barkeeper aus leidenschaft: Harry Schraemli

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barkeeper aus leidenschaft: Harry Schraemli.

dieses wochenende wurde mir ein wahrer klassiker der barliteratur geschenkt:

„Das grosse Lehrbuch der Bar“ vom legendären schweizer gastronom, hotelier und barmann Harry Schraemli.

barkeeper aus leidenschaft: Harry Schraemli.

Die Bar – Kulturgeschichtlicher Streifzug

„Regelrechte Wirtshäuser, «Tavernen» genannt, existierten schon vor vielen tausend Jahren. Ebenso lange befassen sich auch die Gesetze mit dem Vertrieb und Ausschank von alkoholischen Getränken. Im Altertum war es den Frauen vorbehalten, den Wirteberuf auszuüben; hie und da taten es auch die Männer, die den untersten Schichten der Bevölkerung angehörten. Waren die damaligen Wirtinnen auch nicht immer moralisch einwandfrei, so ist ihnen doch ein gewisser Anteil an der Fortentwicklung des Gastgewerbes nicht abzusprechen. Die Tavernen des Altertums waren wohl das Primitivste, das man sich vorstellen kann, und das dort verkehrende «Publikum» war alles weniger als fein. Im Laufe der Jahrtausende entwickelten sich aber diese Kneipen zu gutgeführten Gaststätten, aus denen sich wiederum einige für unser Kulturleben unentbehrliche Spezialzweige bildeten.

Die Bars können sich nicht eines methusalemischen Alters rühmen, da sie ihren Ursprung in Amerika haben und dieses Land erst entdeckt werden musste, resp. erst mit den «Segnungen» des Feuerwassers vertraut gemacht werden musste. Der eigentliche Ausdruck «Bar», existiert aber immerhin schon mehrere Jahrhunderte; allerdings besteht zwischen den damals als Bar benannten Gaststätten und den heutigen American-Bars ein riesengrosser Unterschied. Zuerst bestand die Bar nur aus einer Theke (Buffet) und einer um diese laufenden Barriere. Diese Barriere oder besser gesagt, dieses Geländer, trennte die Gäste gänzlich von der Theke; man konnte also seine Getränke nicht auf diese stellen. Die Gaste lehnten sich an die Barriere und hielten ihre Glaser in der Hand. Stühle usw. gab es nicht in einer solchen Bar. Man kam schnell herein, trank irgend etwas, plauderte vielleicht oder krakeelte und ging wieder seines Weges. Meistens verkaufte der Wirt ausser alkoholischen Getränken auch noch Tabak, Lebensmittel usw.

Die Errichtung dieser Barriere diente dazu, die Kundschaft von der Theke, resp. vom Alkohol und auch vom Wirt fernzuhalten, d. h. sie war eigentlich eine Schutzmassnahme. Wenn man bedenkt, weiche Rowdies damals die Staaten «kolonisierten» und «kultivierten», versteht man diese vorsorgliche Massnahme ohne weiteres. Damals sass das Messer nur lose in der Scheide, und ein paar Meter Abstand war immerhin von Vorteil. Natürlich war eine solche oft nur aus rohen Brettern verfertigte Barriere kein eigentlicher Schutz, denn ein Oberspringen war leicht, aber es gab dem Wirt doch Zeit genug, sich seinerseits auch vorzusehen. Nicht zuletzt war das Geländer aber auch da, um allzu neugierige Gaste von den Waren wegzuhalten. Der Name «Bar» stammt also offensichtlich von dieser Barriere, und die Barriere selbst haben wir heute noch in jeder Bar, allerdings in stark veränderter Form. Die Stangen, die unten und oben am Barbuffet entlanglaufen, sind die Nachfolger dieser Barriere. Heute dienen sie nicht zum Schutze des Wirtes, sondern zum Schutze des Mobiliars. Die obere Stange soll verhüten, dass der Gast sich zu weit über das Buffet lehnt, wodurch er wohl sehr oft Glaser umstossen würde. Unten haben wir die Schutzstange, um den Füssen Halt zu geben und das Buffet zu schonen.

Da die Bars in den nordamerikanischen Staaten zuerst aufkamen, ist es leicht erklärlich, warum man immer von einer «American-Bar» spricht, selbst heute noch, wo doch Europa die neue Welt in der Mixologie längst überflügelt hat. In Deutschland setzte sich teilweise auch die Tendenz durch, den Namen «Bar» nicht für alle derartigen Gaststätten zu gebrauchen, und es entstand dadurch das Wort «Diele», hier und da auch «Likörstube» genannt.

War ursprünglich für die Taverne nur Wein und Bier das gegebene Ausschankgetränk, so gesellten sich schon verhältnismässig frühzeitig auch Schnäpse und Liköre, also stark berauschende Getränke, hinzu. Man nimmt allgemein an, dass man erstmals im 11. Jahrhundert Branntweine durch Destillation erzeugte. Vorerst galten diese Erzeugnisse noch als kostbare Medizin, daher stammt auch der heute noch verbreitete Name «acqua vitae», also Lebenswasser. Wein wurde zu Weinbrand, also «Cognac» und Most zu «Apple-Brandy» gebrannt.

Einige Jahrhunderte später begann man dann Getreide zu brennen, und es entstanden Whisky und Kornschnäpse. Als die ersten Kolonisten in Amerika landeten, brachten sie also schon eine ganz nette Batterie verschiedener Alkoholika mit. Die von ihnen ins Leben gerufenen primitiven Gaststätten wurden natürlich auch «Tavernen» genannt. Getrunken wurde vorerst alles was Alkohol enthielt, und mit grosser Wonne die Getränke der alten Heimat. Da diese ersten Kolonisatoren aus vieler Herren Länder kamen, ergab sich von selbst die kunterbunteste Abwechslung. Als ältestes gemischtes Getränk, das in die Kategorie der sogenannten «American-Drinks» fällt, betrachte ich den «Julep». In einem Kochbuche aus dem Jahre 1540 finde ich ihn bereits erwähnt. Nicht viel jünger dürften der «Toddy» und «Highball» sein. Die anderen Mischungen ergaben sich im Laufe der Zeit. Nicht ganz zweihundert Jahre alt sind die «Flips» und die «Cocktails.

Mit der Entstehung grösserer Städte in Amerika und der Entwicklung der Kultur und des Wohlstandes begann die Blütezeit der «American-Bars». Bei Verhängung der Prohibition (1920) standen die Bars der amerikanischen Grossstädte in mancher Beziehung als führend da. In Europa gab es eine eigentliche Cocktail-Invasion während des ersten Weltkrieges, und zwar ausgelöst durch die auf der Seite der Alliierten kämpfenden amerikanischen Soldaten. Wohl kannte man in den Hauptstädten Englands, Frankreichs usw. schon «American-Bars», aber sie bildeten sehr exklusive Gaststätten. Im Jahre 1862 hatte der berühmte amerikanische Barmixer Jerry Thomas erstmals seinen «Bartenders Guide» herausgegeben. Dieser Mixer machte eine Tournee durch Europa und gab Schaustellungen im Mixen. Einige Jahre später erschien ein neuer Stern am Himmel der Mixologie, und zwar Harry Johnson, dessen Handbuch für Bartender tatsächlich zum «Bestseller» aller Zeiten wurde. Dieser tüchtige Fachlehrer und Autor schreibt im Vorwort zu seinem Werke wie folgt:

«Seit meiner frühesten Jugend im Hotelgeschäft tätig, habe ich es durch Fleiss und Studium zu den ersten Stellen in den grössten Hotels Amerikas gebracht, sowie alle bedeutenden Länder der Welt bereist, so dass ich von der Pike auf nach einer nunmehr 40jährigen Tätigkeit mit alien Einzelheiten meines Geschäftes dermassen vertraut bin, dass ich mein Buch als vollendetes Werk dem Publikum übergeben kann. Ich habe weder Mühe noch Kosten gescheut, mir Kenntnisse nach jeder Richtung hin anzueignen und solche immer wieder zu erweitern, habe ferner einen reichen Schatz von Erfahrungen zur Seite, welche ich auch im Privatunterricht bereits mit grossem Erfolge verwertete, indem sämtliche meiner Schüler zu den anerkannt besten und ausgezeichnetsten Bartenders dieses Landes gehören.

In San Franzisko habe ich mein Geschäft erlernt und war dort mehrere Jahre tätig, ging im Jahre 1868 von Californien fort und gab noch vor meiner Abreise von dort das erste Handbuch für Bartenders heraus, welches schon nach sechs Wochen in einer Auflage von 10’000 Exemplaren vollständig vergriffen war: der beste Beweis, dass das Erscheinen eines derartigen Werkes ein wahres Bedürfnis gewesen ist. Im selben Jahre eröffnete ich in Chicago mit bedeutendem Erfolge das grösste wie auch feinste Etablissement, das Amerika zur damaligen Zeit aufzuweisen hatte. Im darauffolgenden Jahre (1869) erging die Aufforderung an sämtliche Bartenders Amerikas, an einem Turnier teilzunehmen, das in New Orleans ausgefochten werden sollte, wo mir von den Richtern der Titel eines «Champion of Mixing» zuerkannt wurde. Der grosse Brand von Chicago im Jahre 1871 raubte mir mein ganzes Vermögen von 100’000 Dollars, so dass ich gezwungen war, wieder eine Stellung anzunehmen, die ich auch bald in Boston in einem der ersten Hotels fand.»

Noch heute mixen wir täglich eine Anzahl der von diesen beiden ersten berühmten Mixern erfundenen Drinks. Natürlich konnten in Europa nicht alle Mischungen den Anklang finden, der ihnen in der Neuen Welt beschieden war. Vor dem letzten Weltkriege erschien in Genf das erste Schweizer Mixbuch, verfasst von C. Beltramo, «Les Boissons américaines». Als ich im Jahre 1929 aus dem Auslande zurückkehrte, besassen wir kein Lehrbuch auf dem Gebiete der Mixologie. Man behalf sich meist mit einem mittelmässigen deutschen Buch oder, sofern man schon mixkundig war, mit dem ausgezeichneten, aber summarisch kurzen «ABC of Mixing», dessen Verfasser, Harry Mc. Elhone, auch mir Lehrmeister war. Im Auftrage der «Union Helvetia», Luzern, gab ich 1931 das erste wirkliche Lehrbuch in unserem Lande heraus.

Durch die Einführung der Spezialkurse für Mixen an der Schweizerischen Hotelfachschule in Luzern bekam das Bargewerbe in der Schweiz die eigentliche Grundlage, von der aus eine saubere und gediegene Entwicklung überhaupt erst möglich wurde. Wenn meine Schülerinnen und Schüler heute in den besten Betrieben der Schweiz und auch anderer Länder erfolgreich arbeiten, so ist mir das nicht nur ein Beweis für die Richtigkeit meiner Methode, sondern auch die schönste Genugtuung, auf die ja kein Lehrer und Autor verzichten möchte. Inzwischen habe ich auch ein «Lehrbuch für alkoholfreie Gaststätten» herausgegeben. Unserem Nachwuchs und unseren fortgeschrittenen Fachleuten stehen also in jeder Beziehung ideale Lehrmittel zur Verfügung…“

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