BAG: personenbedingte Kündigung auch bei Alkoholerkrankung ohne Fehlzeiten wirksam

Erstellt am 25. Oktober 2014 von Raberlin

Dies gilt auch für die personenbedingte Kündigung, deren Hauptanwendungsfall die krankheitsbedingte Kündigung ist. In der Regel müssen für eine krankheitsbedingte Kündigung die Fehlzeiten 6 Monate betragen (dies hängt aber widerum vom Einzelfall ab). Die Hürden für eine solche Kündigung sind von daher für den Arbeitgeber recht hoch. In der Regel ist dann auch noch ein BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement) durchzuführen, dass zwar keine Voraussetzung für die Kündigung ist, aber von der Rechtsprechung in der Regel im Rahmen der Ultima- Ratio – Prüfung verlangt wird.

krankheitsbedingte Kündigung als Sonderfall der personenbedingten Kündigung

Bei einer personenbedingten Kündigung wegen einer Alkoholerkrankung kann der Arbeitgeber – sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet – ebenfalls nicht ohne weiteres kündigen. Die obigen Grundsätze sind zu beachten. In der Regel müssen erhebliche Fehlzeiten vorliegen und es muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen.

Fall des BAG – alkoholbedingte Kündigung

Ein Arbeitnehmer, welcher überwiegend mit der Entsorgung von Metallteilen beschäftigt war, wurde vom Arbeitgeber betrunken am Arbeitsplatz angetroffen. Im Betrieb bestand ein Alkoholverbot. Weiter musste jeder Arbeitnehmer im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis für Pkw sein, da auch jederzeit Fahrten im öffentlichen Verkehrsraum anfallen konnten. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem betrunkenen Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Gründen. Daraufhin erklärte der Arbeitnehmer, dass er alkoholkrank sein, woraufhin der Arbeitgeber seine Kündigung „zurücknahm“.

abgebrochene Entziehungskur

Der Arbeitnehmer machte daraufhin eine Entziehungskur, brach diese aber vorzeitig ab.

Alkoholtest im Betrieb

Einige Zeit später führte der Arbeitnehmer im Betrieb mit Einverständnis des Arbeitnehmers einen Alkoholtest durch. Der Arbeitnehmer hatte 1,81 Promille Alkohol im Blut. Der Arbeitgeber mahnte den Arbeitnehmer daraufhin ab.

Arbeitsunfall im Betrieb und Führerschein aus Tschechien

Bei zwei später durchgeführten Alkoholtest war der Arbeitnehmer ebenfalls alkoholisiert, wenn auch nicht so stark. Einige Zeit später kam es zu einem Unfall, der Arbeitnehmer verweigerte aber den Alkoholtest. Auf Nachfrage des Arbeitgebers legte der Arbeitnehmer eine in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis vor, die in Deutschland keine Gültigkeit hatte.

Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis und begründete dies später damit, dass der Arbeitnehmer alkoholkrank sei und keinen ernsthaften Willen zur Durchführung einer Therapie habe. Eine Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb bestehe nicht mehr.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung .

Er gewann vor dem Arbeitsgericht. Das LAG München wies aber die Klage ab. Die Revision des Arbeitnehmers zum BAG blieb ohne Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht sah die personenbedingte Kündigung als rechtmäßig an, da zum Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitnehmer als personenbedingten Gründen (Alkoholerkrankung) seine Arbeitsleistung nicht erbringen konnte und zudem eine negative Gesundheitsprognose vorlag, denn der Arbeitnehmer war nicht bereit eine Therapie zu machen.

Das BAG (Urteil vom 20.3.2014, 2 AZR 565/12) führte dazu aus:

I. Die ordentliche Kündigung vom 4. April 2011 ist aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.
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1. Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel – etwa eine Versetzung – nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (BAG 20. Dezember 2012 – 2 AZR 32/11 – Rn. 22; zu den Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung vgl. BAG 30. September 2010 – 2 AZR 88/09 – Rn. 11, BAGE 135, 361). Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird (BAG 9. April 1987 – 2 AZR 210/86 – zu B III 3 der Gründe). Ebenso kann eine negative Prognose dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist (BAG 16. September 1999 – 2 AZR 123/99 – zu II 2 b bb der Gründe).

………….

3. Die Alkoholerkrankung und die damit verbundene mangelnde Einsatzfähigkeit des Klägers führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.
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a) Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistungen in einem Umfeld, das von An- und Abtransporten sowie Umladungen von Metallabfällen mittels schwerer Gerätschaften wie Bagger, Gabelstapler, Lader, betriebseigener und betriebsfremder LKW geprägt ist. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ist deshalb – unstreitig – sowohl mit einer nicht unerheblichen Gefahr für sich selbst als auch für Dritte verbunden.
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b) Aufgrund dieser Gefahren war es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen. Nach § 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1 idF vom 1. Januar 2004) dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Gemäß § 15 Abs. 2 der Vorschrift dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Eine solche Eigen- oder Fremdgefährdung ist nach der BG-Regel A1 zu § 15 Abs. 2 (vom Oktober 2005 idF vom Januar 2009) insbesondere beim Führen von Fahrzeugen oder selbstfahrenden Arbeitsmaschinen sowie beim Arbeiten in deren unmittelbarer Nähe gegeben. Eine Missachtung dieser Vorgaben kann zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Für den Straßenverkehr sieht der Gesetzgeber ab einem Wert von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft und 0,5 Promille Alkohol im Blut eine erhebliche Gefährdung für den Straßenverkehr (§ 24a StVG). Relative Fahruntüchtigkeit kann schon ab ca. 0,3 Promille Alkohol im Blut anzunehmen sein (grundlegend BGH 28. April 1961 – 4 StR 55/61 – zu I 2 der Gründe; zuletzt bspw. OLG Hamm 25. August 2010 – I-20 U 74/10, 20 U 74/10 – Rn. 22). Das im Betrieb der Beklagten angeordnete absolute Alkoholverbot trägt diesen Gefahren Rechnung. Es dient – wie die Anordnung der Geltung der StVO auf dem Betriebsgelände – ersichtlich dazu, entsprechende Risiken vorbeugend auszuschließen und damit letztlich Schaden von der Beklagten selbst, ihren Mitarbeitern sowie betriebsfremden Personen und deren Eigentum abzuwenden. Angesichts der Alkoholerkrankung des Klägers und seiner nachweislich – auch krankheitsbedingt – mangelnden Fähigkeit, abstinent zu bleiben, konnte und durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, er werde seine Arbeit als Hofarbeiter nüchtern, zumindest aber in einem körperlichen Zustand verrichten, der den Präventionsvorgaben gerecht wird.
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c) Bereits dies führt – vorbehaltlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit – zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG (vgl. BAG 13. Dezember 1990 – 2 AZR 336/90 – zu II 3 der Gründe), ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Alkoholgenuss des Klägers zu Unfällen beigetragen hat, in die er während seiner Tätigkeit für die Beklagte verwickelt war. Ebenso wenig ist von Belang, ob und ggf. wie oft dieser in der Vergangenheit objektiv durch seine Alkoholisierung am Arbeitsplatz gesetzliche Vorgaben verletzt hat oder ggf. unerkannt arbeitsunfähig war. Entscheidend ist, dass die Beklagte aufgrund der im Kündigungszeitpunkt fortbestehenden Alkoholerkrankung jederzeit mit einer Beeinträchtigung der Fahr- und Arbeitssicherheit durch den Kläger rechnen musste. Sein weiterer Einsatz als Hofarbeiter war ihr damit nicht zumutbar.
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d) Dass sie ihn nach Abbruch der Entziehungskur gleichwohl mit entsprechenden Aufgaben betraut hat, stellt diese Bewertung nicht in Frage. Dies geschah über längere Zeit hinweg unter der Prämisse einer Einwilligung in die Durchführung regelmäßiger Alkoholtests. Jedenfalls nachdem der Kläger ihre Anfrage vom März 2011 hinsichtlich einer weiteren Alkoholtherapie unbeantwortet gelassen hatte, konnte der Beklagten nicht mehr angesonnen werden, den Kläger weiterhin mit seinen bisherigen Aufgaben zu betrauen und ihn dabei täglich – ggf. sogar wiederholt – auf seine Alkoholabstinenz hin zu kontrollieren (vgl. BAG 20. Dezember 2012 – 2 AZR 32/11 – Rn. 34). Zudem war der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ab Ende 2010 nicht mehr bereit, an regelmäßigen Tests vorbehaltslos mitzuwirken. Auch daran ist der Senat mangels zulässigen Angriffs der Revision gebunden.

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4. Die Abwägung der Belange beider Parteien ergibt, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Das Landesarbeitsgericht hat alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.
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a) Der Beklagten war es auf Dauer nicht mehr zumutbar, die mit einer möglichen Alkoholisierung des Klägers verbundenen Gefährdungen hinzunehmen. Geeignete Mittel, ihnen angemessen zu begegnen, standen nicht zur Verfügung. Unabhängig von der fehlenden Einwilligung des Klägers in regelmäßige Alkoholtests versprachen derartige Kontrollen nicht die erforderliche Sicherheit. Der Kläger war Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

Das Urteil ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Im Normalfall reicht es eben nicht bei der personenbedingten Kündigung aus, wenn der Arbeitnehmer “arbeitsunfähig” ist aber keine Fehlzeiten vorliegen. Die Besonderheit bestand hier darin, dass der Arbeitnehmer nicht bereit war eine Entziehungskur zu machen, womit die negative Gesundheitsprognose (auch ohne Fehlzeiten) begründet wurde. Dem BAG reichte dies aus, was auch überzeugend ist. Denn ein Alkoholiker wird allenfalls mittels Entziehungskur wieder arbeitsfähig. Ohne Bereitschaft zur Kur ist eine Heilung / Arbeitsfähigkeit sehr unwahrscheinlich.