Bankenunion: Was wollen die Wall Street in New York und die City in London wirklich? Zum Manifest der Professoren Hans-Werner Sinn und Walter Krämer und zum Ökonomenstreit

In Deutschland tobt ein heftiger "Ökonomenstreit", der auch in der breiten Öffentlichkeit geführt wird.
Ich selbst habe die Vorgänge bebloggt unter
  1.  "Bankenunion wäre eine neue Steuer für uns Deutsche. ...."
  2. "15 Voodoo-Ökonomen umtanzen die 'Schuldenkrise' der Eurozone .....", (dort auch zahlreiche Links zu dieser Debatte) und
  3. "Italiens Ministerpräsident Mario Monti hat auf dem Gipfel in Brüssel wohl einen katastrophalen Pyrrhussieg errungen. ....."
Auslöser war ein am 05.07.2012 in der FAZ veröffentlichter "Protestaufruf. Der offene Brief der Ökonomen im Wortlaut". In dieser von den Professoren Walter Krämer (Dortmund) und Hans-Werner Sinn (München) initiierten Erklärung sprachen sich 172 (sämtlich oder weitestgehend deutsche) Wirtschaftswissenschaftler gegen eine Vergemeinschaftung der Haftung für die Banken in Europa aus. (Einzelheiten dazu in ersten beiden - insbes. Nr. 1 - meiner oben verlinkten 3 Blotts.)
Fast am Schluss des Dokuments findet sich die folgende Passage, die von den Gegnern der (wie ich sie nenne:) "Mehrheitsökonomen" teilweise scharf kritisiert wurde (meine Hervorhebung):
"Weder der Euro noch der europäische Gedanke als solcher werden durch die Erweiterung der Haftung auf die Banken gerettet; geholfen wird statt dessen der Wall Street, der City of London – auch einigen Investoren in Deutschland - und einer Reihe maroder in- und ausländischer Banken, die nun weiter zu Lasten der Bürger anderer Länder, die mit all dem wenig zu tun haben, ihre Geschäfte betreiben dürfen."
Ganz grundsätzlich ist bei einer Analyse der 'Bankenrettungsdebatte' festzustellen, dass an einer Bankenrettung alle jene ein Interesse haben, die davon profitieren, bzw. umgekehrt: die bei einer Nicht-Rettung der Banken verlieren würden. Das sind:
  1. Die maroden Banken selbst
  2. Die Eigentümer der Banken und
  3. Die Gläubiger dieser Banken, also alle jene, welche diesen Banken Geld "geliehen" haben (andere Banken oder Privatpersonen - als Geldeinleger, oder als Käufer von Anleihen der Bank).
  4. Ggf. 'Wettenteilnehmer', also speziell Käufer und Verkäufer von eventuellen Credit Default Swaps zur Absicherung gegen oder in der Hoffnung auf eine Insolvenz der jeweiligen Bank. (Wobei zu beachten ist, dass hier - wie aber auch allgemein - die Interessen "der Spekulanten" naturgemäß gegenläufig sind: "Wat den Eenen sin Uhl', ist den Annern sin Nachtigall.") Diese Interessendimension lasse ich mal außen vor, weil ich nicht glaube, dass im großen Umfang CDS' auf Bankinsolvenzen laufen.
Daneben sind natürlich auch die bei diesen Banken beschäftigten Arbeitnehmer an einer Rettung interessiert, und nicht zuletzt auch "der Staat" (aus mehreren Gründen: Steuereinnahmen, sozialer Friede, Kreditversorgung der Wirtschaft) - auf welcher Ebene (Nationalstaat, Land, Kommune) auch immer. Die lasse ich hier mal außen vorm weil ich hier ja in der Hauptsache die Interessenlage von "Wall Street" und "City", also der US-amerikanischen und britischen 'Hochfinanz'.
Die unmittelbaren Interessen von "Wall Street" und  "City" in Sachen Bankenrettung sind also insoweit tangiert, als die dortigen Finanzinstitute (Banken, Hedgefonds usw.) entweder Eigentümer der (ich sage mal salopp:) "Pleitebanken" sind, oder denen Geld geliehen haben. (Eine dritte, oben nicht erwähnte, Möglichkeit wäre, dass die 'Hochfinanzinstitute' mit den 'Pleitebanken' Geschäfte abgeschlossen haben, z. B. über Credit Default Swaps, die im Insolvenzfall nicht ausgeführt werden könnten. Das dürfte aber ein kleinerer Bereich sein und kann hier außen vor bleiben.)
Die hier identifizierten Interessen der Hochfinanz sind natürlich keine anderen als diejenigen aller anderen Geschäftspartner der "Pleitebanken".
Insofern ist es zwar einerseits  die Feststellung zutreffend, dass eine Bankenrettung ein Geschenk an die Wall Street und die City wäre. Andererseits sind die aber nur insoweit tangiert, als sie tatsächlich offene Positionen gegenüber den "Pleitebanken" haben. Und alle anderen Eigentümer, Kapitaleinleger (Sparer etc.) usw. haben eben auch ein Interesse daran, dass irgend jemand für die Schulden einer Pleitebank haftet.
Insofern kann man es schon nachvollziehen, wenn sich die Kritiker des Ökonomenaufrufs die Formulierung "geholfen wird statt dessen der Wall Street, der City of London" für populistisch halten.
Sie ist zwar, wie gesagt, sachlich nicht falsch. Aber natürlich erweckt sie bei unbefangenen Lesern den Eindruck, dass es bei der Bankenrettung hauptsächlich um eine unmittelbare Hilfe für die angelsächsische Hochfinanz gehe.
Wohl niemand hat einen Überblick darüber, welche Summen Wall Street und City hier "im Feuer" haben. Ich vermute allerdings, dass es deutliche geringere Beträge sind als jene der Eigentümer, Einleger usw. aus dem jeweils eigenen Land, und von anderen Banken aus dem eigenen Staat oder der Eurozone.
Allerdings kann es allen diesen 'Rettungsinteressenten' zunächst einmal gleichgültig sein, wer dafür sorgt, dass ihre Forderungen beglichen werden: Der jeweilige Nationalstaat und/oder der Europäische Stabilitäts Mechanismus (ESM) via Bankenrekapitalisierung (d. h. Zuführung von soviel Kapital an die Pleitebank, dass deren Verluste ausgeglichen werden und sie wieder arbeitsfähig ist), oder eine gemeinschaftlich von allen Banken getragene Einlagensicherung. Wobei auch diese wieder auf nationalstaatlicher oder eurozonärer (evtl. sogar EU-weiter) Ebene denkbar ist; aber auch das kann den Nutznießern solcher Maßnahmen zunächst gleichgültig sein.
Ganz allgemein ist es in der 'Eurettungsdebatte' allerdings schon auffällig, mit welcher Vehemenz sich angelsächsische Stimmen (aus der Finanzwelt - z. B. George Soros -, aus der Politik und insbesondere aber auch aus der Wirtschaftswissenschaft) einmischen. Wie die Missionare fallen sie über uns her, um uns zur Gemeinschaftsverschuldung zu bekehren: zunächst zur Übernahme fremder Staatsschulden durch (u. a.) Deutschland, jetzt auch noch zur Übernahme der Haftung für fauler Bankkredite in (grosso modo:) Südeuropa. Und in beiden Fällen wird ergänzend oder als Alternative zur Steuerzahlerhaftung immer wieder die Europäische Zentralbank (EZB) ins Spiel gebracht: Die solle doch bitteschön, bzw. müsse lediglich, kräftig frisches Notenbankgeld drucken, dann würde die Eurozone wie von selbst in Ordnung kommen.
Und soweit die angelsächsischen Verschuldungsmissionare die Notenbank nicht unmittelbar ins Spiel bringen darf man sicherlich unterstellen, dass sie sehr wohl um die begrenzte Schuldentragfähigkeit der (deutschen u. a.) Steuerzahler wissen. Und dass auch sie letztlich darauf abzielen, dass die EZB gezwungen sein würde, die Überlastung der Staatshaushalte aus Bürgschaften usw. wegzuinflationieren.
DARIN liegt, das tiefere, das sozusagen strukturelle Interesse der Angelsachsen: ihres Finanzsektors, aber auch ihrer Politik: eine inflationäre Geldpolitik der EZB zu erschleichen oder zu erzwingen!
Denn ein solider Euro (ggf. ein Nord-Euro) wäre tödlich für den Dollar wie für das Pfund. Das vagabundierende Großkapital würde sofort aus diesen durch Gelddruckerei längst verwässerten Währungen abgezogen werden, und unverzüglich in den (wenigstens scheinbar) sicheren Hafen eines (zumindest momentan) sicheren, vor allem aber solideren (Nord-)Euro abwandern.
Dann würde auch deren hypertrophierte Scheinfinanzwelt kollabieren, und ihnen eine Haupteinkommensquelle aus dem Zufluss von internationalem Fluchtkapital entzogen werden.
Diese Interessenperspektive ist sehr viel abstrakter als ein unmittelbares Abgreifen von Eurettungsgeldern. Aber ich bin sicher, dass es weitaus stärker DIESE Interessenlage ist, welche die allermeisten unserer angelsächsischen "Freunde" im Hinterkopf haben, wenn sie uns mit ihren 'guten' Ratschlägen überziehen, als die (natürlich auch vorhandenen) Interessen an unmittelbarer Nutznießerschaft.
Nur ist diese Perspektive den breiten Massen schwerer zu vermitteln. Insofern ist es schon korrekt zu sagen, dass die Einführung einer Bankenhaftungsunion in der Eurozone (via direkter Rekapitalisierungsmöglichkeit über den ESM und/oder eine gemeinschaftliche, von den Banken selbst zu finanzierende Einlagensicherung) in erster Linie den Banken in New York und London, also "der Wall Street" und "der City" hilft.
ceterum censeoLagerinsassen der Euro-Zone: Befreit euch aus dem EZ des Kapitalsozialismus! Verjagt die Berliner Politwärter des Euronen-EntZiehungslagers (und ihre medialen Schläferhunde)!
Textstand vom 10.07.2012. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm. Hinweis für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden teilweise aktualisiert (manchmal auch geändert).

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