Bastelstunde, Teil whatever.

Von Lizbirk

Hallo Lieblingspublikum. Der Leo hat mir einen Beitrag zu Michael Lentz' Roman Pazifik Exil geschickt, den ich Euch hiermit ohne weiteres Geschwätz weiterreiche. Lediglich den Klappentext würde ich zur Erläuterung noch voranstellen wollen:
"Viele Intellektuelle und Künstler flohen während der Herrschaft der Nationalsozialisten ins Exil an die amerikanische Pazifikküste. Michael Lentz findet mit den Mitteln der Erinnerung und der Fiktion diese Leben wieder, in denen jeder Blick an der Vergangenheit haftet, die Gegenwart des Exils aber im Gegenlicht der Verunsicherung steht: Heinrich Mann überquert die Pyrenäen; Brecht verabschiedet sich im Gedicht von einer verstorbenen Mitarbeiterin; Feuchtwanger streitet sich im Geiste mit Thomas Mann über Pelikane und entdeckt seltsame Zeichen in seiner Bibliothek; Thomas Mann wimmelt einen Reporter ab, der in sein Haus geschlichen war; Schönberg trauert einem verliehenen Sessel nach, den er längst zurückbekommen hat."
{Und los geht's mit dem Gastbeitrag.}
Einst wunderte es mich, wieso der Goethe 3 Einleitungen zu seinem Faust brauchte – lag wohl in seinem Bezug zu dieser Krümelkackerei von wegen gut & böse. Das Exildingens wär wohl demnach mein Pendant dazu, konkreter: dieses Buch mit den Palmen & der verlockenden Form des Wortes Pazifik Exil.
Und wärmstens ins Bilde gerückt:
"Minus dreiundreißig Grad. Rekordtief. Zahlreiche Tote bei Auffahrunfällen. Die Straße mit einer Abfahrtspiste verwechselt. Schnee schippen oder Tee drinken. Für beides keine Zeit. Also noch früher raus als gestern. Den Hals brechen. Der Schnee liegt mittlerweile so hoch, der hat sich jetzt so aufgetürmt, in eine Höhe begeben, der ist so hoch geweht worde, dahin folgt kein Fahrzeug mehr, kein Kettengerät. Hier herrscht Naturgewalt. Man möchte diesen Satz herausbrüllen. Den Berg hoch mit Sorgfalt und Geduld und hoch oben dann gegen die Natur anbrüllen: "Hier herrscht Naturgewalt". Das muss ganz vehement kommen, man darf sich da nichts schenken und der Natur schon gar nicht, das muss ganz raus aus der Lunge, die Lunge muss knarren, rausfliegen wollen, die Stimme versagt fast, es reißt die Stimmbänder weg, man ist sprachlos. Warum hast du den Mund offen, fragt man sich. Warum stehst du mit offenem Mund denn da, ohne ein Wort zu sagen, ein Sterbenswörtchen." (aus: Pazifik Exil, S. Fischer Verlag, FfM 2007)

Und des weitet der dann zu einem erst kapitelfüllenden, dann Jahre und Persönlickeiten umfassenden Rahmen, der wie eine Honigschleuder zuerst süssen, dickflüssigen, dann erstickend klebrigen, emotionsgeladenen Lesestoff extrahiert. Freaky, lyrisch, amüsant, belastend, authentisch, fragwürdig, lesenswert: passt alles, gleichzeitig.
Für alle, die der Politik schwachsinnig gegenüber eingestellt sind, weil, das ist sie nunmal in anbetracht der eigenen Abgründe. Und für die, die das dann auch mal aushalten, dieses mit sich selbst beschäftigt sein. Für alle Todesmutigen, die sich darauf einlassen und denen im letzten Fünftel die emotionalen Stimmbänder zu reißen drohen: Durchhalten! Alles andere zu diesem Monster gibts bei den langweiligen Buchkritiken wonanders im Internet.