Bargeldlos per Handy bezahlen – (k)ein ferner Traum für die nächsten 10 Jahre?
In 10 Jahren könnte es kein Bargeld mehr geben. Dann könnte man nur noch mit einer Karte oder gleich dem Handy bezahlen. Oder etwa doch nicht?
Mobiles Bezahlen mit dem Handy (c) Foto Henning Gajek
Ab und zu macht die Deutsche Bank von sich reden. Mal setzen sie auf Privatkunden, dann mal wieder nicht und dann mal wieder doch. Die größte Deutsche Bank erlaubt sich von Zeit zu Zeit Schnitzer, die ich aus nächster Nähe beobachten konnte und meinen Eindruck stark geprägt haben.
Einst war die Deutsche Bank Teilhaber am ersten wirklich mobilen Bezahlen, genannt Paybox. Doch dann haben sie “vergessen”, Ihren Millionen eigenen Kunden von der Existenz des Unternehmens zu berichten oder gar den Mobilfunkanbietern “Mut” zu machen, dieses System zu akzeptieren. Paybox ging zunächst ein.
Dann kam die Deutsche Bank auf die Idee, das Privatkundengeschäft in eigene Filialen (mit eigener Bankleitzahl) auszulagern, um es später reumütig wieder zurück zuholen. Dann kauften Sie die Postbank, als Universalbank mit dem dichtesten Filialnetz und vielen internet-affinen Kunden (an sich eine gute Idee) und dann wurde es wieder nichts. Die Postbank steht zum Verkauf. Bausparkunden der Deutschen Bank, die kurzzeitig von der BHW “bedient” wurden, kehren automatisch zur Deutschen Bank zurück. Vertrauensbildung geht anders.
Nun werde es in zehn Jahren kein Bargeld mehr geben, sagt der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Seine internationale Zuhörerschaft hörte es mit allergrößter Skepsis. Tatsächlich ist Bargeld gerade in Deutschland und wohl auch in der Schweiz nach wie vor sehr beliebt und über drei Viertel aller Einkäufe werden hierzulande noch richtig mit Münzen und Scheinen bezahlt, wenngleich die EC-Karte sich steigender Beliebtheit erfreut, die Kreditkarte hingegen aber weiter gemieden wird.
Weltweit betrachtet gibt es bereits heute große regionale Unterschiede. Mobiles Bezahlen per Handy funktioniert schon heute auf verschiedene Art und Weise. Ganz einfach per SMS, oder über eine spezielle App, die übers Internet ein Bankkonto “steuert” oder über eine virtuelle Kredit- oder Debitkarte, die sich im Handy oder genauer auf einer speziellen NFC-SIM-Karte im Handy befindet. Bezahlt wird dann kontaktlos, wenn der Laden das passende Terminal hat und es nicht gerade defekt ist oder das Personal an der Kasse gar nicht instruiert wurde, welche Knöpfe zu drücken sind, damit es auch funktioniert.
Ich kann nach langen Anlaufproblemen mit “My Wallet” von Deutscher Telekom und derer Noch-Tochter Click-and-Buy bezahlen, aber die wollen den Laden zum 30.6.2016 schließen, weil Bezahldienstleistungen nicht zur Kernkompetenz der Telekom gehören, wie das offiziell heißt.
Der Start meines My-Wallet-Kontos war holprig, aber jetzt läuft es. Insider murmeln, dass der Wurm im Detail stecke und man wenig Hoffnung habe, die vielen kleinen Detailfragen selbst lösen zu können, weil Banking und Telekommunikation ja irgendwo doch zwei Welten seien. Finde ich nicht. IT und Kommunikation brauchen beide.
Das kontaktlose Bezahlen läuft in Deutschland gerade erst an, die ersten Supermärkte rüsten auf und um, viele Tankstellen können es (praktisch nicht immer). Kontaktloses Bezahlen mit dem Handy läuft derzeit de facto über einen einzigen Spezialanbieter, der über verschiedene Konstrukte für alle drei (vier) Mobilfunkanbieter in Deutschland diese Dienstleistung anbietet, das ist die Wirecard Bank. Diese Banker sind überall da zu finden, wo neuartige Bank-Anwendungen erprobt werden, beispielsweise bei Number26.de oder My Wallet / Click and buy (Deutsche Telekom), bei Vodafone Wallet, E-Plus/BASE-Wallet oder o2-MPass.
Die Telekom will raus und verhandelt offenbar mit der Targobank. Rein theoretisch könnten alle Banken und Sparkassen ihre virtuellen Kredit oder Debitkarten auf die NFC-SIM beamen, eine große deutsch-italienische Bank soll das schon erfolgreich getestet haben, aber so richtig Lust haben sie noch nicht dazu.
Der Systemlieferant Amdocs, der Software und Hardware zwischen Mobilfunksendestation und Endkunde anbietet, sieht das so: „Mobile Zahlungsmethoden sind mittlerweile weltweit verbreitet – jedoch zeigen sich große regionale Unterschiede. Nach Angaben des UBS Evidence Lab liegt der weltweite Verbreitungsgrad bei 40 Prozent, in Europa bei 38 Prozent. Dort sind Schweden und Russland Vorreiter. In Deutschland benutzen laut IHK erst 15 Prozent der Kunden mobile Bezahlmethoden. Jedoch seien 42 Prozent bereit, diese Methode in Zukunft zu verwenden. Um das Vertrauen der breiten Bevölkerung zu gewinnen, stehen Aspekte wie Sicherheit, Handhabung und Kosten im Zentrum”, hat Arno Brausch, Director Development bei Amdocs herausgefunden.
Und kommt zu einem veblüffend naheliegenden Ergebnis: “Eine Bevölkerungsgruppe, die bei mobilen Finanzdienstleistungen geradezu eine Vorreiterrolle einnimmt, sind Migranten. Eine im Auftrag von Amdocs durchgeführte Studie von Juniper [großer Netzwerklieferant] stellte fest, dass diese einen viel höheren Bedarf an einfachen und schnellen internationalen Zahlungsmethoden haben, vorzugsweise ohne Bargeld und per Handy.
Gerade Migranten, die Geld an die Familie und an Verwandte in ihren Herkunftsländern schicken, sind offen für eine Geldüberweisung per Handy, da in ihren Heimatländern viele Menschen kein Konto besitzen. 83 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Handy für internationale Überweisungen nutzen würden. Dazu kommt, dass die meisten Migranten, die derzeit Geld per Transferunternehmen (Money Transfer Operators – MTO) überweisen, mit diesen Dienstleistungen nicht zufrieden sind, etwa aufgrund langsamer Transfergeschwindigkeit (48 Prozent). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es hier sehr unterschiedliche Ansprüche an die mobilen Finanzdienstleistungen gibt – je nachdem, welche Region man genauer betrachtet.”
Anhand dieses Beispiels zeigt sich, dass großes Potential für Anbieter mobiler Finanzdienstleister besteht und dass mit steigender Mobilität der Menschen auch der Bedarf an effizienten, nutzerfreundlichen und kostengünstigen Alternativen zu herkömmlichen Bezahl- und Überweisungsmethoden besteht.“ Soweit die Firma Amdocs dazu.
In der Tat: Mobiles Bezahlen ist beispielsweise in Afghanistan oder Afrika längst Alltag, weil es dort super einfach (per SMS) geht. Die Leute haben gar kein richtiges Bankkonto, sondern verwenden das Prepaid-Guthaben Ihres Handys zum Bezahlen. In Deutschland nahezu undenkbar. Nur Vodafone Deutschland erlaubt mit CallYa-Transfer den Austausch von Prepaidguthaben zwischen den eigenen Kunden.
Würde ein Mobilfunker morgen mit richtigen Handybanking anfangen, würde schnell die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) auf die Finger schauen. Die etablierten Banken wären auch nicht “amused”, bekommen aber seit Jahr und Tag nichts funktionsfähiges hin, weil es starke Sicherheitsbedenken gibt und die sollte man Ernst nehmen. Das ist aber kein Grund nichts zu tun.
Mobiles Bezahlen kann funktionieren:
– Wenn es klar und einfach in der Bedienung ist
– der einzelne Bezahlvorgang den Endkunden möglichst nichts extra kostet
– Wenn es transparent ist. Wenige Sekunden nach dem Einkauf möchte ich auf dem Handy sehen, was sich an meinem Konto geändert hat. Wieviel Geld wurde abgebucht, wer hat es bekommen?
Technisch machbar ist das heute schon. Die Mobilfunker sind in der Pflicht, solange an Bord zu bleiben bis es wirklich rund läuft. Und wenn BaFin und BNetzA alles richtig machen wollen, sollten sie den Mobilfunkern aufgeben, jede Bank auf die SIM-Karte zu lassen, damit es auch hier funktionierenden Wettbewerb gibt. Und auch darauf achten, dass Sicherheitsstandards gewahrt bleiben.
Keine einfache Aufgabe.
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