BAG ändert seine Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung – Aufgabe der Surrogatstheorie

Erstellt am 21. Juni 2012 von Raberlin

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung geändert und die neue Rechtsprechung an die Entscheidungen des EuGH zur Urlaubsabgeltung (vor allem bei lang anhaltender Krankheit) angepasst.

bisherige Rechtslage - Urlaub – Beschränkung auf das Kalenderjahr

Grundsätzlich ist der Erholungsurlaub an das laufende Kalenderjahr gebunden.  Dies ergibt sich aus den §§ 1, 7 III Bundesurlaubsgesetz:

Dort steht:

§ 1 BUrlG

Jeder Arbeitnehmer hat injedemKalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.

und

§ 7 BUrlG

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

Von daher beginnt und endet der Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr. Diese zeitliche Befristung des Urlaubsanspruches auf das Kalenderjahr hat das Bundesarbeitsgericht mehrfach bestätigt ( BAG, Urteil v. 13.5.1982, 6 AZR 360/80 ). Dies gilt auch weiterhin noch für den reinen Urlaubsanspruch.

Urlaubsabgeltung – bisher ebenso verfall zum Jahresende

Das BAG hat dies aber bisher auch immer für den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs angewandt. Begründet hat das Bundesarbeitsgericht dies damit, dass der reine Urlaubsabgeltungsanspruch das Surrogat zum Urlaubsanspruch darstellt und von daher genau wie dieser entsteht und untergeht. Von daher verfiel auch der Urlaubsabgeltungsanspruch, wenn er nicht rechtzeitig im Kalenderjahr geltend gemacht wurde (und auch keine Übertragungsgründe vorlagen).

neue Rechtsprechung des BAG

Diese Rechtsprechung hat das BAG nun geändert und zwar zunächst für den Fall des arbeitsfähigen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde. Dieser kann ja seinen Urlaub nicht mehr – nach seinem Ausscheiden – nehmen. Bisher verfiel der dann bestehende Urlaubsabgeltungsanspruch ebenfalls zum Jahresende.

Die Surrogatstheorie wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 19. Juni 2012 – 9 AZR 652/10 – )  nun aufgegeben. Diese Anpassung der Rechtsprechung war zur Angleichung an die europarechtliche Rechtsprechung (EuGH) auch notwendig. Begründet wurde dies damit, dass nach der Rechtsprechung des EuGH beim dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer der Urlaubsabgeltungsanspruch – als Abgeltung für den gesetzlichen Mindesturlaubnicht zum Jahresende verfällt, da diese nicht richtlinienkonform (Urlaubsrichtlinie) wäre. Das BAG argumentiert nun so, dass es keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung zwischen dem dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer und dem Arbeitnehmer, der aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, gäbe.

Das BAG führt dazu in seiner Pressemitteilung aus:

Der Kläger war beim Beklagten seit dem 4. Januar 2008 als Operating-Manager beschäftigt. Im Kündigungsrechtsstreit der Parteien stellte das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 27. November 2008 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Juli 2008 endete. Dem Kläger standen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls 16 Tage Urlaub zu. Mit einem Schreiben vom 6. Januar 2009 verlangte er vom Beklagten ohne Erfolg, diesen Urlaub abzugelten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Abgeltungsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht am 31. Dezember 2008 untergegangen. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt als reiner Geldanspruchunabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes. Der Kläger musste deshalb die Abgeltung seines Urlaubs nicht im Urlaubsjahr 2008 verlangen. Sachliche Gründe dafür, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollen als für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, bestehen nicht. Der Senat hält daher auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, an der Surrogatstheorie nicht fest.

Die Entscheidung ist konsequent, denn ein Grund für die Unterscheidung zwischen erkrankten und ausgeschiedenen Arbeitnehmer (beide können den Urlaub nicht mehr nehmen), ist nicht ersichtlich. Das Bundesurlaubsgesetz steht dem auch nicht entgegen, denn es regelt nur den Untergang des Urlaubsanspruches zum Jahresende und nicht des Abgeltungsanspruches.

Anwalt A. Martin