Auf der Homepage von Michael Ballack werden unter dem Menüpunkt «Aktuelles» regelmäßig Spielberichte zu den Auftritten von Bayer Leverkusen veröffentlicht. Auch der Spielverlauf des 1:1 am Samstag bei Werder Bremen ist dort festgehalten (der 19. Spieltag zum Nachlesen im news.de-Liveticker). Der Name Michael Ballack taucht in der Nachricht kein einziges Mal auf. Kein Wort zu den 90 Minuten, die er auf der Bank schmorte und sich an der Seitenlinie warmlief. Kein Wort zu den heftigen Vorwürfen von Bayer-Boss Wolfgang Holzhäuser. Und nichts dazu, dass die Bayer-Klubführung davon spricht, seinen Restvertrag bis zum Sommer «profimäßig abzuwickeln».
So hält es Ballack seit Tagen. Der einst beste Spieler dieses Landes sitzt seine Probleme bei Bayer Leverkusen einfach aus – und schweigt. Nur sein Berater Michael Becker meldete sich störrisch zu Wort. «Das ist ein billiger Trick, um von den eigenen Problemen mit dem Trainer abzulenken. Michael ist doch nur das Bauernopfer.» Das Urteil über ihn und seine Situation überlässt Ballack damit anderen. Jeder Experte, der mit Michael Ballack oder Bayer Leverkusen in Verbindung gebracht werden kann, äußerte sich am Wochenende über den Fall Ballack. Der Abstieg eines Helden zum Bankdrücker fasziniert die Fußballfans.
Matthias Sammer wählte dabei die deutlichsten Worte. «Wenn du noch ein bisschen Fußballer bist, musst du sofort weggehen von Bayer Leverkusen. Michael kann nicht gewinnen in der Diskussion, und dann wird sich etwas festsetzen, was für Michael nur negativ sein kann.»
Dutt: «In den 90 Minuten zählt das Leistungsprinzip – egal ob 20 oder 35»
Günter Netzer schrieb in der Bild am Sonntag: «Was ich bei Ballack festgestellt habe, ist ein fehlendes Erkennen seiner Situation. Ich kann mich an ein Interview weit vor der WM 2010 erinnern, in dem er gesagt hat, dass er niemandem mehr etwas beweisen müsse. Eine grandiose Fehleinschätzung, die ich schon damals via Fernsehen direkt korrigiert habe. Denn Superstars haben selbstverständlich die Verpflichtung, ständig gute Leistungen zu bringen, weil sie immer unter besonderer Beobachtung stehen und man überprüft, ob sie noch die Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen können.»
Leverkusens Trainer Robin Dutt versuchte am Sonntag im Sport1-Doppelpass die zu Situation zu deeskalieren. «Michael hat bei mir Privilegien, aufgrund seiner Vita, die er im Fußball hat. Diese Privilegien hat er sich verdient, das weiß er auch. Die hat er bis zum Anpfiff und ab dem Abpfiff wieder. Aber in den 90 Minuten zählt das Leistungsprinzip. Ob 20 Jahre oder 35 – da darf es keinen Unterschied geben», sagte Dutt. «In der Vorrunde hat er gute Leistungen gebracht, hat auch sehr viel gespielt. Und jetzt war ich halt mal der Meinung, dass er ausgewechselt werden muss und jetzt hat er mal nicht gespielt.»
Was seine Kollegen von dem Theater um den «Capitano» denken, formulierte Bayer-Verteidger Manuel Friedrich sarkastisch: «Das drückt mir so auf das Herz, ich konnte drei Tage lang gar nicht schlafen und bin froh, dass ich die 90 Minuten irgendwie durchgehalten habe.» Solidarität mit einem Teamkollegen hört sich anders an.
Sammer: «Er muss jetzt an die Zukunft denken und souveräner handeln»
Carsten Ramelow, Ballacks einstiger Teamkollege bei Bayer und in der Nationalmannschaft, bezog als einer der wenigen Stellung für Ballack. Ramelow kritisierte dabei Bayers Klubführung und Trainer Robin Dutt scharf. «Anfang der Saison plant er nicht mit Ballack, später aber greift er doch auf ihn zurück, weil er ihn braucht – nur um ihm nach der Winterpause wieder die Unterstützung zu entziehen. Ich frage mich wirklich, wie sich Bayer das mit Ballack vorgestellt hat», sagte Ramelow im Interview mit den Fachportal spox.com.
Ballacks Zukunft ist derzeit völlig offen. Sicher scheint nur, dass er Leverkusen spätestens zum Saisonende verlässt. Doch Holzhäuser machte unmissverständölich deutlich, dass Ballack gern auch sofort bis zum Ende der Transferperiode wechseln könne. Gegen einen Schnellschuss auf dem Transfermarkt spricht jedoch, dass Ballack sich wohl im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Barcelona würdig verabschieden will. Danach könnte er Leverkusen noch bis Mitte April verlassen, wenn das Transferfenster der amerikanischen Major League Soccer schließt. Immer wieder wird spekuliert, dass Ballack gemeinsam mit Kumpel Torsten Frings den Lebensabend als Aktiver verbingen könnte. Ballacks Fans sähen es gern, wenn er seine Karriere bei einem seiner Ex-Klubs Chemnitzer FC oder 1. FC Kaiserslautern beendet. Im Gästebuch seiner Webseite sprechen ihm viele Anhänger Mut zu und äußern sich schockiert über Leverkusen Vereinsführung.
«Wir sind zwar in der Gegenwart, aber er muss jetzt an die Zukunft denken und souveräner reagieren und handeln. Das würde ich mir von ihm wünschen», sagte Matthias Sammer.
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Der Morgen danach – Bankdrücker Ballack spaltet Bayer
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