Diese wendet sich nach eigenen Angaben „an alle, die sich pädagogisch, politisch und persönlich mit dem Linksextremismus auseinandersetzen wollen“.
Die Seite will aufzeigen, in welchen bayerischen Regionen Linksextremisten aktiv sind, bietet Jugendlichen, Eltern und Lehrern „Erste Hilfe“ bei Berührungen mit linken Inhalten und Personen, stellt Material zur „Bildungsarbeit“ zur Verfügung und benennt polizeiliche und behördliche Ansprechpartner, denen man linksextremistische Beobachtungen melden soll.
Dabei zieht sich eine Aussage wie ein roter Faden durch die gesamte Präsenz: Die Diffamierung der Partei DIE LINKE als linksextremistische Organisation. Die verantwortlichen Minister Joachim Herrmann (Innenminister, CSU) und Ludwig Spaenle (Kultusminister, CSU) führen so mit „Bayern gegen Linksextremismus“ einen steuerfinanzierten Dauer-Wahlkampf.
Erste Hilfe gegen Links: Aufmerksam beobachten – mutig handeln
Die Internetseite begrüßt ihre Besucher mit dem Bild einer fröhlichen Gruppe von Menschen, die das Transparent „Bayern gegen Linksextremismus“ tragen und dem Wappen der bayerischen Staatsregierung.
Entsprechend eingestimmt stehen dem Besucher der Seite jetzt verschiedene Optionen zur Verfügung:
Eine „interaktive“ Landkarte von Bayern zeigt die Standorte von linksextremistischen Organisationen im Freistaat an. Die Karte, auf der darüber hinaus auch linksextremistische Straftaten und autonome Gruppierungen dokumentiert sind, nennt unter anderem die Kreisverbände der Linkspartei in Unterfranken, Oberfranken, Mittelfranken, Oberbayern, Niederbayern, Schwaben und der Oberpfalz.
Der Bereich „Erste Hilfe“ erklärt Eltern, wie sie erkennen können, ob ihr Kind in die linksextremistische Szene geraten ist. Ergeben sich signifikante Veränderungen im Verhalten, bei Aussagen, Umgang und Kleidung, dann sollen sich die Erziehungsberechtigten an die Informationsstelle gegen Extremismus im bayerischen Staatsministerium wenden. Eine Illustration hilft unerfahrenen Eltern bei der Identifikation verdächtiger Merkmale.
Weiterhin wird davor gewarnt, antifaschistische Gruppen auf kommunaler Ebene zu fördern („Das Aktionsfeld Anti-Faschismus ist traditionell ein Schwerpunkt linksextremistischer Aktivitäten.“) oder mit ihnen zusammenzuarbeiten („Der gute Zweck (aktives Eintreten gegen Rechtsextremismus) heiligt eben nicht alle Mittel und macht nicht jeden automatisch zu einem geeigneten Partner!“).
Wissen ist Macht: Aufklärung gegen Links
Unter dem Menüpunkt „Wissen“ hat die bayerische Staatsregierung eine Reihe von Informationen bereit gestellt, die bei der Früherkennung, Einschätzung und Bekämpfung von Linksextremismus helfen sollen.
Hierzu folgt zunächst die statistische Bewertung linksextremistischer Straftaten. Hiervon zählte Bayern im Jahr 2010 insgesamt 372 Fälle. In 172 Fällen handelte es sich hierbei um Gewaltdelikte. In 86 Prozent der erfassten Straftaten waren die Täter 21 Jahre alt oder jünger. Unerwähnt bleibt, dass im selben Zeitraum in Bayern 1.265 rechtsextremistische Straftaten gezählt wurden.
Im weiteren Verlauf wird vor linksextremistischen Ideologien (Marxismus, Marxismus-Leninismus oder Trotzkismus), linkextremistischen Strategien (Bündnispolitik, Entrismus oder Vorfeldorganisationen) und linksextremistischen Aktionsfeldern (Anti-Faschismus, Anti-Militarismus oder Anti-Globalisierung) gewarnt.
Die Partei DIE LINKE sucht nach wie vor die Nähe zum Marxismus-Leninismus. Innerhalb ihrer Strukturen duldet und unterstützt die Partei offen extremistische Zusammenschlüsse wie die Kommunistische Plattform (KPF). Zudem arbeitet sie seit Jahren punktuell, aber kontinuierlich mit gewaltbereiten Linksextremisten zusammen.
Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit „linksextremistischer Hassmusik“ „Symbolen und Zeichen“ der Linksextremisten und ihrem „Dresscode“. Hier lernt man, dass Songtexte wie „Es ist voll ok ein paar Nazis zusammen zu schlagen“ oder „Für die deutsche Ordnung schützt ihr die Faschisten“, vorgetragen in „aggressivem Punk“ als Angriff auf demokratische Grundordnung und die Verfassung zu betrachten sind. Die Liste der „Symbole und Zeichen“ wird wiederum vom offiziellen Logo der Linkspartei angeführt und im Kapitel „Dresscode“ erfährt man, dass sich Linksextremisten an „schwarzen Kapuzenpullis, Mützen, Tüchern und Sonnenbrillen“ erkennen lassen.
Abschließend befasst sich der bayerische Wissenspool mit linksextremen Medien, die weder „objektiv über allgemeine Belange berichten“ noch „kundenorientiert Leistungen verkaufen wollen“. Als Beispiele hierfür dienen unter anderem die Publikationen „junge Welt“, „Neues Deutschland“, „Analyse und Kritik“ oder die Zeitschrift „konkret“. In diesem Zusammenhang wird ebenso vor dem Internet gewarnt, das von Linksextremisten genutzt wird, um „ihre Ideologien und Aktivitäten einer möglichst großen Öffentlichkeit zugänglich (zu) machen“. Die bayerische Staatsregierung kommt zu dem Schluss, dass es derzeit rund 1.200 deutschsprachige Webseiten mit linksextremistischen Inhalten gibt. Hierzu heißt es unter anderem:
Insbesondere autonome Gruppierungen nutzen zunehmend kostenlose Blogsoftware, um schnell und kostengünstig neue Seiten zu erstellen.
Ergänzend zum Menüpunkt „Wissen“ haben die Seitenbetreiber unter dem Link „Lernen“ noch einige Vorschläge für die Behandlung von Linksextremismus im Schulunterricht zusammengestellt und bieten verschiedene Unterrichtsmaterialien an.
Das Comic kann kostenlos heruntergeladen werden. Allerdings sollte man hierbei berücksichtigen, dass durch den Download die IP-Adresse des anfordernden Rechners, der Name der angeforderten Datei und das Datum sowie die Uhrzeit der Anforderung gespeichert werden.
Steuerfinanziertes Linken-Bashing im Gewand politischer Aufklärung
Auf den ersten Blick steht mit der Internetseite „Bayern gegen Linksextremismus“ ein Informations- und Aufklärungsangebot der bayerischen Landesregierung über extremistische Bestrebungen, Tendenzen und Straftaten zur Verfügung.
Hiermit gehen Innenminister und Kultusminister gemeinschaftlich gegen eine politische Richtung vor, die in ihren Augen eine Gefährdung für Freiheit und Demokratie darstellt und erklären linksextremistischen Straftätern den Kampf.
Die eingehende Analyse der Webseite hat gezeigt, dass sich die Diffamierung der Partei DIE LINKE als kommunistisch unterwanderte Organisation, die kontinuierlich mit gewaltbereiten Linksextremisten zusammenarbeitet, wie ein roter Faden durch sämtliche Inhalte der Seite zieht.
Die Linkspartei wird bereits auf der Startseite zweimal deutlich angegriffen. Auf einer virtuellen Bayern-Landkarte werden die Standorte der Kreisverbände der Linkspartei gemeinsam mit Orten an denen sich Straftaten ereignet haben und an denen linksautonome Gruppen aktiv sind, angezeigt. Sowohl in den Auflistungen linksextremistischer Parteien und Organisationen als auch der von diesen eingesetzten Zeichen und Symbole findet sich DIE LINKE immer an erster Stelle.
Insgesamt wird der konsequent Eindruck erzeugt, es handle sich bei der Linkspartei nicht um eine zugelassene Partei sondern um eine linksextremistische Vereinigung mit hoher Gewaltbereitschaft, die eine Gefahr für Freiheit und Demokratie darstellt und vor diesem Hintergrund beobachtet, überwacht und bekämpft werden muss.
Maßgeblich verantwortlich für die Internetseite „Bayern gegen Linksextremismus“ ist dabei das bayerische Innenministerium, vertreten von Innenminister Joachim Herrmann.
Herrmann, der zur Zeit aufgrund des gesetzlich nicht legitimierten Einsatzes des sogenannten Staatstrojaners in der öffentlichen Kritik steht, macht aus seiner Haltung zur Partei DIE LINKE kein Hehl. Regelmäßig ruft der Rechtspolitiker öffentlich zu einer stärkeren Überwachung der Partei durch den Verfassungsschutz auf und fordert in diesem Zusammenhang sogar ihr Verbot.
Zuletzt äußerte sich Joachim Herrmann am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, gleichzeitig mit dem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, in dieser Richtung. Wörtlich sagte der Minister:
Es ist erschreckend, wie große Teile der Linkspartei nach wie vor noch Stacheldraht und Schießbefehl zu rechtfertigen suchen.
Dobrindt bediente sich in diesem Zusammenhang zeitgleich identischer Sprachbilder und äußerte:
Es ist skandalös und eine Verhöhnung der Opfer, wenn die Linkspartei 50 Jahre nach dem Mauerbau immer noch Schießbefehl und Stacheldraht rechtfertigt.
Herrmann setzte sich während seiner Amtszeit bisher übrigens unter anderem für eine deutliche Verschärfung des bayerischen Demonstrationsrechts, für erweiterte Befugnisse von Ermittlern, zum Eindringen in private Wohnungen, für eine verstärkte Überwachung des Internet oder für ein Burka-Verbot im öffentlichen Dienst ein. Darüber hinaus zeichnet er für einen Passus im bayerischen Asylrecht verantwortlich, in dem angeordnet wird, dass die Unterbringung von Betroffenen deren Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern soll.
Verfassungsschutz: Aussteigerprogramm für Linksextremisten
Es ist ohne Zweifel das gute Recht eines CSU-Politikers, seine politische Auffassung in Bezug auf andere Parteien frei zu äußern. Nutzt er allerdings in seiner Funktion als bayerischer Innenminister Steuergelder und öffentliche Ressourcen, um eine Webseite zu betreiben, die fast ausschließlich der Diffamierung eines politischen Gegners dient, dann erscheint dies unter Einbeziehung von Rechtsstaatlichkeit und Verfassung mindestens bedenklich. Wird die betreffende Internetseite zudem auch noch als neutrales Medium der politischen Meinungsbildung getarnt, dann ist ein Stadium der Rechts- und Verfassungsbeugung erreicht, das eigentlich den Verfassungsschutz auf den Plan rufen sollte.
Aussteigerprogramme in den Bereichen Rechtsextremismus, Prostitution oder organisierte Kriminalität mögen Sinn machen. Hier sind Aussteiger konkreten Bedrohungen und Gefahren ausgesetzt und benötigen staatlichen Schutz vor Repressionen. Die linke Szene allerdings jetzt so darzustellen, als erzeuge sie eine Gefährdung gegenüber ehemaligen Sympathisanten oder Mitgliedern, ist absurd und schlägt in dieselbe Kerbe wie das Linken-Bashing der bayerischen Landesregierung. Es dürfte wohl nicht ein einziger Fall bekannt sein, in dem ein ausstiegswilliger Linksaktivist von seinen bisherigen Gesinnungsgenossen bedroht, verletzt oder anderweitig gefährdet wurde.
Vor diesem Hintergrund drängt sich der Verdacht auf, dass der Verfassungsschutz mit seinem Aussteigerprogramm eher eine Rekrutierungsbörse für künftige V-Leute realisiert.