Für Unternehmensberatungen gehört das Telefon zum Standard-Tool. Ob mit Kunden, Partnern oder Kollegen – Consultants telefonieren oft und lange. Wenig überraschend nutzen Beratungen das Telefon auch für den Einstellungsprozess von neuen Mitarbeiter. Was heißt das in der Praxis? Bevor Du zu einem Bewerbungsgespräch oder Assessment Center eingeladen wirst, gilt es zunächst ein oder mehrere Telefoninterviews zu absolvieren. Im zweiten Teil der Serie ‚Backstage: Bewerbung im Consulting‘ gehe auf das beliebte Recruiting Instrument ein. Erneut bringe ich meine langjährige Beratungserfahrung ein und berichte aus der Perspektive eines Consulting Firma.
Das Telefoninterview ist häufig der zweite Meilenstein zum Consulting Job
Das Screening Deiner Bewerbungsunterlagen war erfolgreich und Du in der zweiten Runde. Dafür herzlichen Glückwunsch, die Unternehmensberatung ist an Dir interessiert!
Was im Consulting Einstellungsprozess nun folgt sind die persönlichen Gespräche. Einige Beratungen führen diese unmittelbar vor Ort am Hauptsitz oder in einer Zweigniederlassung durch, andere schalten ein oder mehrere Telefoninterviews als festen Bestandteil des Bewerbungsprocedere vor. Wieder andere organisieren ein Telefonat bei Bedarf, meist weil Informationen zu einem interessanten Bewerber fehlen, Angaben widersprüchlich sind oder die Entscheidung den Kandidaten weiter zu verfolgen auf der Kippe steht.
Losgelöst der genauen Beweggründe: Telefoninterviews haben für das Beratungsunternehmen mehrere Vorteile:
- Telefoninterviews sind persönlich. Sie schaffen einen guten Eindruck für die „Person hinter den Bewerbungsunterlagen“. Auch können Fragen und Unklarheiten zu Deinem Lebenslauf, Anschreiben, etc. unmittelbar ausgeräumt werden.
- Telefoninterviews sparen Anfahrtszeit. Die verantwortlichen Personaler und (meist geographisch weit verteilten) Berater müssen sich nicht in der Firma einfinden, sondern können direkt von ihrem aktuellen Einsatzort aus teilnehmen.
- Telefoninterviews lassen sich kurzfristig verschieben. Sollte ein Kundentermin dazwischen rutschen oder einer der Teilnehmer anderweitig verhindert sein, lässt sich das Gespräch ohne große Aufwände umdisponieren.
Wie das Unterlagen Screening fungiert auch das Telefoninterview als Bewerberfilter. Im Kern möchte die Beratung umfassendere Informationen zu Deinem Lebenslauf und Deiner Motivation für die Consultant Position erhalten sowie einen ersten Eindruck von Deinen sozialen Fähigkeiten gewinnen. Nur eben synchron und spontan im Gespräch, statt asynchron und einseitig per Schriftverkehr.
In meiner Consulting Laufbahn habe ich etliche Telefoninterviews geführt, sowohl in der Rolle des Bewerbers, als auch in der des rekrutierenden Beraters. Immer waren die Gespräche offizieller Bestandteil des Einstellungsprozesses, dauerten zwischen 30-45 Minuten und involvierten zwei Personen auf Arbeitgeberseite.
In Telefoninterviews vertieft die Beratung Deine Bewerbungsunterlagen
Die Standardagenda für das Telefoninterview gibt es nicht. Je Beratung, offener Position und Interessensfelder der Teilnehmer liegen die Gesprächsschwerpunkte anders. Klassisch sind die folgenden Themenblöcke:
- Vorstellung der Gesprächsteilnehmer samt kurzer Selbstpräsentation
- Schilderung der Beweggründe für Deine Bewerbung auf diese Position bei dieser Beratungsfirma
- Vorstellung und Beantwortung von Fragen zu Deinem Lebenslauf und ausgewählten Stationen sowie Reflektion Deiner Stärken und Schwächen
- Fragen zu Ausbildungs- und Arbeitszeugnissen sowie der Bezug zum Beratungsunternehmen und der ausgeschriebenen Stelle
- In die Zukunft gerichtete Fragen wie Deine Ziele, Pläne und Absichten nach einem erfolgreichen Einstieg beim neuen Arbeitgeber
- Kleine Fachfragen, kurze Brainteaser und einfache Consulting Cases, die Dein analytisches Denkvermögen und Deine Lösungskompetenz demonstrieren
- Deine Rückfragen an die Beratung
- Nächste Schritte
Arbeitsvertragsspezifische Punkte wie Gehalt, Urlaubsanspruch, Arbeitszeiten und konkreten Projekteinsätzen sind nicht Gegenstand eines Telefoninterviews. Diese werden später im Bewerbungsprozess im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs bzw. einer Gehaltsverhandlung thematisiert.
In Sachen technischer Unterstützung schwören viele Beratungen weiterhin auf das klassische Telefon. Aber auch Videokonferenzsysteme wie Skype for Business, Webex, Zoom oder GotoMeeting sind zunehmend üblich erlauben diese Systeme gleichzeitig das Teilen der Bildschirminhalte sowie die Übertragung eines Videobildes. Solltest Du eine Einladung zu einem Video-Call erhalten empfehle ich nachzuhaken, ob ein Bild übertragen werden soll. Falls ja, wirst Du Dich für das Gespräch in Deine Business Garderobe werfen müssen.
Gehe davon aus, dass ein Teil des Telefonats in englischer Sprache stattfindet. Agiert die Beratung international, dann kannst Du Dir sogar ziemlich sicher sein. Früher oder später wird Dich einer der Teilnehmer mit der Aussage „Can we continue this discussion in English language, please.“ bitten, Euer Frage-Antwort-Spiel in Englisch fortzufahren. Ist die Einladung zum Termin oder die Stellenanzeige englischsprachig, dann meist auch das gesamte Telefoninterview.
Personaler und Berater erwarten, dass Du Deine eingereichten Bewerbungsunterlagen aus dem FF kennst. Auch setzen Sie voraus, dass Du Dich mit ihrem Unternehmen, den Beratungsschwerpunkten, Kunden und Partnern auseinandergesetzt hast. Schließlich fordern sie, dass Du über aktuelle wirtschaftliche, soziale und politische Themen und Trends in der Consulting Branche Bescheid weißt.
Ich habe bei Beratungen gearbeitet, die mit einem Interviewleitfaden gearbeitet haben. Jede 5-Minuten Zeitscheibe eines Bewerbertelefonats wurde von diesem Gesprächsbogen durchstrukturiert, daher, wer redet wie lange zu welcher Frage und auf welche Aspekte sind neben dem Inhalt wichtig (Stimme, Pausen, Englischkenntnisse, Schlagfertigkeit, etc.). Vorteil dieses Verfahrens ist die Vergleichbarkeit der Leistung zwischen den unterschiedlichen Jobkandidaten. Ebenfalls wird der Prozess des Interviews unabhängig von den durchführenden Beratungskräften. Alle Verantwortlichen gehen nach dem gleichen Prinzip vor, stellen identische Fragen und achten auf die gleichen Details.
In der Regel dauert ein Telefoninterview zwischen 30-60 Minuten
Telefoninterviews im Consulting finden geplant statt. Mindestens eine Woche vor dem Gesprächstermin vereinbart ein Personalreferent mit Dir einen Termin. Findet dieser zusammen mit Beratern statt, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Randzeiten, daher Morgens vor 09:30 Uhr, Mittags zwischen 12 bis 14 Uhr oder eben Nachmittags ab 17 Uhr.
Nicht bekannt sind mir spontane Anrufe von Jobbewerbern. Unternehmensberater wissen die Zeit ihrer Kunden, Partnern und (potentieller) Mitarbeitern zu schätzen. Eine störende Telefonunterbrechung zu einer nicht vereinbarten Zeit betrachten die meisten Consultants als unprofessionell bzw. unhöflich. Solltest Du wider Erwarten von der Beratung ungeplant kontaktiert werden, dann dankst Du für die Anfrage und schlägst zwei bis drei Alternativzeitpunkte vor.
Die im Telefonat anwesenden Teilnehmer hängen von den Fragen und der von Dir angestrebten Position ab:
- Allgemeine Fragen zum Lebenslauf und Unternehmen übernehmen interne und externe Personalreferenten.
- Fachliche und methodische Fragen werden von Beratern gestellt.
Je höher Deine Position in der Consulting Hierarchie, desto ranghöher auch die beteiligten Berater. Rechne mit zwei Teilnehmern, wobei einer moderiert, auf das abgedeckte Fragespektrum sowie die verbleibende Zeit achtet, der andere in die inhaltlichen Diskussion mit Dir einsteigt.
Bei einem 20-30 minütigen Gespräch geht es meist nur um generelle Basisinfos zu Deiner Person, ein paar Rückfragen zum Lebenslauf sowie offenen Punkte, die geklärt werden sollen. Dauert das Telefonat hingegen 30 Minuten oder länger, dann solltest Du mit tiefergehenden Fragen rechnen. Erwarte jedoch nicht zu komplizierte Aufgaben. Weder kannst Du über Telefon Zwischenschritte für alle sichtbar visualisieren, noch Ergebnisse nach der Erarbeitung präsentieren.
Auch eine Verteilung der Themenblöcke auf zwei Telefoninterviews ist möglich. Im ersten Telefonat mit zwei Personalreferenten stehen Dein Lebenslauf und das persönliche Kennenlernen im Zentrum, im zweiten Gespräch mit Beratern löst Du mehrere kurze Knobelaufgaben und beschreibst die Lösungsansätze eines Deiner durchgeführten Projekte.
Achte am Gesprächsende darauf, dass die nächsten Schritte klar sind. Daher: Wer meldet sich bis wann bei Dir? Welche Bewerberinfos kannst Du noch bereitstellen? Wo gibt es noch Fragen, die Du mitnehmen und im Nachgang per E-Mail klären kannst? Das Telefoninterview endet erst, nachdem Du aufgelegt hast. Sei bist zum Schluß 100 Prozent präsent.
Nach einem Telefoninterview geht es mit einer der drei folgenden Optionen weiter:
- Du erhältst eine Absage von einem der Human Resources Kräfte.
- Die Beratung bittet Dich um ein weiteres Telefongespräch.
- Ein Schreiben lädt Dich zu einem Bewerbungsgespräch oder einem Assessment Center bei der Beratung ein.
Eine Bewerbung im Consulting kann sich über einen Zeitraum von 4 bis 8 Wochen erstrecken. Tendenziell laufen die Mühlen bei großen Beratungen langsamer als bei kleinen Consulting Boutiquen. Solltest Du nach 2 Wochen noch keine Antwort erhalten haben, hakst Du beim verantwortlichen Personaler nach.
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Q&A – Bewerbung im Consulting
Frage 1 – Wie kann ich mich für ein Telefoninterview vorbereiten?
Du kennst Deine Bewerbungsunterlagen, das Beratungsunternehmen, die Stellenbeschreibung und Deine Gesprächspartner? Deine Unterlagen, Notizpapier und ein Glas Wasser liegen vor Dir? Zudem hast Du für wahrscheinliche aufkommende Fragen passende Antworten parat? Dann solltest Du die Telefoninterviews bei Beratungen bestreiten, die für Dich nur zweite Wahl sind. Aus den Gesprächen und Fehlern lernst Du und bist bereit für die Telefonate mit Deinem Favoriten.
Frage 2 – Was gibt es bzgl. der Technik zu beachten?
Wie bei einer Telefonkonferenz ist auch bei eine Telefoninterview eine gute technische Verbindung ist das A&O. Nutzt die Beratung ein Videokonferenz-Tool, empfehle ich Dir die verfügbare Telefonnummer anzurufen und Dich parallel per Laptop beim System anzumelden. Video- und Bildschirmbild wird per Web übertragen, die Stimme geht über das frisch aufgeladene Smartphone. Sollte Deine Internetverbindung schwächeln, bist Du immerhin noch akustisch gut verständlich. Hinterlege im Konferenzsystem ein aktuelles Profilfoto sowie Deinen vollständigen Namen. Achte ebenfalls auf Deine Umgebung. Eliminiere alle Störquellen, die Dich ablenken oder ungewollte Geräusche produzieren könnten.
Frage 3 – Wodurch hebe ich mich in Telefoninterviews positiv ab?
Telefoninterviews sind ein Frage-Antwort-Ping-Pong. Der Personaler bzw. Berater fragt, Du antwortest. Spreche kurz, präzise und strukturiert (erstens, zweitens, drittens, etc.) mit einem Lächeln auf den Lippen und der Nutzung des Namens. Lege Pausen ein. Vermeide das Schwafeln. Bitte hingegen darum, selbst einige vorbereitete Fragen stellen zu dürfen. Sei präsent, lasse die Gesprächspartner ausreden und notiere wichtige Fakten. Verweise auf Beispiele aus Deinem beruflichen Werdegang.
Frage 4 – Woran merke ich, dass die Beratung an mir interessiert ist?
Klar, wenn der Personaler Dich direkt am Gesprächsende um einen persönlichen Termin bittet, dann war das Telefonat ein voller Erfolg. Die Regel ist das aber nicht. Kleinere Anzeichen für Deinen positiven Eindruck sind: eine längere Gesprächszeit als ursprünglich geplant, das gemeinsame Vertiefen eines Themas, positiv besetzte Begriffe und Ausrufe Deiner Gesprächspartner, Schilderung von beratungsinternen Details sowie definierte nächste Schritte.
Fazit
Auch im Consulting ist das Telefoninterview eine gängige Methode für die Personalauswahl. Bei einige Beratungen gehören Bewerbertelefonate zum Standardbaustein des Einstellungsprozesses, andere nutzen das Instrument ausschließlich bei Wackelkandidaten.
Unterschätze ein Telefoninterview nicht. Je länger die Gesprächszeit, je seniorer die Teilnehmer und je strukturierter der Ablauf, desto intensiver solltest Du Dich auf das Telefonat vorbereiten. Personalreferenten und Berater merken an Deinen Antworten, dass Du Deine Hausaufgaben gemacht hast. Lieferst Du einen guten Job ab, ist das Vorstellungsgespräch nicht mehr weit.
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