BAG: Arbeitszeugnis kann man aus Prozessvergleich nur mit bestimmten Inhalt vollstrecken!

Erstellt am 19. März 2017 von Raberlin

Oft findet man in arbeitsgerichtlichen Vergleichen – meist im Kündigungsschutzverfahren – als eine von mehreren Vereinbarungen u.a. folgende Formulierung:

„ Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer sehr guten Führungs-und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns -, Dankes- und gute Wünscheformulierung im Schlusssatz.“
 Das Problem besteht dann, wenn der Arbeitgeber kein Arbeitszeugnis erteilt oder ein Zeugnis erteilt, dass aber – nach Ansicht des Arbeitnehmers – nicht der obigen Vereinbarung entspricht.

Zwangsvollstreckung aus Prozessvergleichen auf Erteilung eines Zeugnisses

In diesem Fall wird der Arbeitnehmer versuchen aus der obigen Vereinbarung die Zwangsvollstreckung gegen den Arbeitgeber vorzunehmen. Dies wird aber keinen Erfolg haben, wie das Bundesarbeitsgericht nun (erneut) entschieden hat.

Entscheidung des Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 14. Februar 2017 -9 AZB 49/16) hatte obigen Fall zu entscheiden. Nach dem obigen Text zur Erstellung des Arbeitszeugnisses, welcher sich in einem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Prozessvergleich befand, erstellte der Arbeitgeber ein Zeugnis, welches aber nicht den Wünschen des Arbeitnehmers entsprach. Der Arbeitnehmer meinte, dass das Zeugnis inhatlich und strukturell nicht der Prozessvereinbarung entspracht und wollte aus dem Prozessvergleich gegen den Arbeitgeber auf Erstellung eines Zeugnisses, welches den Vorgaben des Prozessvergleiches entspricht, vollstrecken.

Vergleichstext nicht bestimmt genug für die Vollstreckung

Das BAG führte aus, dass der Vergleichstext nicht vollstreckbar ist, da er nicht bestimmt genug war:
In Anwendung dieser Grundsätze geht die herrschende Meinung sowohl in der Rechtsprechung (vgl. LAG Nürnberg 3. Mai 2016 – 2 Ta 50/16 – zu II 2 a der Gründe; Hessisches LAG 19. Februar 2004 – 16 Ta 515/03 – zu II der Gründe) als auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum (vgl. HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 109 GewO Rn. 54; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 109 GewO Rn. 76a; sh. ferner Weuster/Scheer Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 13. Aufl. S. 190; in diese Richtung auch Schaub/Linck 16. Aufl. ArbR-HdB § 147 Rn. 34) zu Recht davon aus, dass ein Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, nicht den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt. Es bleibt Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen abzufassen, wobei die Formulierung in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht (vgl. BAG 15. November 2011 – 9 AZR 386/10 – Rn. 11, BAGE 140, 15). Anders als bei der Verpflichtung, ein Zeugnis gemäß einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen vgl. hierzu BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 15 ff.; LAG Hamm 14. November 2016 – 12 Ta 475/16 – zu II 2 b bb der Gründe), lässt die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Arbeitgeber einen derart weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte, des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung, dass von einem konkreten Leistungsbefehl, der die Grundlage einer mit staatlichen Zwangsmitteln zu vollziehenden Vollstreckung bildet, nicht die Rede sein kann. Wollte man anders entscheiden, hätte es der Arbeitnehmer in der Hand, durch die ungenaue Formulierung seines Leistungsbegehrens den Streit in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, in dem sich der Arbeitgeber unter der Androhung von Zwangsmaßnahmen seitens des Vollstreckungsgerichts unklaren Handlungspflichten ausgesetzt sähe.
Anmerkung: Nach diesen Grundsätzen sind ein Großteil der Vergleiche über die Erteilung eines Arbeitsezugnises, die vor dem Arbeitsgericht geschlossen werden, nicht vollstreckungsfähig. Beim Arbeitsgericht Berlin verwenden die Richter feste Textbausteine, die ähnlich lauten, wie die obige Formulierung. Von daher sollte man lieber im Vergleich aufnehmen, dass der Arbeitgeber das Zeugnis nach einem Entwurf des Arbeitnehmers erstellen soll und nur bei wichtigen Gründen vom Entwurf abweichen darf. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass derartige Zeugniserteilungsstreitigkeiten  selten vorkommen. Rechtsanwalt Andreas Martin