BAP

In einigen Jahrzehnten werden die Berufskritiker und Kuratoren anerkennen, dass die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts etliche geniale Komponisten und Dichter hervorgebracht hat. Viele von ihnen wird man verehren und in Schulbüchern behandeln. Den Fans, die deren Alben kauften und hörten und auf Konzerte gingen, ist das schon immer klar gewesen. Kritiker vermögen das nie für die Künstler ihrer Zeit, weil sie stets an dem messen, was sie von ihren Eltern übernommen haben.
Die Speicherung von Musik auf Trägern erst machte es möglich, sich in Stücke hineinzusteigern, sie tausendmal zu hören. Dazu die Berieselung aus dem Radio. Es gibt Stimmen, mit denen sind wir groß geworden. Die sind uns so vertraut, wie Stimmen von Freunden und Verwandten. Das fällt einem besonders dann auf, wenn man sie nach langen Pausen mal wieder hört.
In NRW hat man seinen Musik- (und manchmal Deutsch-)unterricht vom WDR bekommen. Musiklehrer waren fürs Ernste Wolfgang Neumann und fürs Populäre Mal Sondock.
BAP nahmen beide durch. Meine erste LP, die kein Sampler war, war von BAP. Die ersten Texte, mit denen ich mich wirklich beschäftigt habe, waren von Wolfgang Niedecken. Leider raffte ich mich erst bei der Dacapo Tour zum ersten mal auf, mit einem Kumpel zum Konzert zu fahren. Nach Hannover. Im Zugabteil saß eine Frau, die sich später als Freundin eines Gastmusikers auf dem "Zwesche Salzjebäck un Beer" Album vorstellte. Sie nahm uns in ihrem Auto mit zum Konzert. Mit einem Boxenstop bei besagtem Gastmusiker, um auch ihn ins Auto einzuladen. Eine Szene, typisch für BAP, aber schon nicht mehr typisch für die Zeit 1988.
Seit der Trennung der alten Bandformation habe ich die Musik von Niedecken nicht mehr weiterverfolgt. Ich sah die neuen BAP mal auf einem Festival im Ruhrgebiet, war aber nicht mehr angetan. Erst voriges Jahr, als er sich zum Kindesmissbrauch durch kath. Priester und Lehrer äußerte, wurde ich wieder hellhörig. Ich habe seine Biographie noch nicht gelesen, werde das aber noch tun. Ich hatte die alten CDs vor kurzem wieder ausgegraben und aufgelegt, vor allem die späteren, die ich nicht mehr so intensiv gehört hatte (Anspieltipp: "Novembermorje"). Ende November stand BAP auf dem Kalender in der Columbiahalle in Tempelhof. Das könnte jetzt in Frage stehen. Denn soeben lass ich auf BILD.de, dass Wolfgang Niedecken gestern mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht wurde.
Ich hoffe, dass es nichts ernstes ist.

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