Beauty and the Beast II – Tasting (Glenmorangie und Ardbeg vertikal)

Von Negatron @TheTrueNegatroN

Die SlowDrink-Tastings von Pit Krause sind immer etwas besonderes. Auch in diesem Blog hab ich ihnen schon mehrfach gebührend gehuldigt. Das diesmalige war ein Vertikal-Tasting über die Ranges von Glenmorangie und Ardbeg, die beide zu Moët Hennessy Louis Vuitton gehören. Unterstützt wurde er dabei von Michael Scheibe von ebendiesem Konzern, der mit etlichen Anekdoten und Hintergrundinformationen mehr als einen Blick hinter die Kulissen der beiden Brennereien erlaubt hat und obendrein ein guter Sparringspartner für Pit war. Stattgefunden hat das ganze einmal mehr im ziemlich urigen historischen Irish Pub von Mike Nagel.Ein Hinweis an dieser Stelle. Aus gesundheitlichen Gründen war es mir leider nicht erlaubt, die Whiskys an diesem Abend zu trinken. Um es mit den Worten meines Arztes zu sagen: „Des kannst knicken!“. Da ich mir die Sachen aber nicht entgehen lassen wollte, war ich trotzdem anwesend, habe mich schweren Herzens aufs Riechen beschränkt und mir alles in Sampleflaschen abgefüllt. Da sich das mit der Gesundheit leider noch länger hingezogen hat, folgt dieser Bericht nun mit gehöriger Verzögerung (und leider nicht mehr ganz so frischer Erinnerung). Ich bitte darum, mir dies nachzusehen.

Ziel des Abends war es, sich den beiden Destillen anzunähern und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb ihrer Whiskys zu ergründen. Die Aufteilung war damit naturgemäß vorgegeben – erst Glenmorangie, dann Ardbeg.

Glenmorangie „The Original“, 10 y.o., 40% vs. Glenmorangie 10 y.o., 40%, „from the 80ies“

Zur Eröffnung ein Vergleich zwischen dem aktuellen 10jährigen und einem 10jährigen aus den 80ern. Diese Abfüllung ist der Signature-Whisky von Glenmorangie, der den Stil des Hauses definiert. Gerade hier ist es also interessant, die Entwicklung zu vergleichen. Schon in der Nase zeigen sich hier auch deutliche Unterschiede. Auch wenn der Grundcharakter ähnlich ist, so zeigt sich die moderne Variante sehr viel süßlicher und voller, mit deutlichen Honignoten und reifer Frucht oder gebackener Banane. Die Variante aus den 80ern hat mehr florale, grasige und zitronige Noten. Die Fruchtanteile sind ebenfalls da, erinnern aber eher an grünen Apfel. Das setzt sich auch im Geschmack fort. Beides ist typischer Single Malt aus dem Bourbonfass, aber bei der neuen Variante findet sich mehr Süße, Vanille und Karamell. Die alte Version ist herber, würziger, aber auch etwas langweiliger. Die 40% Trinkstärke fallen hier auch deutlich negativer auf als bei der neuen Variante, die insgesamt voller und reifer schmeckt. Hier hat man aus meiner Sicht im Laufe der Jahre den Whisky nicht nur weiterentwickelt, sondern durchaus optimiert.

Glenmorangie Cask Masters

Die nächsten drei Whiskys waren eine Besonderheit, an die der Normalsterbliche normalerweise nicht rankommt. Bevor man sich bei Glenmorangie für eine neue Abfüllung mit besonderen Fässern entscheidet, wird die engere Auswahl intern verkostet und der Sieger gekürt, der dann auf den Markt kommt. Genau diese Auswahl konnten wir nun auch probieren (also wir im Sinne von: die anderen) und unsere Wahl treffen. Zur Auswahl standen Cask A: Grand Cru Burgundy, Cask B: Grand Cru Bordeaux und Cask C: Manzanilla. Der erste aus dem Burgunderfass war hierbei der Favorit der meisten Anwesenden. Für mich, der ich nur riechen konnte, war der allerdings an diesem Abend der Verlierer. Zwar ist er in der Nase sehr eigenständig, aber da ist irgendeine durchdringende, säuerliche Note drin, die ich nicht genau festmachen kann und die ich als ziemlich störend empfinde. Wie ich inzwischen feststellen konnte, ist der Geschmack überraschend süßlich, der Weißwein kommt hier deutlich durch und zwar bis zum Schluss. Sehr eigener Charakter und durchaus interessant. Nummer zwei aus dem Bordeauxfass war an dem Abend mein Favorit. Ich hab inzwischen ein paar Whiskys getrunken, die im Rotweinfass nachgereift wurden und fand das immer spannend. Auch hier gefallen mir die Erdbeernoten, den Geruch finde ich nach wie vor Klasse. Leider hält der Geschmack nicht mit, da wirkt das alles etwas platt. Herbe Frucht, ein bisschen Leder, insgesamt recht trocken. Leider passiert da auch im Abgang wenig, der Geschmack bleibt zwar lang im Mund, aber entwickelt sich kaum. Letztlich würde ich mich nach der Verkostung tatsächlich auch für Nummer 3 aus dem Manzanillafass entscheiden, die es dann auch bei Glenmorangie geworden ist – der aber an diesem Abend die wenigsten Teilnehmer überzeugen konnte. Den Geruch hatte ich ganz anders in Erinnerung. Das geht so weit, dass ich ernsthaft überlegt hab, ob da nicht vielleicht beim Etikettieren was durcheinander geraten ist. An dem Abend erschien der mir wie ein typischer Whisky aus dem Sherryfass. Nicht schlecht, aber unspektakulär. Nun finde ich ihn gar nicht mehr so typisch. In der Nase erinnert er eher an Sekt als an Sherry. Keine Süße, sondern sehr herb und keine Schwefeltöne. Nach dem ersten Schluck gefällt mir auch der Geruch immer besser. Im Mund setzt sich die trockene Note fort und nicht die Süße, die der Sherry erwarten lassen würde. Wikipedia sagt mir, dass das ein trockener, weißer Sherry ist und das erklärt den Geschmack recht gut. Die Entwicklung im Mund gefällt mir auch gut, vom trockenen Weißweinton über leicht bittere Noten bis hin zu einer ganz dezenten, gefälligen Süße. Doch, das wäre jetzt insgesamt auch meine Wahl.

Glenmorangie Nectar D’Òr und Signet

An dieser Stelle weiche ich etwas von der Reihenfolge des Abends ab. Den Nectar D’Òr gab es erst zum Schluss in Kombination mit Essen. Da ich daran aber ja dank Abstinenz nicht teilnehmen konnte, hab ich das Sample an dieser Position verkostet. Der Nectar D’Òr ist ein zehnjähriger Glenmorangie aus dem Bourbonfass, der zwei weitere Jahre im Sauternes-Fass nachgereift wurde. Das lässt eher süße Noten vermuten und genau so ist es auch. In der Nase ist er sehr fruchtig und süß, mit viel Zitrus und etwas Honig. Ganz am Anfang findet sich ein wenig Schärfe im Glas, die aber schnell verfliegt. Im Mund setzt sich der Eindruck fort, Süße, Zitrus, etwas Honig, aber ebenso leicht würzige Noten, die das Ganze ausgleichen und nicht eintönig werden lassen. Der Abgang ist überraschend lang, mit weiteren würzigen Noten und etwas Malz am Ende. Gefällt mir insgesamt recht gut, das Ergebnis ist durchaus harmonisch geworden. Deutlich plakativer gibt sich der Signet. Hier wurde mit geröstetem Malz und speziellen Fässern gearbeitet, um neue Geschmacksextreme auszuloten. In dem Fall Kaffeenoten und die nicht zu knapp. Schon in der Nase erinnert das eher an Kaffeelikör als an Whisky. Dazu kommt dunkle Schokolade und ein Hauch Bitterorange. Im Mund findet sich ebenfalls viel Kaffee und auch etwas Gewürz. Der Abgang ist herb mit ein paar frischen Noten dazu und nicht ganz so lang, wie ich erwartet hätte. Ich hab den vor gut einem Jahr am gleichen Ort und ebenfalls mit Pit schon mal verkostet und mein Urteil fällt auch diesmal ähnlich aus: eher interessant als zwingend. Es ist spannend zu sehen, was man mit Malz und speziellen Fässern alles an Geschmacksnoten herauskitzeln kann, aber zu dem Preis würde ich mir den nicht ins Regal stellen.

Glenmorangie Quarter Century und 1971

Die beiden exklusivsten Abfüllungen gibt es bei mir zum Schluss, am betreffenden Abend waren sie früher im Programm, um sie wirklich genießen zu können. Fangen wir mit dem 25jährigen an. Das Flaggschiff der regulären Abfüllungen kommt in einer geschmackvollen Flasche und zeigt sich auch im Glas mit einer schönen goldbraunen Färbung. Der Geruch ist extrem mild und weich, komplett ohne Alkohol, dafür mit süßen Fruchtnoten von Pflaumen und getrockneten Aprikosen, dahinter ein wenig Schokolade. Das gefällt mir schon mal sehr gut. Im Mund kommen dunkle Beeren dazu und auch hier ist er sehr mild. Für meinen Geschmack etwas zu mild, der Abgang ist zwar lang und bringt noch ein paar schöne Gewürznoten raus, ist aber fast ein wenig wässrig. Hier sind die 43% für mich einen Tick zu schwachbrüstig, in Fassstärke wäre das ein richtig toller Tropfen.

Die Abfüllung von 1971 (deren Alter leider nicht bekannt ist oder ich hab es vergessen) zeigt sich dagegen erst mal ungewöhnlich. In der Nase hätte ich den nicht als Glenmorangie identifiziert, da ist er sehr eigen. Eine Note ist sehr dominant, aber ich kann sie nicht so richtig festmachen. Erdig, nach Wurzeln oder Harz. Die Frucht bleibt eher dahinter, die typischen Bourbonfass-Noten kann ich auch bestenfalls erahnen. Im Mund gibt es dann doch etwas Frucht, allerdings auch eher herb. Vielleicht grüne Banane? Erst im Abgang wird er typischer, da kommt nach etwas Gewürz eine Honigsüße und auch mehr Frucht dazu. Das ist auf alle Fälle interessant, denn während alle anderen Glenmorangies an diesem Abend den gleichen Grundcharakter hatten und nur auf diesem variiert wurden, zeigt der eine recht andere Seite. Der typische Geschmack scheint sich also erst später durchgehend entwickelt zu haben.

Ardbeg „An engineer’s lunch-box“, The Scotch Malt Whisky Society 33.124, 7 y.o., 59,7%

Im zweiten Teil des Abends standen verschiedene Ardbegs auf dem Programm. Ich weiche hier wieder von der Reihenfolge ab, da ich die Samples zu Hause an verschiedenen Abenden getrunken habe und somit nicht darauf achten musste, dass sie nacheinander funktionieren. Eröffnet habe ich mit einem recht jungen Ardbeg der Scotch Malt Whisky Society. Deren Abfüllungen sind einerseits nerdigerweise immer nummeriert (wobei der erste Teil der Nummer für die Destillerie steht und der zweite die Nummer der Abfüllung für diese ist), tragen andererseits aber immer sehr schöne beschreibende Namen. An engineer’s lunch-box ist als ziemlicher ruppiger und kräftiger Geselle ausgewiesen, mit der Trinkempfehlung „After getting one’s hands dirty in the workshop“. In der Nase ist er in der Tat wie zu erwarten kräftig, jung und frisch. Der Rauch kommt deutlich raus, dahinter gibt es aber sehr süße Noten. In der Beschreibung wird Popcorn genannt und das trifft es ziemlich gut. Die anderen Assoziationen wie Pekannuss oder gar Kompost kann ich aber nicht finden. Wenig überraschend ist auch der Geschmack recht kräftig, bringt aber auch mehr Reife mit sich als das recht junge Alter vermuten lässt. Erst ist er sehr herb, dann kommen dunkle Beeren hinzu und nach einer ziemlich langen Entwicklung wird er sehr süß. Gefällt mir sehr gut, gerade auch für sein Alter.

Ardbeg Ardbog, 52,1%

In den letzten Jahren hat Ardbeg alle ein bis zwei Jahre eine spezielle Abfüllung herausgebracht und jeweils mit gehörigem Marketinggetöse beworben. Das war zwar immer ziemlich gut gemacht, hat aber auch einen Hype um die Abfüllungen ausgelöst, der mir auf Dauer ziemlich unsympathisch geworden ist. Bei jeder Neuerscheinung wurde der Run irrsinniger, die Preise gingen binnen Tagen völlig durch die Decke und man hatte eher den Eindruck, mit Aktienspekulanten zu tun zu haben als mit Genießern. Noch dazu waren nicht alle dieser Abfüllungen wirklich gelungen. Den Galileo, den ich zu einem noch halbwegs akzeptablen Preis auf einer Messe probieren konnte, fand ich beispielsweise völlig enttäuschend und hatte eher den Eindruck, dass man hier eine drittklassige Charge an verrückte aber ahnungslose Freaks verticken will (Eine Vermutung, die Michael Scheibe recht glaubwürdig bestritten hat. Tatsächlich hat man sich bei den verschiedenen Abfüllungen schon auch geschmacklich was gedacht und verschiedene Fassnachlagerungen ausprobiert, um unterschiedliche Aspekte von Ardbeg deutlich zu machen). Als das ganze beim Ardbog noch schlimmer wurde, hatte ich eigentlich schon gar keine Lust mehr darauf, und insgesamt auch immer weniger auf Ardbeg insgesamt. Zu unrecht, wie sich herausstellen sollte. Durch die Ausführungen von Michael konnte zum einen die Destille an sich wieder Boden bei mir gutmachen, zum anderen hab ich auch durch die Verkostung wieder richtig Lust auf die Abfüllungen bekommen. Vor allem eben wegen des Ardbog, der mich dann wider Erwarten doch richtig überzeugt hat.
In der Nase kommt erst mal wie gewohnt der kräftige Schinken. Dem entgegen steht aber noch mehr Frucht als bei den Standardabfüllungen. Das geht vor allem in Richtung Trockenfrüchte. Dahinter gibt es noch deutliche salzige Noten. Sehr voluminös und dabei aber gut ausgewogen. Im Mund ist er voll, aber sehr weich und beinahe cremig. Der Rauch bleibt überraschend weit im Hintergrund, von Schärfe und Alkohol ist trotz der Fassstärke nichts zu schmecken. Dafür gibt es auch hier Trockenfrüchte, Nüsse und ein paar Gewürznoten. Der Abgang ist sehr lang und ebenfalls voluminös, mit viel Schmelz und Süße. Ganz zum Schluss bleiben salzige Noten im Mund. Was soll ich sagen, ich bin wirklich begeistert. Aber trotzdem nicht bereit, die Preise zu zahlen, die inzwischen leider für die Flaschen aufgerufen werden.

Ardbeg Cadenhead’s Authentic Collection, 19 y.o., 1993 – July 2013, Bourbon Hogshead, 57,9%

Im Gegensatz zu den in besonderen Fässern nachgelagerten Abfüllungen haben wir hier einen Ardbeg, der nur ein Bourbonfass gesehen hat. Das lässt einen eher straighten Whisky erwarten und genau so ist es auch. Sowohl in der Nase als auch im Mund bekommt man hier Torf, etwas Vanille und Frucht und sonst eher nichts. Was mir bei den Highlandwhiskys meist sehr gut gefällt, ist mir bei den sehr rauchigen aber gern mal zu eindimensional. So auch hier. Mir fehlt einfach ein geschmackliches Gegengewicht, das das Ganze interessant macht. Nur Schlechtwetterwhisky aus der Räucherkammer ist mir einfach zu wenig. Von dem her ist diese Abfüllung zwar mal ganz interessant um den „reinen“ Ardbeg schmecken zu können. Die in entsprechenden Fässern ausgebauten Varianten bieten aber wesentlich mehr Genuss.

Ardbeg „The Old Malt Cask“, 26 y.o., 1974 – Februar 2001, 50 %

Ganz zum Schluss noch ein Tropfen der Sorte „wenn überhaupt, dann nur noch zu Preisen erhältlich, zu denen man schon fast einen Gebrauchtwagen bekommt“. Ein alter Ardbeg aus der Zeit, in der der Charakter der Destillerie noch ein anderer war als bei den modernen Abfüllungen. Für nicht wenige stellen die Ardbegs aus der „guten alten Zeit“ absolute Kultobjekte dar. So ganz teile ich das nicht und bin durchaus Fan der neuen Ausrichtung. Nichtsdestotrotz durfte ich schon alte Ardbegs verkosten, die wirklich verdammt gut waren. In der Nase geht der auch in diese Richtung. Eher wenig Torf und Rauch, dafür sehr komplex mit Zitrus, Birne, Honig und Gewürznoten, die ich nicht genau benennen kann. Toll. Allerdings überzeugt er mich dann geschmacklich weit weniger als beim Geruch. Hier dreht sich das Verhältnis nämlich wieder und der Rauch ist überraschend deutlich, während die Frucht sich eher im Hintergrund hält. Außerdem ist er für sein Alter ungewöhnlich ruppig. Auch der Abgang bleibt kräftig und etwas bitter, bringt aber weniger Komplexität als die Nase verspricht. Sorry Pit, aber hier kann ich die Begeisterung nicht so ganz teilen. Über oberes Mittelfeld kommt der leider nicht raus und auch da würde ich ihn nur des wirklich tollen Geruchs wegen sehen. Was bin ich froh, dass mir die bezahlbaren besser schmecken

Den letzten Teil der Verkostung – verschiedene Abfüllungen von Glenmorangie und Ardbeg in naheliegenden oder auch ausgefallenen Kombinationen mit verschiedenen Speisen – hab ich mir geschenkt, da er nur wenig Sinn ergibt, wenn man nur riechen kann. Somit sind mir zwar nicht nur einige spannende Erkenntnisse, sondern auch mit Sicherheit auch die eine oder andere Anekdote entgangen. Aber man kann eben nicht alles haben.

Ich danke trotzdem allen Beteiligten für einen sehr interessanten und ausgesprochen kurzweiligen Abend, der alle Erwartungen erfüllen konnte (und die waren nicht niedrig!). Hoffentlich gibt es wieder mal etwas entsprechendes!