Von Stefan Sasse
In der Zeit findet sich ein Pro-Contra-Doppelartikel zu der Frage "Brauchen wir die FDP noch?" Jan Ross argumentiert darin, dass wir sie noch brauchen; Bernd Ulrich erklärt uns, dass wir sie nicht brauchen. Interessant sind die Argumente, die beide bringen, denn eigentlich haben sie mit der FDP nicht viel zu tun. Die beiden Autoren beantworten eine völlig andere Frage, als die Überschrift suggeriert, vielleicht sogar ohne es zu merken - das würde jedenfalls erklären, warum sie diese Frage beide gleich beantworten. Die Frage ist: "Brauchen wir eine liberale Partei?" Und diese Frage muss klar mit "ja" beantwortet werden. Allein, die FDP ist keine liberale Partei. Das ist der eigentliche Haken. Deswegen ist sie auch überflüssig wie ein Kropf, und deswegen wirbelt ihr Untergang auch nicht die politische Geographie der Bundesrepublik durcheinander wie es der vergleichbare Untergang der Sozialdemokratie getan hat. Wer in Deutschland liberal fühlt - und wir sind wahrhaftig nicht gerade ein Mekka für Liberale - der dürfte den Phantomschmerz schon wesentlich länger als seit dem Absturz der FDP nach ihrem künstlichen Höhenflug 2009 spüren. Liberalismus ist nicht gleichbedeutend mit schamloser Korruption und Steuersenkungsfetisch. Es gehört wesentlich mehr dazu.
Der Liberalismus ist, ich hatte das in einem Geschichtsblog-Artikel vor einiger Zeit dargelegt, eine der großen geistigen Strömungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Er stand in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Konservatismus und Sozialismus, im 20. Jahrhundert für eine Zeit lang auch dem Faschismus, und er hat in Deutschland wie bereits oben erwähnt nie eine echte Heimat gefunden. Im 19. Jahrhundert spaltete sich ein großer Teil der Liberalen ab und warf sich dem Nationalismus an die Brust. Die daraus resultierenden Nationalliberalen, die sich bereitwillig mit Bismarck ins Bett legten, diskreditierten liberale Ideen für lange Zeit. Im späteren 20. Jahrhundert wandten sich viele Liberale den Ideen Hayeks und in geringerem Umfang Friedmans zu, die beide die Rolle des Staates in der Ökonomie auf die Währungsstabilität begrenzt sehen wollten und die Wirtschaft selbst einem natürlichen, ständigen Austarierungsprozess überließen, ohne sich um die Opfer dieser Austarierung zu kümmern. Besonders die Ideen Hayeks wurden zu einem dogmatischen Kern in der merkwürdigen Zwiegespaltenheit des deutschen Liberalismus zwischen kaum verhohlener Korruption auf der einen und Desinteresse an den Fährnissen der breiten Bevölkerung auf der anderen Seite. Mitte der 1990er schien es kurz so, als ob dieser spezifische Raubtierliberalismus die Oberhand behalten würde, ehe diese Illusion spätestens mit der Finanzkrise krachend in sich zusammenstürzte.
Warum also sollten wir den Liberalismus, warum also sollten wir eine liberale Partei brauchen? Beide Autoren im Zeit-Doppelartikel sind sich darüber einig, dass die FDP alles andere als ein Vertreter des Liberalismus ist, dass sie ihm Schande bereitet, aber dass derzeit keine echte Alternative in Sicht ist. Irgendwie ist niemandem besonders wohl bei dem Gedanken, dem Grünen die Leuchtfackel liberaler Ideen anzuvertrauen. Die Piraten sind zu neu, zu chaotisch, zu hip als dass man ihre Entwicklung absehen könnte. Eines aber ist klar: in einer Parteienlandschaft, in der die einzige realistische Koalitionsoption derzeit in einem Bündnis aus CDU und SPD besteht, und in der beide große Parteien energisch für Vorratsdatenspeicherung und ähnliche Politiken eintreten, kann eine liberale Partei nicht genug vermisst werden. Es ist das einzige Ruhmesblatt der FDP in über zwei Jahren Regierungszeit, dass sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger weiter stur gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung stellt. Eine reine Stärkung eines autoritären Staates gegenüber allen anderen Wirkkräften, seien sie ökonomisch oder gesellschaftlich, kann auch kaum eine Lösung der mannigfaltigen Probleme sein, die uns gegenüberstehen, auch darauf weisen die Autoren zurecht hin. Autoritär wird der Markt durch reine Staatsmacht auch in China in Zaum gehalten; zum Vorbild taugt es deswegen noch lange nicht. Offensichtlich braucht es neben der Bändigung eines bellum omnium contra omnes auch noch etwas anderes als die reine Drohung des leviathan'schen Schwertes; und dieses Etwas kann von einer liberalen Partei aufgezeigt, bereitgestellt und repräsentiert werden. Nur, eine solche bräuchte es erst einmal, und die FDP ist es sicherlich nicht.
In der Zeit findet sich ein Pro-Contra-Doppelartikel zu der Frage "Brauchen wir die FDP noch?" Jan Ross argumentiert darin, dass wir sie noch brauchen; Bernd Ulrich erklärt uns, dass wir sie nicht brauchen. Interessant sind die Argumente, die beide bringen, denn eigentlich haben sie mit der FDP nicht viel zu tun. Die beiden Autoren beantworten eine völlig andere Frage, als die Überschrift suggeriert, vielleicht sogar ohne es zu merken - das würde jedenfalls erklären, warum sie diese Frage beide gleich beantworten. Die Frage ist: "Brauchen wir eine liberale Partei?" Und diese Frage muss klar mit "ja" beantwortet werden. Allein, die FDP ist keine liberale Partei. Das ist der eigentliche Haken. Deswegen ist sie auch überflüssig wie ein Kropf, und deswegen wirbelt ihr Untergang auch nicht die politische Geographie der Bundesrepublik durcheinander wie es der vergleichbare Untergang der Sozialdemokratie getan hat. Wer in Deutschland liberal fühlt - und wir sind wahrhaftig nicht gerade ein Mekka für Liberale - der dürfte den Phantomschmerz schon wesentlich länger als seit dem Absturz der FDP nach ihrem künstlichen Höhenflug 2009 spüren. Liberalismus ist nicht gleichbedeutend mit schamloser Korruption und Steuersenkungsfetisch. Es gehört wesentlich mehr dazu.
Der Liberalismus ist, ich hatte das in einem Geschichtsblog-Artikel vor einiger Zeit dargelegt, eine der großen geistigen Strömungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Er stand in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Konservatismus und Sozialismus, im 20. Jahrhundert für eine Zeit lang auch dem Faschismus, und er hat in Deutschland wie bereits oben erwähnt nie eine echte Heimat gefunden. Im 19. Jahrhundert spaltete sich ein großer Teil der Liberalen ab und warf sich dem Nationalismus an die Brust. Die daraus resultierenden Nationalliberalen, die sich bereitwillig mit Bismarck ins Bett legten, diskreditierten liberale Ideen für lange Zeit. Im späteren 20. Jahrhundert wandten sich viele Liberale den Ideen Hayeks und in geringerem Umfang Friedmans zu, die beide die Rolle des Staates in der Ökonomie auf die Währungsstabilität begrenzt sehen wollten und die Wirtschaft selbst einem natürlichen, ständigen Austarierungsprozess überließen, ohne sich um die Opfer dieser Austarierung zu kümmern. Besonders die Ideen Hayeks wurden zu einem dogmatischen Kern in der merkwürdigen Zwiegespaltenheit des deutschen Liberalismus zwischen kaum verhohlener Korruption auf der einen und Desinteresse an den Fährnissen der breiten Bevölkerung auf der anderen Seite. Mitte der 1990er schien es kurz so, als ob dieser spezifische Raubtierliberalismus die Oberhand behalten würde, ehe diese Illusion spätestens mit der Finanzkrise krachend in sich zusammenstürzte.
Warum also sollten wir den Liberalismus, warum also sollten wir eine liberale Partei brauchen? Beide Autoren im Zeit-Doppelartikel sind sich darüber einig, dass die FDP alles andere als ein Vertreter des Liberalismus ist, dass sie ihm Schande bereitet, aber dass derzeit keine echte Alternative in Sicht ist. Irgendwie ist niemandem besonders wohl bei dem Gedanken, dem Grünen die Leuchtfackel liberaler Ideen anzuvertrauen. Die Piraten sind zu neu, zu chaotisch, zu hip als dass man ihre Entwicklung absehen könnte. Eines aber ist klar: in einer Parteienlandschaft, in der die einzige realistische Koalitionsoption derzeit in einem Bündnis aus CDU und SPD besteht, und in der beide große Parteien energisch für Vorratsdatenspeicherung und ähnliche Politiken eintreten, kann eine liberale Partei nicht genug vermisst werden. Es ist das einzige Ruhmesblatt der FDP in über zwei Jahren Regierungszeit, dass sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger weiter stur gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung stellt. Eine reine Stärkung eines autoritären Staates gegenüber allen anderen Wirkkräften, seien sie ökonomisch oder gesellschaftlich, kann auch kaum eine Lösung der mannigfaltigen Probleme sein, die uns gegenüberstehen, auch darauf weisen die Autoren zurecht hin. Autoritär wird der Markt durch reine Staatsmacht auch in China in Zaum gehalten; zum Vorbild taugt es deswegen noch lange nicht. Offensichtlich braucht es neben der Bändigung eines bellum omnium contra omnes auch noch etwas anderes als die reine Drohung des leviathan'schen Schwertes; und dieses Etwas kann von einer liberalen Partei aufgezeigt, bereitgestellt und repräsentiert werden. Nur, eine solche bräuchte es erst einmal, und die FDP ist es sicherlich nicht.