Battlefield 1
9ShooterDie Battlefield-Reihe, kennt man ja. Auf dem Programm: Großflächiges Kriegsgeschehen. Dutzende von Spielern versuchen sich gegenseitig über Land, Luft und Wasser zu übervorteilen, um Stück für Stück einem Sieg näher zu kommen. Das Szenario reizt dabei nur selten, denn hat man einmal virtuell Krieg gespielt, gleicht eine Umsetzung praktisch der anderen und es geht eigentlich nur noch um Gimmicks, Balance und Kartendesign.
Und so müssen sich die Entwickler von DICE gedacht haben das es keine schlechte Idee wäre, sich eine Scheibe bei Assassin’s Creed abzuschneiden um sich vom Szenario-Einerlei zu verabschieden. Weg also von immer abstrakteren futuritischeren Kriegsszenarien hin zum Ursprung – zum einen Konflikt, der den modernen Krieg begründete, in dem es um nichts anderes geht als Menschenleben mit berechnender Effizienz auszulöschen. Die Urmutter des heutigen Kriegs also, der nicht nur zu den abscheulichsten Erfindungen der Menschheit zählt, sondern als kleiner „Bonus“ auch noch die Vorlage für die beliebteste Form der Unterhaltung unserer Zeit darstellt.
Und so experimentiert man mit den persönlichen Grenzen seiner Menschlichkeit nicht nur in langweiligen grau-braunen Kriegschauplätzen, man tut dies in den schönsten und prachtvollsten Umgebungen Europas des 19. Jahrhundert. Eindrucksvolle Alpenlandschaften zwischen Österreich und Italien gehören dazu genauso wie verschlafene französische Dörfer und Großstädte. Selbst ein Ausflug in die Wüstengebiete des mittleren Ostens ist dabei, sodass man sich eigentlich für seine Reise in die Vergangenheit der eigenen Vorfahren keine vielseitigeren Postkartenumgebungen wünschen könnte.
Technologie an sich hinterlässt bei so manchem keinen großen Eindruck mehr in Zeiten wie diesen. Und so ist es nicht der Umstand alleine, dass sich die Umgebung trotz realitätsnaher Detailtreue im Laufe einer Runde völlig dynamisch verändert, der in Battlefield 1 Eindruck hinterlässt. Was zum Ausdruck kommt ist viel mehr die wahnsinnige Flut an Zerstörung, die den ersten Weltkrieg definierte. Wellen um Wellen an industrieller Gewaltentladung fluten über prachtvolle Wohngebiete, in denen das Leben erst vor kurzer Zeit stehen geblieben sein muss. Eine Häuserfront nach der anderen wird durch Panzer, Granaten oder Flugzeug-Bombardierungen dem Erdboden gleich gemacht. Die glorreichen Träume von Ruhm und Ehre, welche die erzählte Einleitung vor jeder Runde zum Ausdruck bringt und der verblendete Hochmut, der in Form von prunkvollen Uniformen und hochgeschmückten Waffen Ausdruck finden, weichen der ernüchternden Realität, in der sich die berüchtigten matschigen Schützengräben mit Artilleriegeschossen und den leblosen Überresten von Kameraden füllen.
Als Spieler ist man Gefangener des Schlachtfelds, in dem Battlefield wie gewohnt seine persönlichen Geschichten zeichnet. Wer sich im dynamischen Kriegsgetummel aus Geschossen, Explosionen und verzweifeltem Todesgeschrei in das oberste Stockwerk eine Hauses flüchtet, um den Überblick wiederzufinden, den erwartet meistens nichts ausser einer plötzlichen Explosion. Er darf im nächsten Leben am selben Ort nur noch Ruinen betrachten, die nichts mehr von der Pracht vermuten lassen, die das ehemalige Gebäude in sich getragen hat. Am Ende einer Schlacht bleiben vom Schlachtfeld nichts als Ruinen und tiefe Explosionkrater übrig. Ein Sieg ist erkauft mit hunderten Leben, eine Niederlage umso bitterer. Und so gelingt es dem Spiel ganz ohne die stumpfsinnigen Plots der selbstverliebten SinglePlayer-Episoden, sondern rein durch Gamedesign und Technologie wichtige Aspekte des ersten Weltkriegs eindrucksvoll zu vermitteln.
Doch dabei besinnt man sich stets auf unterhaltsames Gameplay und widersteht der Versuchung als allzu realitätsgetreue Simulation zu enden. Waffen funktionieren gegen jede historische Genauigkeit zuverlässig, Panzer haben eine zufriedenstellende Geschwindigkeit und Kampfzeppelins gehören aus Gründen der Dramaturgie auf beinahe jedes Schlachtfeld. Auffällig ist dabei allerdings ein neuer Fokus auf die Infanterie. Vehikel gehören zwar zu beinahe jedem Modus dazu, doch gestalten sich ihre Auftritte deutlich gewählter. Das Spiel verbringt man großteils als Fußsoldat – Panzer oder Flugzeuge haben hier gewichtige Auftritte, die zwar stetig, aber nicht pausenlos das Getümmel bestimmen. Umso mehr fällt ins Gewicht, dass die zahlreichen Waffen des ersten Weltkriegs sich primär durch Rückschritt definieren. Ungenaue Geschosse, niedrige Schussfrequenz, das alles sorgt tatsächlich dafür, dass Battlefield 1 deutlich intensiver wird. Da macht es durchaus Sinn, sich auf die Gegner mit einem Bayonett zu stürzen, wenn man bereits zwei Magazine verschossen hat, ohne ihn auch nur verletzt zu haben.
Trotzdem ist es eine Errungenschaft des Spiels, ganz ohne Laservisiere und Zielsuchraketen eine spielerische Vielfalt zu schaffen, die sich nicht hinter anderen aktuellen Shootern verstecken muss. Neben gewohnten Spielmodi liegt der Fokus dabei vor allem auf zwei Elementen: Der episodische Singleplayermodus, der deutlich bemüht ist vergangene Tiefpunkte auszubügeln und es trotzdem nicht zu mehr bringt als einem glorreichen Tutorial. Andererseits ist die große Neuerung der Modus „Operationen“. Hier werden die kurzweiligen Gefecht zu großangelegten Feldzügen hochstilisiert. Die assymetrische Mechanik von Verteidigern und Angreifern, die mit dreimal 100 Mann versuchen, das feindliche Gelände Station für Station zu erobern, verleiht dem ganzen Geschehen einen fesselnden Spannungsbogen. Ist ein Battalion aufgebraucht, kommt es zum Einsatz gigantischer Behemoths – zu welchen sich auch der prominente Zeppelin zählen darf – um den Angreifern den nötigen Vorteil zu verschaffen. Diese Schlachten schaffen es, die Aufmerksamkeit über Stunden zu halten und sind ein wahres Highlight, das den Shooter für längere Zeit spannend halten sollte.
Alles in allem ist Battlefield 1 ein großartiger Beweis, dass aktuelle Technologie mehr als nur zum puren Selbstzweck eingesetzt werden kann. Der Titel entspricht in allen bedeutenden Bereichen den höchsten Qualitätsanforderungen und darf sich somit als klares Highlight für Shooter-Freunde bezeichnen.
Plattform: PC (Version getestet), PS4, Xbox One, Spieler: 1-64 (online), Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 21.10.2016, Link zur Homepage
Autor
Florian KranerAufgabenbereich selbst definiert als: Pixel-Fachmann mit Expertenausweis. Findet ”Das Fürchterliche muß sein Gelächter haben!” zutreffend.
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