BAG: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann in Höhe des Mindestlohns nicht verfallen!

Nach § 14 des BRTV-Bau verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Diese tarifvertragliche Ausschlussregelung ist nicht selten für Arbeitnehmer problematisch, die zu lange darauf warten, ihre Ansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. Andererseits gibt es ein Mindestlohngesetz, wonach Ansprüche auf dem Mindestlohn nicht verfallen können ( §  3 Abs. 1 MiLoG). Das BAG hatte nun zu entscheiden, ob ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der nicht rechtzeitig geltend gemacht wurde, nach § 14 des BRTV-Bau komplett verfallen kann oder ob nicht zumindest der Anteil des Lohnes in Höhe des Mindestlohns nicht verfällt.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war seit dem Jahre 2012 bei dem beklagten Bauunternehmen (Arbeitgeber) als Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von zuletzt € 13,00 brutto beschäftigt.

Mit Schreiben vom 17. September 2015 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Oktober 2015.

Nach Erhalt der Kündigung meldete sich der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank und legte der Beklagten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor.

Für den Monat Oktober zahlte der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Mit einem dem Arbeitgeber am 18. Januar 2016 zugestellten Schriftsatz hat der Arbeitnehmer von dieser Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Monat Oktober 2015 verlangt.

Der Arbeitgeber meint, dass der Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall für Oktober 2015 verfallen ist, da nach § 14 Abs. 1 BRTV-Bau verfallen sind. Danach verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Der Arbeitnehmer meint, diese Klausel sei generell unwirksam und verstoße gegen die Regelung über den gesetzlichen Mindestlohn (Unverfallbarkeit nach § 3 MiLoG).

Das Arbeitsgericht hat die Klage bezüglich des den gesetzlichen Mindestlohn von damals 8,50 Euro je Stunde übersteigenden Anteils der Forderung abgewiesen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Anspruch insoweit nach § 14 BRTV verfallen. Im Umfang des gesetzlichen Mindestlohns hat das Arbeitsgericht aber der Klage entsprochen.

Das Hessisches Landesarbeitsgericht (Urteil vom 4. Mai 2017 – 19 Sa 1172/16) hat die Berufung der Beklagten (Arbeitgeber) zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17) führt dazu in der Pressemitteilung Nr. 33/18 vom 20.6.2018 aus:

Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers für die Zeit seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit folgt aus § 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG. Danach hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit, die infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausfällt, das Entgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall bei Erbringung der Arbeitsleistung erhalten hätte. Damit hat der Arbeitnehmer auch während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns. Der Anspruch folgt jedoch nicht unmittelbar aus § 1 MiLoG, weil nach dieser Bestimmung der Mindestlohn nur für tatsächlich geleistete Arbeit zu entrichten ist. Da der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähigkeit jedoch so zu stellen ist, als hätte er gearbeitet, bleibt ihm auch der Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten. Zugleich gebietet es der Schutzzweck des § 3 Satz 1 MiLoG, nach Maßgabe dieser Norm den Entgeltfortzahlungsanspruch in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entsprechend zu sichern. Das hat zur Folge, dass Vereinbarungen, welche die Geltendmachung des fortzuzahlenden Mindestlohns iSd. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, insoweit unwirksam sind. Zu solchen Vereinbarungen gehören nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen. Anders als bei Ausschlussfristen, die arbeitsvertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart sind, unterliegen Tarifregelungen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB indes keiner Transparenzkontrolle.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Berlin Marzahn Hellersdorf


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