BAG “Laizismus” bei der LINKEN gegründet

Erstellt am 19. Juni 2012 von Nicsbloghaus @_nbh

LAG Thüringen, Fotos: Manfred Jacob

ERFURT. (hpd) Das Wichtigste zuerst. Am Rande der ers­ten öffent­li­chen Veranstaltung der LINKEN Thüringer Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) “Laizismus” am 16. Juni in Erfurt ver­kün­dete Landessprecher Siegfried R. Krebs das Ergebnis einer Überein­kunft der der­zeit drei beste­hen­den LAG Bayern, Thüringen und Nordrhein-Westfalen: Es wird mit Wirkung die­ses Tages eine Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) gegrün­det. 

Der baye­ri­sche Landessprecher Rainer M. Lindner wird dies im Namen der vor­läu­fi­gen Leitung noch Mitte Juni dem Bundesvorstand der Partei DIE LINKE offi­zi­ell, wie von der Satzung gefor­dert, anzei­gen.

Doch zurück zu Thüringen. Das etwas sper­rige Thema die­ser ers­ten öffent­li­chen LAG-Veranstaltung lau­tete “Was ver­ste­hen wir unter Laizismus und wel­che Anforderungen erge­ben sich dar­aus für die Politik in Thüringen?” Hierzu gab Siegfried R. Krebs neben einer Begriffsdefinition einen Über­blick über pro­gram­ma­ti­sche Forderungen der deut­schen Arbeiterbewegung seit 1848 als einer Säule für die Arbeit der orga­ni­sier­ten Laizisten. Er benannte auch die zweite, sei­ner Meinung nach sogar noch wich­ti­gere, Säule – die Verfassungslage. Und hier kon­kret die Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Artikel 136, 137,138, 139 und 141) die über den Artikel 140 des Grundgesetzes in die­ses als fort­gel­ten­des Verfassungsrecht inkor­po­riert wor­den sind. Doch den Verfassungsgeboten, so die Ablösung der soge­nann­ten Staatsleistungen, ist die Politik, ist der Gesetzgeber, bis heute nicht nach­ge­kom­men. Im Gegenteil, die Verflechtung von Staat und christ­li­chen Großkirchen ist bis heute sogar noch enger gewor­den.

Krebs sprach kon­kret das Konkordat von 1933, dem ers­ten völ­ker­recht­li­chen Vertrag zwi­schen Hitlerregierung und dem dem Vatikan-Staat von Mussolinis Gnaden an sowie das Einkommensteuergesetz von 1934. Durch letz­te­res wurde, ver­fas­sungs­wid­rig, der Einzug der soge­nann­ten “Kirchensteuer”, also der Mitgliedsbeiträge die­ser Kirchen durch die  Arbeitgeber und deren Weiterleitung über die staat­li­chen Finanzämter an die nutz­nie­ßen­den Kirchen gere­gelt. Konkordat und Einkommensteuergesetz sind bis heute in Deutschland gel­ten­des Recht. Abschließend ging der Redner auf die Ursprünge des Bündnisses von Thron und Altar im christ­li­chen Europa ein und wie sich die­ses im Laufe der Zeit ent­wi­ckelte. (Der aus­führ­li­che Redetext ist wie andere Beiträge die­ser Veranstaltung auf der Webseite der LAG nach­zu­le­sen.

Den Sichten des reli­gi­ons­freien Hauptredners folg­ten Thesen des evan­ge­li­schen Theologen Peter Franz (Weimar) zur Notwendigkeit einer lai­zis­ti­schen Verfassung. So u.a. “4. Mit der Erhebung der christ­li­chen Religion zur staat­li­chen Ideologie im 4. Jahrhundert per­ver­tierte diese Religion zum Instrument der jewei­li­gen Machtansprüche der Regierenden. Die Folge waren Jahrhunderte ent­setz­li­cher Kriege und Grausamkeiten gegen­über ande­ren Menschen und Völkern.” sowie “9. Nicht nur human und fort­schritt­lich den­kende, son­dern auch zusätz­lich christ­lich moti­vierte
Menschen soll­ten daher auf die Einlösung der Versprechen der ers­ten deut­schen Republik drän­gen. Der lai­zis­ti­sche Staat wird auch eine Befreiung der reli­giös ori­en­tier­ten Bevölkerung von glau­bens­fer­nen Bindungen mit sich brin­gen.”

Abschließend benannte die prak­ti­zie­rende Katholikin Ilka Lohmann (Apolda) drei Gründe, warum sie lai­zis­ti­sches Denken und Tun befür­wor­tet und berief sich dabei auf die Bibel („Gib Gott, was Gottes ist und dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ [Luk 20,25]:

“Erstens: In jedem Staat muss Kirche Opposition sein. Sie darf nicht nur auf der Seite der Mächtigen ste­hen, son­dern auch auf der Seite derer, die keine Macht haben, auf der Seite der Friedfertigen, der Armen im Geiste, derer, die Hunger lei­den, die um der Gerechtigkeit wil­len ver­folgt wer­den, auf der Seite der Underdogs, der Missfits und der Ausgestoßenen. Kirche muss auch bei ihnen sein – am Rande.

Zweitens: Kirche muss unab­hän­gig sein. (…) Nur so kann Kirche das erfül­len, was die Menschen von ihr erwar­ten. Sie muss eine Stimme sein gegen die Mächtigen, eine Bastion gegen den Zeitgeist.

Drittens: Kirche muss sich ein­mi­schen. Immer wie­der. Kirche muss unbe­quem sein, unan­ge­nehme Wahrheiten aus­spre­chen, den Finger in die Wunden legen, die Heuchler ent­lar­ven, die Wechsler aus den Tempeln ver­trei­ben. Das kann sie nur, wenn sie unab­hän­gig ist vom Staat und sei­nen Pfründen.”

Im Anschluß an die Ausführungen und eine leb­hafte Debatte stellte Siegfried R. Krebs noch den Entwurf eines Fragen-Katalogs zur Verflechtung von Staat und den bei­den soge­nann­ten Amtskirchen in Thüringen vor. Dieses soll zunächst inner­halb der LAG dis­ku­tiert wer­den und dann sowohl dem Landesvorstand der Partei als auch der Linksfraktion im Landtag über­ge­ben wer­den.

Die Anwesenden brach­ten abschlie­ßend ihre Freude zum Ausdruck dar­über, daß neben den LAG-Aktiven auch par­tei­lose Sympathisanten und Mitglieder des Deutschen Freidenker-Verbandes der Einladung gefolgt waren. Vermißt wur­den jedoch die eben­falls ein­ge­la­de­nen Mitglieder der Giordano-Bruno-Stiftung und des Humanistischen Verbandes in Thüringen. Auf Unverständnis aber stieß all­ge­mein, daß kein Mitglied bzw. Mitarbeiter der LINKEN Landtagsfraktion auf die Einladung der LAG rea­giert hatte.

[Erstveröffentlichung: Humanistischer Pressedienst]