„Wo soll es denn hingehen?“ fragte mich der Taxifahrer. „Plaza Ñuñoa“ lautete meine Antwort. Es war spät geworden am Samstagabend vor dem Superclasíco und ich hatte wenig Lust auf den Bus zu warten, da kam das Taxi gerade Recht. Ich hatte noch genügend Geld im Portmonee, außerdem war Taxifahren in Santiago immer ein Erlebnis.
Das Auto gehörte offensichtlich einem Fußballfan. Überall steckten Pins von unzähligen Mannschaften aus aller Welt in der Innenverkleidung. Auch ein paar deutsche Teams waren darunter, 96 entdeckte ich jedoch nicht. „Du bist Deutscher, ja?“ hatte der Fahrer erkannt und offenbarte mir sofort seine Liebe für mein Land. „Ich schaue jedes Wochenende Bundesliga.“ Da hatten wir etwas gemeinsam, allerdings waren seine Favoriten nicht meine: „Bayern München, toller Klub.“ Nun haben die Münchner eine weltweit verehrte Riege, mir persönlich sind sie egal. Der Rekordmeister bewegt sich nicht in den Problemzonen, in denen 96 gelegentlich steckt. Ich erklärte dem Fahrer, dass ich kein Bayern-Fan sei, sondern Hannover 96 bevorzugte. Er schaute mich verdutzt an: „Aber, aber! München gewinnt doch alles. Letzte Woche erst 7:0. Das kam im Fernsehen.“ Davon hatte ich ebenfalls etwas mitbekommen. Leider! Ich erklärte ihm, dass mich ausgerechnet jenes Spiel überhaupt nicht begeistert hatte. Den Grund erkannte der Mann von selbst: „Moment, das war gegen Hannover, richtig? Oh, das ist gut! “ „Wieso ist das gut?“, wollte ich wissen und der Fahrer hatte eine Lebensweisheit parat: „Man braucht doch eine Mannschaft zum Leiden, alles andere ist zwecklos.“ Er war selbst passionierter Anhänger von Santiago – Chago- Morning, einer Fahrstuhlriege aus der Hauptstadt. „Der ideale Verein zum Leiden. Die steigen ab und auf, was eigentlich niemanden interessiert. Fans von Chago gibt es nur wenige.“ Er selbst war immer dabei.
Mit meiner Leidenschaft für 96 hatte ich seine Sympathien gewonnen „Tja, 0:7. Das ist hart. Bleibt denn Hannover in der Bundesliga?“ „Klar!“ „Und wie lief es heute?“ Die Frage wollte ich nicht hören, denn ich ärgerte mich aktuell noch über ein 0:3 gegen Bayer Leverkusen, der Nummer 2 unter den Lieblingsbundesligisten der Chilenen. „Warte, nichts sagen“, der Fahrer wollte mir sein Fachwissen beweisen, „ 96 hat gegen Vidals Mannschaft verloren, richtig?“ Die Ergebnisse von Leverkusen kommen wegen des chilenischen Nationalspielers in der Hauptnachrichtensendung. Schweigen hätte hier Gold sein können. „Zehn Gegentore in zwei Partien“, bedauerte er mich und bemerkte mein 96-Trikot. „Aber du hälst das aus, sehe ich.“