„Morning Phase“
(Universal)
Schon erstaunlich, mit welcher Sicherheit Beck Jahr um Jahr zwei sehr unterschiedliche Stilrichtungen zu bedienen vermag. In guter Erinnerung ist sein letztes Album „Modern Guilt“, elektrifizierter Schrammelpop mit einer Fülle bemerkenswerter Einfälle, ebenso noch im Ohr die wunderbare Kooperation „IRM“ mit Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, auch diese mit allerlei klugen, oftmals synthetischen Klangspielereien gefüttert. Kein Geheimnis ist es dagegen, dass mit dem aktuellen Werk eher eine Art Fortsetzung des grandiosen „Sea Change“ aus dem Jahr 2002 zu hören ist, klassische, meist akustische Arrangements, Songwriting ohne große Ausschmückungen, also, wenn man so will: Liedermacherkunst.
Wer mag, darf die elf Songs des Albums als verlängerte Aufwachphase interpretieren, eine Zeit, den Gedanken nachzuhängen, ein Zwischenfeld aus verblassendem Traumgespinst und heraufdämmernder Alltagsrealität: „When the memory leaves you, somewhere you can't make it home, when the morning comes to meet you, open your eyes with waking light“. „Morning“ und „Waking Light“ schließen sich sanft um eine Mischung aus abgebremstem Countryrock, Folkballaden und dem einen oder anderen schleppenden Bluesakkord – laut oder ungestüm wird es hier nicht. Mit dem zart gewirkten „Heart Is A Drum“ kommt der Kreislauf in Schwung, das klagende „Blue Moon“ ist schon dichter und drängender und ein episches „Unforgiven“ führt zum betörenden Höhepunkt: „Wave“ erinnert mit seinem dunklen Glanz und auch durch die Stimmfärbung eigentümlicherweise an einige späte Stücke von Dead Can Dance.
Diese Art von fast schon sakraler Anmutung bleibt aber die Ausnahme, der Großteil der Stücke ist von unprätentiöser Schlichtheit. Trotz der durchweg melancholischen Besinnlichkeit hat man nicht den Eindruck, Beck hänge auf ungesunde Weise selbstquälerischen Gedanken nach. Ernüchtert, vielleicht auch traurig mögen seine Betrachtungen über Einsamkeit, Verwundungen und Enttäuschungen klingen, aber verzweifelt sind sie nicht. Wo der Mann seiner Seele Ausgleich verschafft, darf man anhand seiner etwas widersprüchlichen Vita nur vermuten, dem Zuhörer jedenfalls werden ein paar dieser neuen Songs zum Trost reichen: „These are some faults we found, hollowed out from the years, don't let them wear you out, don't let them turn your mind inside out. Don't let it go, don't let it go away“ – wir werden uns bemühen… http://www.beck.com/