BAG: „Bonusanspruch nach billigem Ermessen des Arbeitgebers“

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – Pressemitteilung 41/16 des BAG) hat entschieden, dass wenn ein Arbeitgeber im Arbeitsvertrag bestimmt, dass sich der Leistungsanspruch des Arbeitnehmers „nach billigem Ermessen des Arbeitgebers bestimmt“, die Arbeitsgericht diesen unbestimmten Rechtsbegriff
gerichtlich voll überprüfen dürfen.

Entspricht die Entscheidung des Arbeitgebers nicht dem billigem Ermessen, so ist diese gemäß § 315 Abs. 3 BGB unverbindlich und die Höhe des Bonus durch das Gericht auf Grundlage des Vortrags der Parteien festzusetzen.

§ 315 BGB (Bestimmung der Leistung durch eine Partei) lautet:

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer/ Kläger war beim Arbeitgeber (einer Großbank) vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2012 beschäftigt. Vereinbart war, dass der Kläger am jeweils gültigen Bonussystem teilnimmt. So erhielt er dementsprechend für das Geschäftsjahr 2009 einen Bonus von 200.000,00 Euro, für das Geschäftsjahr 2010 einen Bonus von 9.920,00 Euro und für das Geschäftsjahr 2011 wurde dem Kläger vom Arbeitgeber kein Bonus/ Sonderleistung gezahlt. Interessant war für den Arbeitgeber dabei, dass andere Mitarbeiter Leistungen / Bonuszahlungen erhielten, die der Höhe nach überwiegend einem Viertel bis zur Hälfte der jeweiligen Vorjahresleistung entsprachen.

Der Bankmitarbeiter/ Arbeitnehmer klagte sodann auf die Bonuszahlung für das Geschäftsjahr 2011. Die Höhe der Zahlung stellte er in das Ermessen des Gerichts, wenigstens sollten aber EUR 52.480,00 gezahlt werden.

 Entscheidung des Arbeitsgerichts

In der ersten Instanz wurde dem Arbeitnehmer eine Zahlung von iHv. 78.720,00 Euro zugesprochen.

Aufhebung durch das Landesarbeitsgericht

Das Landesarbeitsgericht Hessen (Urteil vom 10. April 2014 – 19 Sa 1266/13) wies die Klage in der Berufungsinstanz ab mit der Begründung, dass der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen habe, die eine gerichtliche Festsetzung der Bonushöhe ermöglichten.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht zu Gunsten des Arbeitnehmers

Gegen das Urteil des LAG Hessen legte der Arbeitnehmer sodann Revision zum BAG ein und hatte dort Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht führte in seiner Entscheidung (Pressemitteilung Nr. 41/16) aus:

Der Kläger hat nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Anspruch auf einen Bonus und/oder Deferral Award, der nach billigem Ermessen festzusetzen war. Mangels hinreichender Darlegungen der Beklagten zur Berechtigung der Festsetzung auf Null für das Jahr 2011 ist diese Festsetzung unverbindlich. Die Leistungsbestimmung hat in einem solchen Fall gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu erfolgen. Grundlage ist dafür der Sachvortrag der Parteien; eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn gibt es nicht. Äußert sich der bestimmungsberechtigte Arbeitgeber zu bestimmten Faktoren nicht, geht dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Von diesem kann kein Vortrag zu Umständen verlangt werden, wie zB der Höhe eines Bonustopfes, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegen. Auf die Erhebung einer Auskunftsklage kann er regelmäßig nicht verwiesen werden. Vielmehr ist die Leistung durch das Gericht aufgrund der aktenkundig gewordenen Umstände (zB Höhe der Leistung in den Vorjahren, wirtschaftliche Kennzahlen, Ergebnis einer Leistungsbeurteilung) festzusetzen. Eine gerichtlicheLeistungsfestsetzung scheidet nur dann ausnahmsweise aus, wenn jegliche Anhaltspunkte hierfür fehlen. Dies war hier entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall. Da die gerichtliche Bestimmung der Leistung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig Sache der Tatsacheninstanzen ist, hat der Senat den Rechtsstreit zur Festsetzung der Bonushöhe für das Geschäftsjahr 2011 an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Das LAG Hessen wird nun die Bonushöhe bestimmen.

Rechtsanwalt Andreas Martin



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