BAG: Arbeitnehmer aus Autohaus muss keine € 29.000 Schadenersatz an Arbeitgeber wegen unberechtigter Herausgabe eines Kfz zahlen!

Der Arbeitnehmer war im Autohaus der Arbeitgeberin/Klägerin als Verkäufer beschäftigt.

Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag

Im Arbeitsvertrag befand sich eine sog. Ausschlussfrist (was in vielen Arbeitsverträgen der Fall ist). Zu beachten ist, dass nicht selten derartige Fristen unwirksam sind.

Dort war jedenfalls geregelt, dass mit Ausnahme von Provisionsansprüchen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit verfallen, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind.

Anweisung: keine Herausgabe von Fahrzeugen an Kunden, wenn nicht vollständig bezahlt

Als Verkäufer hatte der Arbeitnehmer/ Beklagte die ausdrückliche Anweisung, dass ein Neufahrzeug, das entweder nicht vollständig bezahlt war oder für das keine gesicherte Finanzierung vorlag, nicht an einen Käufer herauszugeben ist, es sei denn, dass eine Einwilligung der Geschäftsleitung vorlag.

Herausgabe eines nicht vollständig bezahlten Fahrzeugs an Kunden

Im September 2014 erschien ein Kunde, der sein Kfz abholen wollte. Der Kunde leistete eine Anzahlung auf das Kfz (zahlte dieses aber nicht vollständig) und wollte dieses unbedingt mitnehmen und sicherte dem Arbeitnehmer zu, dass er das Kfz sofort nach dem Wochenende wieder in das Autohaus bringen würde. Der Arbeitnehmer überlies daraufhin das Kfz dem Kunden, der dann mit dem Auto untertauchte. Das Kfz wurde in Italien beschlagnahmt, aber dann später wieder an den Kunden herausgeben. Die Arbeitgeberin/ Klägerin versuchte dann vom Kunden – vergeblich – den Restkaufpreis zu erhalten.

Kunde bezahlt das Kfz nicht

Ferner beauftragte die Arbeitgeberin eine Detektei mit dem Ziel der Wiederbeschaffung des Fahrzeugs. Diese teilte aber der Klägerin im April/Mai 2015 mit, dass der Kunde unter den von der Klägerin angegebenen Anschriften nicht auffindbar sei.

Am 20. August 2015 reichte die Klägerin beim Landgericht Freiburg eine Klage auf Zahlung des Restkaufpreises gegen den Kunden ein, deren Zustellung an den Kunden scheiterte.

Arbeitgeberin will nun Schadenersatz vom Arbeitnehmer

Daraufhin wandte sich die Arbeitgeberin an ihren Arbeitnehmer (den Beklagten) und zwar mit Schreiben vom 20. November 2015. Sie forderte diesen erfolglos auf, seine Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben.

Klage auf Schadenersatz gegen den Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht

Im Dezember erhob die Arbeitgeberin/ Klägerin gegen den Arbeitnehmer/ Beklagten Klage, mit der sie diesen auf Zahlung von Schadensersatz iHv. 29.191,61 Euro in Anspruch nahm.

In diesem Betrag waren auch die Anwalts- und Gerichtskosten für das Verfahren vor dem Landgericht Freiburg enthalten.

Die Klägerin verlor vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg –
(Urteil vom 16. Dezember 2016 – 9 Sa 51/16).

Bundesarbeitsgericht – Revision hat keinen Erfolg

Die Revision vor dem 8. Senat des BAG hatte keinen Erfolg.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 7. Juni 2018 – 8 AZR 96/17) führe dazu in seiner Pressemitteilung vom 7.6.2018 (Nr. 30/18) aus:

Der Senat hat es offengelassen, ob der Beklagte durch die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden seine Vertragspflichten verletzt hat; etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin sind – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – aufgrund der vertraglichen Ausschlussklausel verfallen. Die Ausschlussfrist begann spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, als sich die Klägerin entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben, mithin jedenfalls vor dem 20. August 2015, so dass das Schreiben der Klägerin vom 20. November 2015, sofern dieses überhaupt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfüllt, die Ausschlussfrist nicht gewahrt hat. Etwas anderes folgt im Hinblick auf den Fristbeginn weder aus § 254 Abs. 2 BGB noch aus § 241 Abs. 2 BGB. Danach war aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls keine vorrangige gerichtliche Inanspruchnahme des Kunden durch die Klägerin geboten, da es dieser nicht ohne weiteres möglich war, den Kunden mit rechtlichem und vor allem wirtschaftlichem Erfolg in Anspruch zu nehmen. Als die Klägerin sich entschloss, Klage gegen den Kunden zu erheben, war erkennbar, dass eine solche Klage keine realistische Aussicht bot, von dem Kunden überhaupt irgendeine Leistung zu erlangen.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Berlin Marzahn-Hellersdorf


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