Beauty. What Beauty?

Erstellt am 12. September 2012 von Markuswaeger @markuswaeger

In letzter Zeit hatte ich endlich wieder Zeit zu fotografieren. Menschen zu fotografieren. Diese »Lifestyle-Portraits« – ich weiß nicht wie ich es besser benennen soll – haben sich zu einer besonderen Leidenschaft entwickelt. Leute porträtieren, wie sie sind. Ihnen eine Plattform vorm Objektiv zu bieten, zu sehen, was passiert und es einzufangen.

Parallel zu meinen zunehmenden Aktivitäten im Bereich der People-Fotografie habe ich vermehrt über Schönheitsideale, Bildstil und Retusche nachgedacht. Ich möchte nicht soweit gehen zu behaupten, dass mich die glattpolierte, manipulierte, idealisierte Darstellung des immer jungen und bei Frauen immer jüngeren Menschen anödet. Doch es hat mich noch nie gereizt dem Mainstream zu folgen. Zumal ich die Entwicklung ungesund finde.

Zu meinen Gedanken und Bedenken beigetragen haben Bilder des Models Doutzen Kroes, die bei Victoria’s Secret versehentlich in rohem Zustand vor der Retusche in einen öffentlichen Bereich gestellt wurden und dadurch an die Öffentlichkeit gelangten. Vor allem dieses Bild erzählt Bände darüber was in der Fotografie aus den Geleisen gelaufen ist.

Geteilt auf Facebook habe ich die Antwort erhalten, dass die Frau doch »heiß« bzw. »scharf« aussehe. In meinen Augen hängt das aber davon ab wohin ich blicke. Betrachte ich die obere Hälfte der Aufnahme – vor allem das Gesicht – stimme ich zu: Eine sexy Frau.

Konzentriere ich mich hingegen auf Rippen und Bauch macht der Körper auf mich einen ausgemergelten, ungesunden und wenig attraktiven Eindruck. »Ist auch nicht schöner als Cellulite« habe ich geantwortet.

Ich würde annehmen, dass das Gros der jungen Durchschnittsfrauen einen attraktiveren Oberkörper und Bauch hat, auch wenn sie vielleicht nicht das puppenhaft geschnittene Gesicht und die vergleichbar langen Beine haben.

Wenig Attraktivität kann ich auch den mageren, knochigen Ärmchen abgewinnen.

Ihr könnt das sehen wie ihr wollt – in meinen Augen sind Frauen am bezauberndsten wenn sie auch etwas Weibliches haben und weiblich finde ich weniger Knochen und Kanten als vielmehr Hüften, Fleisch und Rundungen.

Ich will damit keinem faulen und angefressenen »Rund, na und?« das Wort reden. Doch eine natürliche Molligkeit finde ich noch immer attraktiver als unnatürlich ausgemergelt. Womit ich wiederum nicht den dünnen Menschen als unattraktiv abstempeln möchte. Man sieht den Leuten an, ob sie von Natur aus sehr schlank sind oder durch Hungerkuren abgemagert.

Zur Mission bei meinen Lifestyle-Portaits ist mir geworden die natürliche Schönheit von Menschen einzufangen, in all ihren Eigenheiten mit Sommersprossen, Flecken, Fältchen, den paar Kilos hier zu wenig oder dort zu viel, den paar Zentimetern Bein zu wenig, den Augenbrauen zu dicht, der Nase zu prägnant, den Ohren etwas zu abstehend und all dem, was uns einzigartig und speziell macht. Ich will die Leute vorteilhaft und schön einfangen. Aber eben in einer natürlichen Schönheit, keiner künstlichen.

Damit das Bild der zweifellos schönen Doutzen Kroes auf dem Lack der Hochglanzmagazine so richtig schön glänzt und blendet wird es aufwändig retuschiert. Was dabei herauskommt ist etwas wie das.

Ich beschränke mich bei der Entwicklung der Bilder meiner Modelle auf das Spiel mit Farbe und Kontrast. 99% kommt ohne Retusche aus. Ein Pickel hier und eine Warze dort weg retuschieren. Temporäre Schönheitsfehler die absolut nicht prägend sind für den Charakter eines Menschen.

Bei Victoria’s Secret genügt es allerdings nicht den Bauch abgemagerter Modelle zu glätten – die Haut generell seidenglatt und fleckenrein zu machen. Vielmehr werden die Damen digital auch noch aufs äußerste und unmenschlich schmal verzerrt.

Arm, wer dermaßen verunstaltet zur Welt käme. Ich kann schon bei Schriften Verzerrung nicht ausstehen. Bei Menschen irritiert es mich noch viel mehr. Doch den Modemagazin-Konsumentinnen scheint es zu gefallen. In meinen Augen weist es auf einen Seh- oder Wahrnehmungsfehler ihn, wenn einem Kreaturen, wie die Mädchen in der nächsten Abbildung, ansprechend erscheinen.

Besonders die Zweite von links scheint mir eher Parodie als sexy Verführung.

Vor einiger Zeit habe ich eine hübsche junge Frau mit einer tadellosen Figur fotografiert und sie hat mir erzählt, dass sie an einem Model-Casting teilgenommen hat. Dort wurde sie abgelehnt mit der Begründung sie sei »zu dick«. »Zu dick?« habe ich gefragt, »Haben Sie wirklich ›zu dick‹ gesagt?« »Ja.« Ich fand das widerlich. Ich meine, wer hört schon gerne, dass er/sie zu dick sei? Man hätte sagen können »nicht schlank genug«. Ehrlicher wäre wohl gewesen »nicht mager genug«. Aber widerliche Menschen die Leute vor Millionenpublikum nieder machen sind ja auch fetter Mainstream.