Ein als Busfahrer beschäftigter Arbeitnehmer hatte im Arbeitsvertrag in Bezug auf seine zu leistende regelmäßige Arbeitszeit folgende Klause zu stehen:
§ 1
Inhalt, Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses
Der AN wird ab 01.05.2011 bis 01.05.2012 im Rahmen
eines gewerblichen befristeten Arbeitsverhältnisses als
Busfahrer in Vollzeit beschäftigt.
Der Arbeitnehmer/ Kläger befuhr mehrere Linien und wollte vom Arbeitgeber 649,65 Überstunden vergütet bekommen haben. Dabei ging der Kläger davon aus, dass seine regelmäßige Arbeitszeit, die ja im Arbeitsvertrag nicht genau geregelt war, 40 Stunden pro Woche betrug. Er legte den Begriff „Vollzeit“ so aus, dass er 40 Stunden pro Woche zu arbeiten hätte und jede darüber hinausgehende Stunde, eine Überstunde sei. Streitig waren aber auch noch tatsächliche Umstände, wie die Länge der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Die Gegenseite meinte, dass es keine feste (regelmäßige) Arbeitszeit laut Arbeitsvertrag gäbe und die Arbeitszeit genau die Zeit sei, die ihm der Arbeitgeber zugewiesen habe.
Das Arbeitsgericht wies die Klage des Arbeitnehmers ab; das LAG gab dem Arbeitnehmer zum Teil (108 Überstunden) Recht und ging von einer regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers von 40 Stunden pro Woche aus.Der Arbeitgeber legte Revision zum BAG ein und beantragte die Aufhebung des Urteils des LAG.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25. März 2015- 5 AZR 602/13) wies die Revision des Arbeitgebers zurück und bestätigte das Urteil des Landesarbeitsgerichts (Hamm).
Das BAG führt dazu aus:
………….
Die für das Arbeitsverhältnis gelten sollende Arbeitszeit, die den für die 14
vereinbarte Vergütung geschuldeten zeitlichen Umfang der iSv. § 611 Abs. 1BGB „versprochenen Dienste“ bestimmt, ist deshalb durch Auslegung zu ermit-
teln. Anknüpfungspunkt hierfür ist § 1 Arbeitsvertrag, in dem es heißt, der Klä-
ger werde als Busfahrer „in Vollzeit“ beschäftigt. Der durchschnittliche Arbeit-
nehmer darf „in Vollzeit“ so verstehen, dass die regelmäßige Dauer der Arbeits-
zeit – unter Zugrundelegung einer Fünf-Tage-Woche und der in § 3 Satz 1
ArbZG vorgesehenen acht Stunden arbeitstäglich – 40 Wochenstunden nicht
übersteigt. Soll hingegen mit der Formulierung „in Vollzeit“ die nach geltendem
Recht zulässige Höchstgrenze der Arbeitszeit ganz oder teilweise ausgeschöpft
werden, müsste dies durch eine konkrete Stundenangabe oder zumindest eine
hinreichend bestimmte Bezugnahme auf den arbeitsschutzrechtlich eröffneten
Arbeitszeitrahmen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. § 307
Abs. 1 Satz 2 BGB). Allein der Hinweis in § 4 Satz 2 Arbeitsvertrag, der Kläger
habe „im Monat zwei Samstage und jeden Sonntag frei“, sorgt nicht für die nöti-
ge Klarheit. Denn für die Beschäftigung an Sonntagen sieht § 11 Abs. 3 Satz 1
ArbZG einen Ersatzruhetag vor. Die Nennung des Samstags als möglichen Ar-
beitstag besagt nicht, dass eine Sechs-Tage-Woche vereinbart sei, sondern
erlaubt lediglich eine flexible Verteilung der Wochenarbeitszeit.4. Weil die für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebende Arbeitszeit 15
durch Auslegung des § 1 Arbeitsvertrag ermittelt werden kann, kommt es aufdie Existenz einer betriebsüblichen Arbeitszeit (vgl. BAG 15. Mai 2013 – 10 AZR
325/12 – Rn. 21; 25. Februar 2015 – 5 AZR 481/13 – Rn. 25) nicht an.
Nicht wenige Arbeitgeber lassen bewusst im Arbeitsvertrag die regelmäßige Arbeitszeit “offen”, um die Probleme des “Betriebsrisikos” (Arbeitgeber hat nicht genug Arbeit) und/ oder der Überstunden zu “umgehen”. Dass dies nicht so einfach möglich ist, zeigt die obige Entscheidung des BAG.
Rechtsanwalt Andreas Martin