Barbe-Bleu“ des französischen Wagneristen Paul Dukas, das im März Premiere hatte.
In Frankreich war im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in gewissen Kreisen eine starke Wagner-Affinität anzutreffen. Neben Dukas gehörten auch Claude Débussy oder Vincent d´Indy zu jenen Komponisten, die zumindest für einige ihrer Werke Anleihen bei ihrem deutschen Vorbild nahmen.
In der Oper von Dukas steht Ariane, eine von Blaubarts Frauen, im Mittelpunkt. Die Geschichte erzählt von der ersten Faszination, die vom legendären König auf die junge Frau ausging und der sie, trotz Warnungen, nicht widerstehen konnte. Sie berichtet von Arianes unbändiger Freiheitslust und ihrem Entdeckungsdrang, sowie ihrem Widerstand gegen Blaubarts Verbot, ein bestimmtes Zimmer in seinem Schloss keinesfalls zu betreten. Die Oper handelt aber vor allem von einem unbeugsamen Frauencharakter, der gegen den Strom schwimmt und dies letztlich – wie in der Regie von Nadja Loschky – mit seinem Leben bezahlen muss.
Katrin Lea Tag verwendet, wie erst vor Kurzem in Maria Stuarda von Christof Loy im Theater an der Wien in Szene gesetzt, auch eine rotierende, schiefe Bühne. Dabei hat das Publikum auf dem Balkon oder den Rängen den Vorteil, nicht nur die dem Saal zugewandte Seite einsehen zu können. Immer wieder wechselt die Ausstattung bis hin zur wohl spektakulärsten Szene. In dieser dienen übereinander geschachtelte Boxen, die an viel zu enge Kämmerchen oder Särge erinnern, Blaubarts Ex-Frauen als Kerker, bis dieser schließlich blutüberströmt über ihnen allen sein Leben aushaucht. Es ist aber nur die Wunschvorstellung der Frauen, ihren gemeinsamen Mann tot zu sehen, die Loschky hier sichtbar macht. Zwar ist es Ariane, die mit ihrem Optimismus und ihrem Gemeinschaftssinn kurze Zeit Licht in die Finsternis des Dahinvegetierens ihrer Vorgängerinnen bringt. Letztlich misslingt jedoch ihr Versuch, ihre Leidensgenossinnen aus ihrer immer noch bestehenden, emotionalen Abhängigkeit zu lösen.
Die Regisseurin hievt mit ihrer Interpretation das Geschehen auf eine plausible Meta-Ebene, in dem sie Assoziationen mit unterbewussten weiblichen Wünschen und Ängsten zulässt. Leicht lassen sich die sechs Vorgängerfrauen von Ariane als Alter Egos interpretieren, denen es gilt, Paroli zu bieten. Erkennbar ist diese Auslegung auch an den gleichen Kostümen, einem blauen Kleid, das alle tragen.
Mit der Besetzung ist den Verantwortlichen ein Glücksgriff gelungen. Wilfried Zelinka beeindruckt nicht nur in seinem extrem kurzen, musikalischen Auftritt mit seinem sehr lyrischen Bass. Er ist schauspielerisch von Beginn bis zum Schluss höchst präsent, erleidet mehrere Martyrien und badet ausgiebigst in seinem eigenen Blut.
Manuela Uhl begeistert als zarte, fragile und zugleich charakterstarke Ariane. Die Schwierigkeiten, die ihre Partie bereithält, sind an keiner Stelle spürbar. Ihr geschmeidiger und zugleich kräftiger Sopran ist an diesem Abend extrem gefordert und bietet einen wunderbaren Kontrast zu Iris Vermillions Mezzosopran. In der Rolle der Amme präsentiert sie sich sowohl als Fels in der Brandung aber auch als unbeugsame Sittenwächterin. Auch Arianes Vorgängerinnen, allesamt aus dem Ensemble des Hauses, können stimmlich qualitativ ohne Einschränkung mithalten. Das macht diese Oper zu einem seltenen, unvergleichlichen Erlebnis.
Dukas Musik erweist sich als ein musikalisches Zeitdokument der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Mit starken Bezügen zu Wagner, vor allem gut hörbar in der Verwendung von Personen-Leitmotiven, werden aber auch Einflüsse von Richard Strauss und Kollegen des französischen Impressionismus hörbar. Der Komponist arbeitete mit einer höchst illustrativen Klangsprache, in welcher Naturphänomene ebenso wie emotionale Zustände ihren Ausdruck finden und unterfüttert das Geschehen auf der Bühne mit einem großen Klangkörper. Die beiden Harfen und mehrfach besetzten Percussionsinstrumente müssen dabei in die vorderen Logen ausgelagert werden, da der Platz im Orchestergraben dafür zu klein ist. Aufgrund der symphonischen Anlage ließe sich das Stück auch gut konzertant aufführen.
Der aus Deutschland stammende Dirigent Roland Kluttig leitete mit Umsicht und großem Einfühlungsvermögen das Orchester und schaffte es, auch in den dichten Klangmassen die maßgeblichen musikalischen Strukturen klar herauszuarbeiten. Eine sehr beachtliche Leistung, vor allem auch im Hinblick auf die Seltenheit, mit der das Werk zur Aufführung gelangt.
Ariane et Barbe Bleu, wie sie an der Grazer Oper in Szene gesetzt wurde, ist kein gestriges, verstaubtes Stück Musikgeschichte. Es ist ein Stück über den Mut einer Frau zur Selbstermächtigung über ihr eigenes Schicksal und über die Befreiung aus selbst auferlegten, psychologischen Hemmschwellen. Auch wenn Loschky letztlich dafür sorgt, dass die Emanzipation von Ariane, und ihr Ausbrechen aus einer von der Gesellschaft vorgegebenen Struktur, nur sehr kurz dauert. Eine uneingeschränkte Empfehlung für Opernfans.
Weitere Termine für Aufführungen im April sind auf der Homepage der Grazer Oper zu finden.
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