BAG: Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses nach Wiederverheiratung

Die beklagte Arbeitgeberin- ein katholisches Krankenhaus – beschäftigte den katholischen Kläger als Chefarzt. Den Arbeitsvertrag schlossen die Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23. September 1993 (GrO 1993).

keine Wiederverheiratung zulässig

Nach Art. 5 Abs. 2 der Grundverordnung handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung des Dienstverhältnisses rechtfertigen konnte.

Kündigungsschutzklage

Der klagende Arbeitnehmer war nach katholischem Ritus verheiratet; ließ sich aber später scheiden. Im Jahr 2008 heiratete er ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem das Krankenkaus hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte diese das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 30. September 2009.

Dagegen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage des Arbeitnehmers stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Februar 2019 – 2 AZR 746/14) gab dem Arbeitnehmer recht, so dass seine Kündigungsschutzklage letztendlich Erfolg hatte.

Das BAG führte dazu in seiner Pressemitteilung Nr. 10/19 vom 20.2.2019 aus:

Ein der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus darf seine Beschäftigten in leitender Stellung bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des katholischen Selbstverständnisses zu verhalten, nur dann nach ihrer Religionszugehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Mit seiner Wiederverheiratung verletzte dieser weder eine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht noch eine berechtigte Loyalitätserwartung der Beklagten. Die Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien, mit der die GrO 1993 in Bezug genommen wurde, ist gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyalitätsverstoß bestimmt ist. Diese Regelung benachteiligte den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.

Nationales Verfassungsrecht (vgl. dazu BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 -) steht dem nicht entgegen. Das Unionsrecht darf die Voraussetzungen, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten. Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG seine Kompetenz nicht überschritten. Es handelt sich nicht um einen „Ultra-Vires-Akt“ oder einen solchen, durch den die Verfassungsidentität des Grundgesetzes berührt wird.


Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Andreas Martin

Berlin Marzahn-Hellersdorf


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