Bangkok hat mich im Juli regelrecht umgehauen, und das im komplett positiven Sinne. Doch eine Sache gab es, bei der sich mir doch immer wieder die Haare zu Berge gestellt haben. Es geht um eine Sache, mit der man nicht nur in Bangkok sondern in ganz Thailand ständig konfrontiert wird, und die fast jeder mit diesem so schönen Land verbindet: Die Rede ist vom Sextourismus.
Keinesfalls möchte ich jetzt eine allgemeine Stellungnahme zum Thema Prostitution abgeben. Mir ist bewusst, dass es Sex für Geld überall auf der Welt gibt, und vor allem überall dort, wo viele Touristen sind. Was in Bangkok vor sich geht, ist aber nochmal eine ganz andere Hausnummer. Während ich mich vor der Reise online zu verschiedenen Themen (Fortbewegung, Sehenswürdigkeiten, Restaurants etc.) belesen habe, war das Thema Prostitution bereits omnipräsent. Wenn ich bestimmte Fragen zu einem Reiseziel habe, google ich in der Regel einfach passende Stichworte, und lese mich dann gerne durch verschiedene Foren. Zeitweise hatte ich bei meiner Recherche über Bangkok das Gefühl, als wären für den Großteil der Bangkok-Reisenden die einzigen diskutierenswerten Themen, wo es in der Stadt die billigsten und besten Prostituierten gibt. Natürlich ist diese Darstellung überspitzt, aber diese Selbstverständlichkeit, mit der darüber öffentlich diskutiert wurde, war für mich absurd.
An unserem ersten Abend in Bangkok traf mich dann die Realität wie ein Schlag ins Gesicht. Wir waren in der Silom Road unterwegs, und bogen dort in eine hell erleuchtete Seitenstraße ab. Von weitem sahen wir eine große Gruppe junger Mädchen. Zuerst dachte ich ganz unschuldig an einen Junggesellinnenabschied oder ähnliches. Beim Näherkommen erkannte ich, dass die Gruppe dafür irgendwie zu groß erschien. Außerdem saßen und standen die Mädchen auf mehrere Reihen verteilt am Straßenrand. Als ich begriffen habe, was diese Mädchen da machten, ist mir plötzlich schlecht geworden. Mindestens 60 Mädchen waren dort vor einem Laden aufgereiht. Sie saßen dort in Stuhlreihen wie eine Schulklasse, und sahen auch nicht viel älter aus als Schülerinnen, abgesehen von den hohen Schuhen und der knappen Kleidung. Einige Mädchen standen links und rechts, führten kleine neckische Tänze auf, und sprachen europäisch aussehende Männer an. Vor und neben den Mädchen gingen die Zuhälter auf und ab, positionierten einige der jungen Frauen gelegentlich um, gaben Anweisungen, und zeigten auf potenzielle Kunden.
Von da an war für mich der Sextourismus allgegenwärtig. In jedem Restaurant, an jeder Bar und auf jedem Gehweg sah ich ältere, europäisch aussehende Männer, gelegentlich auch Japaner, in Begleitung blutjunger Mädchen, Ladyboys oder auch gelegentlich junger Männer. Ich konnte nicht anders, als mich bei jedem einzelnen dieser Paare zu Fragen: Bezahlt der Tourist sie oder ihn dafür? Die Antwort lautete wahrscheinlich in den meisten Fällen: Ja. Einmal standen wir in unserem Hotel morgens im Aufzug. Eine junge Thai und ein Mann mittleren Alters stiegen zu. Sie kamen aus einem der Stockwerke, in der die Zimmer waren. Sie bezirzte ihn unentwegt, kuschelte sich an ihn. Er hatte während der Fahrt seine Sonnenbrille auf. Es war ihm unangenehm, weil er wusste, dass wir wussten, was Sache war. Es war mir und meinem Mann unangenehm, die beiden zusammen zu sehen, und zu wissen, dass er sie bezahlte. Die Frau war jünger als ich, vielleicht Anfang 20. Falls es ihr auch unangenehm war, hat sie sich nichts davon anmerken lassen. Aber ich hätte zu gerne gewusst, was ihr durch den Kopf ging.
Die Selbstverständlichkeit, mit der dieser Sextourismus in Bangkok gelebt wird, hat mich schockiert. Mich entsetzt, dass Männer den Währungsvorteil ausnutzen, um billigen Sex in Thailand zu bekommen. Am schrecklichsten ist für mich aber nach wie vor der Gedanke daran, wie jung die sich prostituierenden Frauen und auch Männer waren. Ich konnte bei den meisten nicht sagen, ob sie volljährig waren. Die Freier wahrscheinlich auch nicht. Ob sie sich einen Ausweis von den Prostituierten haben zeigen lassen? Fraglich. Für viele ist ja auch genau das der Kick: Sex mit einem sehr, sehr jungen Mädchen (oder Jungen). Männer fliegen nach Thailand, um sich dort für einen – verglichen mit ihrem Einkommen – lächerlichen Betrag körperliche Zuneigung zu erkaufen. Das Ganze trägt den Namen „Sextourismus“, und wird mehr oder weniger öffentlich betrieben. Der Gedanke ekelt mich an.
Nicht das Konzept der Prostitution an sich ist es, das ich verurteile. Es ist das Konzept des Sextourismus, der in Bangkok und im restlichen Thailand so offen und schamlos betrieben wird. So offen, dass man sich alle Infos und Tipps dazu in Reiseforen im Internet holen kann. So offen, dass man sich sein Mädchen für die nächsten Stunden wie an der Auslage der Fleischtheke aussuchen kann. Welches ist am frischesten, jüngsten, und sieht am appetitlichsten aus? Dieses Konzept ist für mich durch und durch befremdlich.