Noch immer bin ich beim Überlegen, welcher Gattung dieses Buch zuzuordnen ist. Schubkästen dafür habe ich viele; passen will es in keine.
Ist es ein Roman? Nein – für mich nicht, da es kaum wörtliche Rede, also: keine Dialoge gibt (es sei denn, sie sind historisch überliefert). Ja – denn es ist spannend und flüssig geschrieben.
Ist es ein Sachbuch? Ein Geschichtsbuch? Ja, denn Jegliches ist recherchiert. Nein, denn das Buch ist voller Leben, Anekdoten, Kleingeschichten.
Ist es eine Biographie des Haupthelden Enguerrand de Coucy VII? Nein. Denn nicht nur sein Leben füllt die Seiten des Buches mit Leben.
Was ist es dann?
Ein 500-Seite-Werk über das Leben im 14. Jahrhundert; eine Zeit, die wir das “finstere Mittelalter” nennen (und wenn ich das lese, dann nicht ganz zu Unrecht).
Barbara Tuchman gelingt in dem Buch, die Atmosphäre des 14. Jahrhunderts zu fassen und erfühlbar zu berichten. In einer eher trockenen aber packenden Sprache. Und doch voller Leben.
100 Jahre, gepresst auf 500 Seiten müssen voller Spannung sein.
Keine der unzähligen Informationen in diesem Buch ist erfunden. Barbara Tuchman kennt die Belege und nennt sie: Chroniken und Urkunden, Inschriften und archäologische Funde, aber auch poetische und philosophische Werke hat sie ausgewertet. Gewiss, in vielem ist die Forschung mittlerweile vorangekommen, und die verwinkelte Geistesgeschichte der Epoche kann das Buch nur ein paarmal streifen. Doch als packend erzähltes Gesamtbild bleibt die 700-Seiten-Reportage der lebensklugen Lady aus New York eine große Leistung.
Ein Roman? Ein Sachbuch? Ein Geschichtsbuch? Eine Biographie?
Egal!
Es ist ein lesenswertes Buch das mehr (und ehrlicher) über das Mittelalter berichtet, als alle mir bekannten Romane, spannender als jedes Sachbuch, umfangreicher als ein Geschichtsbuch und eine Biographie eines ganzen Jahrhunderts.
Nic
