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“Yes, we can!”, “Change”, “Hope”, das waren die Parolen im Wahljahr des neuen politischen Superstars Barack Obama. Wie aus dem Nichts beim demokratischen Kongress auf der grossen politischen Bühne erschienen, als völlig chancenloser Ausseiter in die Präsidentschaftswahlen gestartet und am Ende nicht zuletzt aufgrund einer beispiellosen “Graswurzelbewegung” und seines unbestrittenen Charismas der erste schwarze Präsident geworden, so nahm ich ihn in dieser Zeit wahr. Er wurde für mich ein Hoffnungsträger für ein neues Amerika, das sich abwandte von der unseeligen Bush-Ära mit seinem Isolationismus in der Koalition der Willigen, seinen unseeligen Kriegen und dem Bruch der elementarsten Menschenrechte wie zB. durch das Gefangenenlager Guantanamo.
Und die ganze Welt – einschliesslich des Nobelpreis-Komitees in Oslo – hatten ähnliche grosse Hoffnungen in den “schwarzen Kennedy”.
Aber von Anfang standen die Zeichen schlecht für Barack Obama: sein Vorgänger hinterliess ihm ein wirtschaftlich und gesellschaftlich völlig zerrüttetes Amerika, wobei das ganze Ausmass des wirtschaftlichen Abschwungs und der Verwerfung im Wirtschaftssystem einerseits erst nach seiner Wahl offensichtlich wurden und andererseits ihm nicht im Entferntesten angelastet werden können. Das Land befand und befindet sich in sinnlosen und nicht zu gewinnenden Kriegen oder kriegerischen Auseinandersetzungen, doch der im Wahlkampf angekündigte und von den kriegsmüden Bürgern Amerikas mehrheitlich bejubelte Ausstieg aus diesen Kämpfen gestaltete sich dann mehr als schwierig und ist bis heute nicht ansatzweise verwirklicht.
Doch damit nicht genug: sehr schnell erholte sich der industrielle Komplex und die von der letztendlich durch die USA ausgelösten Weltwirtschaftskrise besonders bedrohte weisse Mittelschicht Amerikas von der Wahlniederlage der von ihnen favorisierten Republikaner, und die “Grand old Party” (GOP) übernahm mit der “Tea-Party”-Bewegung die erfolgreichen Strategien des Demokraten Obama. Es wurde nicht langsam stürmisch für den demokratischen Hoffnungsträger, nein, ihm blies der kalte Wind von Anfang direkt ins Gesicht.
Und so wurde die bisherige Zeit des Regierens für Barack Obama zu einer zermürbenden Geschichte: in kleinsten Schritten, meistens mehr auf der Stelle stehend als sich bewegend, versuchte er, die USA aus ihrer intellektuellen Isolation in die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts zu führen. Innenpolitisch konnte er dabei nicht ansatzweise Schritt halten mit den Erwartungen seiner Wähler, und aussenpolitisch stiess er schnell an die Grenzen, die schon vorher andere grosse Politiker akzeptieren mussten: sei es nun im Irak oder in Palästina, sei es bei den Auseinandersetzungen mit dem Iran und Nordkorea oder mit dem aufstrebenden China. Bad times for change!
Und so stellen viel Weisere als ich nach den ersten 2 Jahren seiner Präsidentschaft fest: die neue demokratische Politik in den USA dürfte seit gestern massiv vom Scheitern bedroht sein, Obamas Wiederwahl ist mehr als gefährdet, und:
Das Imperium schlägt zurück!
Die Republikaner gewannen gestern die Mehrheit im US-Abgeordnetenhaus. Damit könnten sie künftig alle Gesetzesinitiativen des Präsidenten torpedieren. Der Ausgang der Abstimmung im Senat, der zweiten Kongresskammer, ist noch ungewiss. Aber schon mit dem Verlust der Parlamentsmehrheit dürfte das Regieren für Obama in den nächsten zwei Jahren deutlich schwieriger werden – und dies könnte eine Untertreibung sein für das, was man befürchten muss, wenn man sich die Widerstände ansieht, die er schon in den letzten 2 Jahren mit einer Mehrheit im Rücken überwinden musste.
Im schlimmsten Fall lähmt sich das politische Amerika für die nächsten Jahre komplett selbst, und ein solcher vollständiger Stillstand wäre nicht folgenlos für den Rest der Welt. Zwar ist Amerika inzwischen kein wirtschaftlicher Gigant mehr, aber es ist die Führungsmacht in überlebenswichtigen Bereichen: zum einen in der Finanzwelt, denn noch kontrolliert es mit dem Dollar die Weltleitwährung, zum anderen in der Welt des Militärs.
Machen wir uns nichts vor, politische Veränderungen folgen gewissen Gesetzmässigkeiten, und dies macht die derzeitigen amerikanischen Verhältnisse so beunruhigend: auch die andere (ehemalige) Grossmacht UdSSR lähmte sich zunächst politisch selbst – wenn auch aufgrund der dortigen Diktatur und ihrer Verkrustungen, aber auch die amerikanischen Verhältnisse zeigen Ähnliches -, und auch das russische Regime verfing sich in einem sinnlosen, blutigen und nicht beherrschbaren militärischen Konflikt, während gleichzeitig das Wirtschaftssystem zusammenbrach.
All das ging in Russland einigermassen glimpflich für den Rest der Welt ab, doch lag dies sicherlich nicht an einem grossartigen Krisenmangement, sondern eher an vielen glücklichen Zufällen und einer grossen Schwäche der dortigen politischen und militärischen Führung. In den USA dürfte dies anders aussehen. Natürlich wird die USA nicht einen ähnlich radikalen Wandel durchmachen wie die Staaten der ehemaligen UdSSR, aber schon eine lang anhaltende Wirtschaftskrise dort in Verbindung mit einem sinkenden weltpolitischen Einfluss kann in Amerika zu Reaktionen führen, die uns nicht kalt lassen können: seien es kriegerische Auseinandersetzungen zB. mit dem Iran, seien es Handelskriege zB. China, sei es nur weitere Investitionsblasen, die aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche der Vereinigten Staaten platzen.
Dementsprechend ist die derzeitige Entwicklung in den USA für mich wirklich ein wenig beängstigend. Ich hoffe, dass die Amerikaner sehr bald ihren wirtschaftlichen und politischen Optimismus wieder finden und nicht zurückfallen in eine Politik der Isolation und Rückbesinnung auf alte – falsche – Werte. Der Weg zu “Change” ist allerdings seit gestern ein grosses Stück weiter geworden und die Gefahr, dass Barack Obama weniger ein leuchtender Stern als eine schnell verglühende Sternschnuppe ist, dürfte ziemlich gross sein.