Hier habe ich schon öfters über das Thema Lichtverschmutzung berichtet. Es ist momentan eine sehr ernste Problematik, wovon kaum einer richtig Notiz nimmt. Unter anderem liegt es auch daran, wie über dieses Thema berichtet wird. Ich habe vor kurzem einen sehr interessanten Bericht von Kopp Online entdeckt, den ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Außerdem möchte ich noch einmal auf unseren Lichtsensor Mark Pro II hinweisen, der unter anderem von Sternwarten, wie der Kuffner Sternwarte in Österreich genutzt wird.
Hier der Bericht von Kopp Online:
http://info.kopp-verlag.de/neue-weltbilder/neue-wissenschaften/andreas-von-r-tyi/bedrohliche-lichtverschmutzung-angriff-auf-den-nachthimmel.html
Bedrohliche Lichtverschmutzung: Angriff auf den Nachthimmel
Andreas von Rétyi
In der breiten Öffentlichkeit findet das Thema kaum Erwähnung – und doch geht uns alle an, was hier geschieht: Unsere Nacht wird zerstört. Und das hat Folgen, nicht nur für Himmelsbeobachter. Denn Tiere und Menschen benötigen nicht nur eine ruhige, sondern auch eine dunkle Nacht, um gesund zu leben. Doch die Städte strahlen um die Wette, und einige Unternehmen treiben mit Billigstrom einen regelrechten Lichtkult. Aktuelle Initiativen versuchen, auf das bedrohliche Phänomen aufmerksam zu machen, das jeder sieht und doch kaum jemand wahrnimmt.
Wir sind sie schon allzu sehr gewohnt, die hellen Nächte. Seit Edisons Glühbirne, dem berühmten Stromkrieg und auch Präsident Roosevelts Gründung der Rural Electric Administration hat das künstliche Licht von den USA aus einen weltweiten Siegeszug angetreten und uns viele Annehmlichkeiten beschert. Gar keine Frage. Die noch vor hundert Jahren erhebliche Dunkelheit hat ihren Schrecken verloren. Doch mittlerweile wuchern künstliche Lichtquellen wie glühende Krebsgeschwüre auf unserem Planeten und stören damit das Natürlichste dieser Welt, den uralten Tag-Nacht-Rhythmus. Bis auf wenige Refugien der Dunkelheit gibt es auf der Erde vor allem in der westlichen Hemisphäre kaum mehr echte Nacht.
Unsere Augen verlieren bereits die Fähigkeit einer Dunkelanpassung. Als hellere Gaslaternen den unsteten Kerzenschein und die alten Öllampen ablösten, wurde jenes neuartige Licht von den Menschen noch als außerordentlich hell empfunden, heute würden wir uns damit abquälen und nach mehr Helligkeit verlangen.
Großstädter müssen sich mittlerweile nicht mehr auf Nachtsicht einstellen – dieses so genannte skotopische Sehen geht zunehmend verloren. Einzig die Zapfen der Netzhaut werden noch gefordert, also jene Rezeptoren, die für das Farbsehen zuständig sind. Die Stäbchen für Hell-Dunkel-Empfindung müssen weit geringere Unterschiede verarbeiten als früher. Das macht sich allmählich bemerkbar.
Wir leben in Zeiten, in denen Menschen, die ihr Dasein ständig in »lichtverseuchten« Regionen verbracht haben und erstmalig einen klaren, ländlichen Nachthimmel wahrnehmen, sich zu fragen beginnen, was das für helle Punkte dort oben seien! Das kommt tatsächlich vor und stimmt nachdenklich und regelrecht traurig. Vor allem, sobald man genauer analysiert, woher das störende Licht denn eigentlich kommt, wie es eingesetzt wird und ob diese »Verstrahlung« überhaupt erforderlich ist.
Gerade, wo doch ständig von Energiekrise und Energiewende die Rede ist, wirkt die teils nur noch unsinnige nächtliche Beleuchtung wie ein grell hervorstechender Anachronismus. Licht in seiner hässlichsten Ausprägung. Starke Lichtquellen wie Halogenleuchten und Leuchtreklamen strahlen meist in viele Richtungen auch dorthin, wo sie einfach nur blenden und stören. Selbstverständlich auch in den Himmel – aber wen sollte das schon stören?
Dabei übersehen die Lichtbesessenen vollends, dass man durch derlei abstruse und schlichtweg überbordende, vermeintliche Werbe- oder auch Sicherheitsvorkehrungen ein uraltes Kulturgut sukzessive der Vernichtung anheimfallen lässt. Das Licht hat die Menschen blind werden lassen. Die nachfolgende Generation, Kinder und Jugendliche, die gerade oft über eine Beobachtung des Sternenhimmels zu den Naturwissenschaften und zum Nachdenken über die Welt und das Universum geführt werden, haben heute in den wenigsten Regionen unserer westlichen Gesellschaft noch einen beeindruckenden Sternenhimmel zu erleben. Die Chance auf eine der überwältigendsten Naturerfahrungen wird ihnen genommen. Während dunkle Sternennächte vielen Menschen zur nachhaltigen Erinnerung oder gar lebenslangen Offenbarung werden, kann der fahle Abglanz dessen kaum mehr begeistern.
Selbst die hellsten Sterne und Planeten verschwinden unter den sich ausbreitenden Lichtglocken der Städte, und selbst in ländlichen Gegenden wird die Nacht bald nicht mehr dunkel. Das Schwinden der Sterne hat Symbolcharakter. Wir verlieren zunehmend den Bezug zu unserer Umwelt, der synthetische Tag aber zeitigt für Mensch und Natur faktisch zahlreiche negative Folgen.
Vor allem natürlich Astronomen und Sternfreunde sind sich schon lange der Problematik bewusst. Die Fachleute verlegen ihre Forschungsstätten zu erheblichen Mehrkosten in immer abgelegenere Gegenden unseres Planeten. Auch setzen sie zunehmend auf Raumsonden mit leistungsfähigen Bordteleskopen. Natürlich sind etliche Wellenlängen vom Erdboden nicht zugänglich, da die Atmosphäre diese Anteile des elektromagnetischen Spektrums nicht durchlässt. Aber auch die Aufhellung der Nächte verlangt von der Fachastronomie, sich in entlegenste Reservate zurückzuziehen, um überhaupt noch den Weltraum erkunden zu können.
So sinn- wie verantwortungslose Aktivitäten treiben die Verstümmelung der Nacht weiter und weiter voran. Viele Streulichtproduzenten sind sich der Auswirkung dabei überhaupt nicht bewusst. Die schleichende Kulturschande kann aber mit relativ einfachen Veränderungen aufgehalten werden, ohne deshalb den Nutzen künstlicher Beleuchtung zu reduzieren. Die Lösung ist eben, ihre Nutzung auf das sinnvolle Maß zu reduzieren. Man stelle sich vor: In den Ländern der Europäischen Union strahlt jährlich Licht im Gegenwert von rund 1,7 Milliarden Euro völlig sinnfrei, nutzlos und nichts als störend in den Himmel!
Hierzulande trägt eine undifferenzierte Stromsubventionierung ihren Anteil zum Problem bei. Vor allem die Großindustrie erhält den Strom extrem billig. Allerdings sollte unterschieden werden, wofür er gebraucht wird. Wo der Strom betrieblich genutzt wird, wo er beispielsweise für Herstellungsprozesse benötigt wird, findet auch eine echte Nutzung statt. Doch sobald er nur noch dem Zweck dient, als überflüssiges Flutlicht in alle Himmelsrichtungen abgestrahlt zu werden, und das noch zur Unzeit, sollte die Förderung enden. Nicht zuletzt auch ein wahrlich glanzvoller Schlag ins Gesicht eines jeden Privatbürgers, der seinen Strom teuer bezahlen muss. Und da war dann unlängst zu vernehmen, die EU mache »Jagd auf Kaffeemaschinen« – um den Stromverbrauch in den privaten Haushalten zu senken!
Es geht nicht darum, alle Lichter zu löschen und wieder ins diesbezüglich wirklich finstere Mittelalter zurückzufallen. Natürlich sind auch Sicherheitsbeleuchtungen oft unvermeidlich. Doch finden sich hier und da rühmliche Beispiele, die zeigen, wie es richtig gemacht wird. Eben zielgerichtet und dosiert. Nicht als Attacke auf Natur und Umwelt. Dem nächtlichen Lärmschutz muss sich der Lichtschutz anschließen.
Es gibt genügend Möglichkeiten hierfür. Auch städtische Beleuchtung muss besser geregelt werden. Allein eine Optimierung der Brennstunden und Sparschaltungen bringen viel, natürlich auch die Wahl der Leuchtmittel, ihre Intensität und Ausrichtung. Unter gegebenen technischen Voraussetzungen kann unter anderem eine Halbnachtschaltung bei zweiflammigen Leuchten eingeführt werden, während bei einflammigen Leuchten die Leistung über Reduziergeräte steuerbar wird.
Seit Jahren schon gilt die Stadt Augsburg diesbezüglich als geradezu vorbildlich. Sie spart dabei jährlich zigtausend Euro ein und niemand lebt unsicherer dort. Bis zum Ausklang des Jahres 1999 wurden alle Quecksilberdampflampen gegen Natriumdampflampen ausgetauscht. 2013 gab es dann ohnehin neue EU-Richtlinien, diese HQL-Leuchten aufgrund strikterer Energieeffizienzanforderungen aus dem Verkehr zu ziehen. Komplett umgesetzt werden soll dies bis 2015. Angesichts des Hintergrunds scheint die zunehmende Lichtverschmutzung noch paradoxer. Die relativ einfachen Maßnahmen in Augsburg haben Erstaunliches bewirkt. Die Brennzeit der halbnächtlichen Beleuchtung konnte durch gezielten Einsatz auf Grundlage des effektiven Bedarfs um 73 Prozent abgesenkt werden. Trotz Tausender zusätzlicher »Brennstellen« wurde der Energieverbrauch über einen Zeitraum von zehn Jahren konstant gehalten. In anderen Städten sieht es nicht so rosig aus. Klare Nächte sind beispielsweise in Berlin innerhalb der vergangenen 150 Jahre um den Faktor zehn heller geworden.
Wie gesagt, auch für Mensch und Tier verheißt das alles nichts Gutes. Die noch recht neue Scotobiologie befasst sich mit der Bedeutung der Dunkelheit für Organismen. Bald schon zeigte sich, dass eine künstliche Aufhellung der Nacht die natürlichen Rhythmen vieler Tiere gefährdet. Helle, blauweiße Lichtquellen bringen unter anderem die Navigation von Zugvögeln und nachtaktiven Tieren durcheinander, zahllose Vögel verenden an erleuchteten Fenstern, bestimmte Tiere gehen nur in der Dunkelheit auf Nahrungssuche. Auch Zyklen der Fortpflanzung werden beeinträchtigt. Sogar Pflanzen zeigen durch den 24-Stunden-Tag ausgelöste Veränderungen im Ablauf der Fotosynthese. Es gibt viele andere Beispiele für die Auswirkungen der nächtlichen Aufhellung. Und auch auf den Menschen bleibt der Lichtstress nicht ohne Folgen. Wieder gerät der Tag-Nacht-Rhythmus aus den Fugen, die innere Uhr wird beeinträchtigt und der Hormonhaushalt entwickelt Anomalien. Sogar Krebserkrankungen werden möglicherweise durch anhaltende Kunstbeleuchtung in der Nacht gefördert – dies legt zumindest eine Studie aus dem Jahr 2008 nahe, die einen entsprechenden Kontext zu Brustkrebs attestiert.
Immerhin wurden in einigen Ländern bereits einige erste Gegenmaßnahmen gegen die Belästigung durch Licht eingeleitet. In Deutschland ist das Bundesimmissionsschutzgesetz (BimschG) für das Lichtproblem zuständig. Hier darf dieses Problem laut Definition zu den schädlichen Umwelteinwirkungen gerechnet werden, die laut §3 BimschG immer dann bestehen, wenn sie »nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen«. Zwar gibt es nun Richtlinien »zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen«, doch bleibt eine entsprechende Grenzwertvorgabe aus – und der Naturschutz noch weitgehend auf der Strecke.
Unter dem Schlagwort einer »intelligenten Beleuchtung« versuchen verschiedene Organisationen, darunter natürlich auch die Internationale Astronomische Union(IAU), der Lage Herr zu werden. Simple Logik sagt oft, was zu tun ist. Angepasste Beleuchtungszeiten, abgeschirmte Lichtquellen, Verzicht auf unnötigerweise himmelwärts gerichtete Leuchtkörper wie Flutlichter oder Skybeamer wären bereits effektive Maßnahmen. Gerade die Discobeamer tragen vielfach zur Irritation bei und können auch den Straßenverkehr gefährden. Mittlerweile werden weltweit verschiedene wichtige Initiativen durchgeführt, doch erreichen sie die breitere Öffentlichkeit noch kaum. In den USA wurde 1988 die International Dark-Sky Association gegründet, um gegen die zunehmende Lichtverschmutzung vorzugehen. Dark Sky Communities wollen sich um den Schutz des Nachthimmels kümmern, Dark Sky Parks schaffen Bedingungen, um einen möglichst dunklen Nachthimmel zu erhalten. Denn jeder Mensch hat weiterhin ein Recht darauf, auch die Nachtseite der Natur kennenzulernen, sei es durch den Tanz der Glühwürmchen, das Aufleuchten einer Sternschnuppe oder den unvergesslichen Blick auf das gewaltige Band der Milchstraße. Doch unseren Kindern gehen die Sterne aus, sie wissen bald nicht mehr, wie diese Lichter des Universums aussehen, weil Kunstlicht sie allerorten blendet. Sie werden einer faszinierenden Welt beraubt, weil hier Kurzsichtigkeit förmlich nach überflüssigem Licht schreit.
In Deutschland kümmert sich die Fachgruppe Dark Sky der Vereinigung der Sternfreunde um das Problem der Lichtverschmutzung. Solche Gruppen bemühen sich auch bei uns um die Einrichtung von Sternenparks und hoffen, die Nacht für künftige Generationen erhalten zu können. Bei dem von den Sparkassen ausgeschriebenen Energiewendepreis 2014 bringt auch das Stuttgarter ProjektSternenpark Schwäbische Alb seinen Vorschlag zur sinnvollen Nutzung nächtlicher Lichtquellen ein: die »Initiative Licht gestalten – Licht und Beleuchtung immer zielgerichtet einsetzen«,nach dem Motto »Meine Energiewende geht direkt auf Ihr Konto!«