BAG: PHK-Erklärung zu spät eingereicht – ein Anspruch auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe.

Der Kläger begehrte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Kündigungsschutzverfahren sowie einen Zeugnisanspruch.

Der Anwalt des Klägers beantrage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung „der Sozietät“. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (des Klägers) sowie sonstige Unterlagen waren dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht beigefügt.

Später kam es zum Vergleich zwischen den Parteien, welcher nach § 278 VI ZPO vom Arbeitsgericht protokolliert wurde. Der Anwalt des Klägers wies nochmals darauf hin, dass der Kläger noch Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung für den Rechtsstreit haben möchte; die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fügte er wiederum nicht bei.

Durch Beschluss vom 7. Juli 2016 stellte das Arbeitsgericht Mannheim das Zustandekommen des Vergleichs fest.

Mit der Verfügung vom 11. Juli 2016 regte das Arbeitsgericht gegenüber dem Kläger an, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzunehmen, da eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht worden sei und das Verfahren beendet sei. Daraufhin übersandte die Anwaltskanzlei mit Schriftsatz vom 15. Juli 2016 die PKH-Erklärung und wies darauf hin, dass die Erklärung versehentlich nicht rechtzeitig eingereicht worden sei.

Mit Beschluss vom 8. August 2016 wies das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurück, wogegen der Kläger sofortige Beschwerde einlegte. Dieser half das Arbeitsgericht nicht ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht Baden-Württembergzur Entscheidung vor.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2017 wies das Landesarbeitsgericht Baden-Württembergdie sofortige Beschwerde des Klägers zurück.

Mit seiner vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Kläger seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter.

Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 31.7.2017, 9 AZB 32/17) wies die Rechtsbeschwerde zurück und führte dazu aus:

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Beendigung des Rechtsstreits kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung gewährt werden. Nach Beendigung des Rechtsstreits wird die Rechtsverfolgung nicht mehr beabsichtigt. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die entsprechenden Belege beizufügen. Dabei sind gemäß § 117 Abs. 4 ZPO die amtlichen Formulare zu benutzen. Tatsächlich kann erst zu dem Zeitpunkt, in dem diesen Anforderungen genügt ist, Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet werden. Eine Rückwirkung kann nur bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, an dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles Erforderliche und Zumutbare für die Bewilligung getan hat (BAG 16. Februar 2012 – 3 AZB 34/11 – Rn. 13 mwN). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da nach eigenen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers versehentlich kein formgerechter Antrag gestellt wurde. Ein solcher lag damit allenfalls nach Beendigung des Rechtsstreits vor.

Prozesskostenhilfe war auch nicht deshalb rückwirkend zu bewilligen, weil das Arbeitsgericht vor Feststellung des Zustandekommens des Vergleichs nicht darauf hingewiesen hatte, der Antrag des Klägers sei noch nicht bescheidungsfähig, weil keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliege. Das Arbeitsgericht war weder nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO verpflichtet, vor Feststellung des Zustandekommens des Vergleichs auf das Fehlen der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen, noch lässt sich eine entsprechende Hinweispflicht aus § 139 ZPO herleiten. Einem Rechtsanwalt muss die Notwendigkeit der Einreichung der formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt sein. Eines besonderen gerichtlichen Hinweises bedurfte es daher nicht. Für eine solche Kenntnis des Rechtsanwalts ist es auch nicht erforderlich, dass er selbst angekündigt hatte, die Formularerklärung nachreichen zu wollen (so noch BAG 5. Dezember 2012 – 3 AZB 40/12 – Rn. 13). Zudem hätte es dem anwaltlich vertretenen Kläger freigestanden, den Vergleich zunächst abzulehnen und weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu verlangen (vgl. BVerfG 2. Juli 2012 – 2 BvR 2377/10 – Rn. 13). Deshalb kommt auch nicht ausnahmsweise eine rückwirkende Bewilligung in Betracht, weil die verspätete Einreichung unverschuldet gewesen wäre.

Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin



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