Titel: Bäume reisen nachts
Originaltitel: Les arbres voyagent la nuit
Autor: Aude Le Corff
Genre: Belletristik
Seiten: 201 Seiten
Verlag: Insel Verlag
ISBN-10: 3458360190
ISBN-13: 978-3458360193
Erste Sätze:
Die Wohnungstür fällt lauter ins Schloss als beabsichtigt. Manon bleibt reglos in der Diele stehen und lauscht. Obwohl sie den Fernseher nicht hört, weiß sie, dass ihr Vater im Wohnzimmer ist.
Klappentext:
Seit Monaten sitzt die achtjährige Manon allein unter einer riesigen Birke im Garten. Sie verschlingt Bücher und spricht mit Ameisen und Katzen, um an eines nicht denken zu müssen: das spurlose Verschwinden der Mutter. Ihre Einsamkeit rührt den mürrischen Rentner Anatole. Als eines Tages überraschend Briefe der Mutter eintreffen, schmieden das Mädchen und der alte Mann einen kühnen Plan, der sie auf eine abenteuerliche Reise quer durch Europa führt.
Inhalt:
Das spurlose Verschwinden ihrer Mutter, hat die achtjährige Manon verändert. Die Nachmittage verbringt sie damit, alleine unter einer Birke zu sitzen und in der Bücherwelt abzutauchen. Ihr Vater kann ihr bei dem Kummer nicht helfen, ertrinkt er doch im eigenem, doch es gibt einen Menschen, der das Mädchen wahrnimmt – der kauzige Nachbar Anatole. Der ehemalige Lehrer beobachtet das Kind und fühlt plötzlich Verantwortung für das kleine Wesen, so nimmt er sich ihr an und eine außergewöhnliche Freundschaft entsteht zwischen den Beiden. Die Mutter bleibt jedoch verschollen, doch als ein Brief von ihr eintrifft, beschließen Manon und Anatole, dass es jetzt an der Zeit ist zu handeln. Eine schonungslos ehrliche Reise beginnt.
Meine Meinung:
Das Buch dreht sich um Anais, die Mutter von Manon, aber auch um das Mädchen, welches vor Kummer vergeht. Welche Gründe kann es geben, sein Kind einfach so zu verlassen? Wie geht ein Kind um, wenn die Mutter es plötzlich verlässt, ohne ein Wort? Diese Fragen drängen nach Antworten und langsam, behutsam näher man sich diesen auch an. Die Töne im Buch sind nicht laut, nein auf leisen Sohlen schleicht man sich an, entdeckt Geheimnisse, die einen ungläubig zurücklassen. Reicht es als Grund, alles hinter sich zu lassen? Kann man es verstehen, würde man selbst so in einer Situation handeln? Gewissensfragen, denen man sich zu stellen versucht. Und ist es auch Unverständnis, welches man für Anais meist findet, ist es doch Manon, die man in sein Herz aufnimmt und dort nicht mehr rauslassen möchte.
Auf den ersten Seiten lernt man das Mädchen kennen, sehr introvertiert und schüchtern erscheint sie, doch ist es nur der Schmerz, der sie so sehr einnimmt, man fühlt ihre großen und drängenden Gedanken, muss sie nicht lesen, um sie zu verstehen.
Was mir allerdings persönlich gefehlt hat, war die fantasiereiche Note. Im Klappentext heißt es „…spricht mit Ameisen und Katzen…“, was scheinbar an mir vorbeigesegelt ist. Sie verliert sich in Büchern, wohl wahr und auch Katzen haben es ihr angetan, aber die Flucht in die Fantasiewelt fehlt mir erzählerisch.
Die Freundschaft zwischen Manon und Anatole entwickelt sich schleichend, verbunden werden sie durch Bücher, die der alte Mann dem Mädchen vorliest. Besonders das Werk „Der kleine Prinz“ spielt eine zentrale Rolle und bringt viel Stoff für Gedanken mit sich, doch ist es auch hier so, dass mir auf der emotionalen Ebene etwas fehlt. Die zwei nähern sich an, verstehen sich gut, lesen Bücher miteinander, aber ich konnte niemals fühlen, dass sich da ein Vertrauen entwickelt, vielleicht weil es eine Selbstverständlichkeit ist, dass sich diese Gegensätze anziehen, aber man kann nur spekulieren, niedergeschrieben ist in Gefühlen leider nichts.
Wie sieht es mit der Reise nach Europa aus, war sie gut eingebaut? Ja, war sie. Überraschend kam sie trotzdem, weil ich den Klappentext mal wieder unaufmerksam gelesen habe, so war diese Wendung besonders spannend. Die Reise geht meiner Meinung nach aber nicht von Manon oder Anatole aus, sondern von Manons Vater, so dass ich mich ein wenig fehlgeleitet gefühlt hatte, nachdem ich mir den Klappentext nochmal genauer anschaute. Dieser kühne Plan, der dort erwähnt wird, ihn gibt es eigentlich nicht, zumindest erkenne ich hier keinen.
Fazit:
Die Idee an dem Buch gefällt mir richtig gut, nur die Umsetzung hackt ein wenig. Gefühle gab es nur in Gedanken, Fantasie wurde auch schmerzlich vermisst und letztlich leitet der Klappentext ein wenig fehl. Es ist eine schöne Geschichte, ein netter Zeitvertreib, aber leider letztlich nichts, was mein Herz schneller schlagen ließ.
Danke an den Suhrkamp/Insel Verlag für das Rezensionsexemplar!