Der Arbeitgeber – ein im Anlagenbau tätiger Kleinbetrieb – kündigte mit Schreiben vom 1.2.2013 einem seit 2009 beschäftigten Arbeitnehmer wegen angeblicher Pflichtverletzungen „außerordentlich fristlos aus wichtigen Gründen“ das Arbeitsverhältnis.
Weiter stand im Kündigungsschreiben:
„Für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist, kündige ich hilfsweise vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Termin auf.“
Im Arbeitsvertrag stand zu den Kündigungsfristen:
“Nach Ablauf der Probezeit und Übernahme in ein festes Beschäftigungsverhältnis beträgt die Kündigungsfrist 4 Wochen/Monate zum Monatsende. Verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber aus tariflichen oder gesetzlichen Gründen, gilt diese Verlängerung auch für den Arbeitnehmer.”
Der Arbeitnehmer erhob sodann Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und wehrte sich sowohl gegen die außerordentliche als auch gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Das Arbeitsgericht entschied, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei, da es an einem außerordentlichen Grund fehle, aber die ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2013 beendet habe.
Hiergegen wendete sich der Arbeitnehmer nun im Berufungsverfahren und führte dazu aus, dass die hilfsweise ordentliche Kündigung nicht bestimmt genug sei, denn das Kündigungsschreiben lasse nicht erkennen, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis hilfsweise durch die ordentliche Kündigung enden soll. Es sei nicht zu erkennen, welche Kündigungsfristen hier zu beachten sind; über die Anwendung von Tarifnormen steht im Arbeitsvertrag nichts.
Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und urteilte, dass auch die ordentliche Kündigung unwirksam sei und zwar wegen fehlender Bestimmtheit.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.1.2016, 6 AZR 782/14) hielt die Revision des Arbeitgeber für zulässig und begründet. Die ordentliche Kündigung sei bestimmt genug.
Das BAG führte dazu aus:
Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist wirksam, obwohl dem Kündigungsschreiben nicht zu entnehmen ist, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls ordentlich beendet werden soll. Der von der Beklagten angestrebte Beendigungszeitpunkt ergibt sich entsprechend der Auffassung der Revision aus der vorrangig erklärten außerordentlichen Kündigung.
……
Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung aber so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Deshalb muss sich aus der Kündigungserklärung oder den Umständen ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist (vgl. BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 46, BAGE 145, 184; 15. Dezember 2005 – 2 AZR 148/05 – Rn. 24, BAGE 116, 336). Im Fall einer ordentlichen Kündigung genügt regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 647/13 – Rn. 18; 20. Juni 2013 – 6 AZR 805/11 – Rn. 15, BAGE 145, 249; zur Auslegbarkeit einer ordentlichen Kündigung mit fehlerhafter Kündigungsfrist vgl. BAG 15. Mai 2013 – 5 AZR 130/12 – Rn. 16 f.).
Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist (BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 805/11 – Rn. 15, BAGE 145, 249). Eine solche Kündigung ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt. Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin ist damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert (BAG 10. April 2014 – 2 AZR 647/13 – Rn. 17; 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 49, BAGE 145, 184). Die Ermittlung der maßgeblichen Kündigungsfrist kann sich aus Angaben im Kündigungsschreiben (vgl. BAG 20. Juni 2013 – 6 AZR 805/11 – Rn. 18, aaO) oder aus einer vertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelung ergeben (vgl. BAG 10. April 2014 – 2 AZR 647/13 – Rn. 21 f.).
……….
Wird eine ordentliche Kündigung nicht isoliert erklärt, sondern nur hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, ist der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach Vorstellung des Kündigenden enden soll. Die Beendigung soll offensichtlich bereits mit Zugang der fristlosen Kündigung erfolgen. Der Kündigungsempfänger muss und kann sich in seinem praktischen Handeln auf diesen Beendigungszeitpunkt einstellen. Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob es ihm ohne Schwierigkeiten möglich ist, die Kündigungsfrist der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung zu ermitteln (vgl. BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 50, BAGE 145, 184; Schiefer/Borchard Anm. AP KSchG 1969 § 23 Nr. 50). Das Abstellen auf die Erklärung der fristlosen Kündigung vermeidet zudem einen Wertungswiderspruch zur Möglichkeit der Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin (vgl. hierzu BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – Rn. 21, BAGE 143, 244; KR/Friedrich/Rinck 11. Aufl. § 13 KSchG Rn. 70 mwN). Bei einer Umdeutung wäre die ordentliche Kündigung nicht mangels Angabe der Kündigungsfrist bzw. des Kündigungstermins unwirksam (zum Fall einer Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfrist vgl. BAG 12. Mai 2010 – 2 AZR 845/08 – Rn. 15, 39 f.).
Anmerkung:
Wichtig ist hier, dass das BAG zwischen einer normalen ordentlichen Kündigung ohne Angabe der Frist oder den Beendigungszeitpunkt und einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung bei gleichzeitiger außerordentlicher Kündigung unterscheidet. Wäre hier die außerordentliche Kündigung nicht erfolgt, hätte das BAG wohl die ordentliche Kündigung mangels Bestimmtheit für unwirksam gehalten. Dogmatisch ist dies nicht sauber. Jede Kündigungserklärung ist für sich zu betrachten. Entweder die Kündigung ist bestimmt oder nicht. Nach dem BAG wäre die obige hilfsweise ordentliche Kündigung mit einer außerordentlichen Kündigung bestimmt genung, ohne eine solche “primäre” außerordentliche Kündigung wäre dieselbe ordentliche Kündigung aber nicht bestimmt genug. Dies ist nicht nachvollziehbar.