Der Urlaub ist für mich häufig auch eine Zeit des intellektuellen Lotterlebens. Ich lese dann Bücher, die ich sonst - mangels hinreichendem spezifischen Interessen, wegen geringer Erwartungen an die Intensität oder aus anderen Gründen - nicht lese, oder die ich sonst gar nicht zu Gesicht bekommen hätte.
Konsumiert wird dann gelegentlich, was mir die Vorsehung günstig vor's Portemonnaie gerät.
Oder was vom Markt zu nehmen mir ein moralisches Anliegen ist.
Oder wären Sie herzlos genug gewesen, beim Bücherflohmarkt der katholischen Pfarrbücherei der St. Nikolaus-Kirche in Bad Reichenhall das Büchlein "Fanny Hill. Memoiren [oder: Geschichte] eines Freudenmädchens" von John Cleland im Regalständer stehen zu lassen? Verharrend dort wie ein Raubtier in der Bereitschaft, unschuldige Seelen von Gläubigen zu verzehren?
Nein, da bin ich mir ganz sicher, Sie hätten genau so verantwortungsbewusst gehandelt wie ich: Beherzt in die Börse gelangt, 50 ct. rausgeholt und diese Schmutz- und Schundliteratur rasch entschlossen konfisziert!
Und wäre es gerecht, oder fair, ein solches - immerhin recht berühmtes - Werk dem Mülleimer zu überantworten, ohne sich zu überzeugen, ob denn der Inhalt wirklich so schlimm sei? Und zugleich sich der Gelegenheit zu berauben, kulturhistorisches und soziologisches Wissen über das Leben in London in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu extrahieren?
Auch das hätten Sie nicht über sich gebracht, und ebenso wenig ich. Also ward es denn gelesen, im Herbsturlaub in Bad Reichenhall anno 2008, jenem denkwürdigen Jahr, in welchem die Börsen krachten - und wo man doch schon erwarten konnte, dass [noch für eine gewisse Zeit?] der Kasino-Kapitalismus fröhlich fortgesetzt werden würde.
Dass ich hier mit einem Sex-Buch beginne, will wenig bedeuten. Im Osterurlaub des gleichen Jahres im gleichen Urlaubsort war es "Die Unsterblichkeit" von Milan Kundera gewesen, welche mich zwar noch weniger faszinieren konnte als der oder die (je nachdem, ob amerikanisch oder britisch gedacht; allerdings spielt "der" fanny nach meiner Erinnerung keine große Rolle im Buch: gewisse Tabuzonen gab es damals hat doch noch) fanny der Fanny Hill, aber immerhin zu einem Blog-Katalysator ausreichte.
In Oberstdorf, vor der majestätischen Kulisse einiger der höchsten Gipfel der Allgäuer Alpen, konnte ich in einem (hier nur beiläufig bebloggten) Herbsturlaub (der mich im Übrigen auch nach Kempten-Shanghai sowie zum Kempten-Keynes führte) der Versuchung nicht widerstehen, im Geiste nach Island zu verreisen, jenem Saga-Land, das man wahrscheinlich um so mehr liebt, je weniger man es - jedenfalls in seiner Existenz als "Wall Street on the Tundra" (Michael Lewis) - kennt.
Das Verführer räkelte sich jungfräulich unberührt auf einer Fensterbank im Treppenhaus, darauf wartend, dass irgend ein Urlaubsgast sein jus primae (äh: was heißt bitte "Lektüre" auf lateinisch?) an ihm ausübe: ein anscheinend nagelneues Exemplar des Kriminalromans "Brandstifter" von Jon Hallur Stefansson. Den Inhalt habe ich zwar (wie übrigens das Meiste aus den Büchern, die ich lese) weitestgehend vergessen; immerhin war es spannend genug gewesen, um seinerzeit bei einem Flohmarkt in der Kemptener Viehhalle einen Folgekauf (und dann auch eine Folgelektüre) auszulösen: "Nordermoor" von Arnaldur Idridason.
Die Lektüre einer Wagner-Biographie in einem Urlaub in Garmisch-Partenkirchen katapultierte mich bloggend sogar in eine Zeit-Reise in meine Kindheit zurück.
Anspruchsvoller, zumindest aber anstrengender, war da schon ein 50 Cent-Fund aus der Wühlkiste der Immenstädter Stadtbücherei (in einem Urlaub, von welchem sich lediglich eine Kritik des Thermalbades in Oberstdorf in einem meiner Blotts niedergeschlagen hat): Die "Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität" des Österreichers Franz Xaver Eder (hier auf der Verlagswebseite eine Besprechung). Tapfer habe ich mich aber auch durch dieses Werk (das ich als einen Bericht über den aktuellen Stand der internationalen Sexualitätserforschung für Laien charakterisieren würde) durchgebissen, wofür freilich die Urlaubszeit nicht ausgereicht hat.
- wird fortgesetzt -
Textstand vom 31.10.2010. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
finden Sie eine Gesamtübersicht meiner Blog-Einträge (Blotts).
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Konsumiert wird dann gelegentlich, was mir die Vorsehung günstig vor's Portemonnaie gerät.
Oder was vom Markt zu nehmen mir ein moralisches Anliegen ist.
Oder wären Sie herzlos genug gewesen, beim Bücherflohmarkt der katholischen Pfarrbücherei der St. Nikolaus-Kirche in Bad Reichenhall das Büchlein "Fanny Hill. Memoiren [oder: Geschichte] eines Freudenmädchens" von John Cleland im Regalständer stehen zu lassen? Verharrend dort wie ein Raubtier in der Bereitschaft, unschuldige Seelen von Gläubigen zu verzehren?
Nein, da bin ich mir ganz sicher, Sie hätten genau so verantwortungsbewusst gehandelt wie ich: Beherzt in die Börse gelangt, 50 ct. rausgeholt und diese Schmutz- und Schundliteratur rasch entschlossen konfisziert!
Und wäre es gerecht, oder fair, ein solches - immerhin recht berühmtes - Werk dem Mülleimer zu überantworten, ohne sich zu überzeugen, ob denn der Inhalt wirklich so schlimm sei? Und zugleich sich der Gelegenheit zu berauben, kulturhistorisches und soziologisches Wissen über das Leben in London in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu extrahieren?
Auch das hätten Sie nicht über sich gebracht, und ebenso wenig ich. Also ward es denn gelesen, im Herbsturlaub in Bad Reichenhall anno 2008, jenem denkwürdigen Jahr, in welchem die Börsen krachten - und wo man doch schon erwarten konnte, dass [noch für eine gewisse Zeit?] der Kasino-Kapitalismus fröhlich fortgesetzt werden würde.
Dass ich hier mit einem Sex-Buch beginne, will wenig bedeuten. Im Osterurlaub des gleichen Jahres im gleichen Urlaubsort war es "Die Unsterblichkeit" von Milan Kundera gewesen, welche mich zwar noch weniger faszinieren konnte als der oder die (je nachdem, ob amerikanisch oder britisch gedacht; allerdings spielt "der" fanny nach meiner Erinnerung keine große Rolle im Buch: gewisse Tabuzonen gab es damals hat doch noch) fanny der Fanny Hill, aber immerhin zu einem Blog-Katalysator ausreichte.
In Oberstdorf, vor der majestätischen Kulisse einiger der höchsten Gipfel der Allgäuer Alpen, konnte ich in einem (hier nur beiläufig bebloggten) Herbsturlaub (der mich im Übrigen auch nach Kempten-Shanghai sowie zum Kempten-Keynes führte) der Versuchung nicht widerstehen, im Geiste nach Island zu verreisen, jenem Saga-Land, das man wahrscheinlich um so mehr liebt, je weniger man es - jedenfalls in seiner Existenz als "Wall Street on the Tundra" (Michael Lewis) - kennt.
Das Verführer räkelte sich jungfräulich unberührt auf einer Fensterbank im Treppenhaus, darauf wartend, dass irgend ein Urlaubsgast sein jus primae (äh: was heißt bitte "Lektüre" auf lateinisch?) an ihm ausübe: ein anscheinend nagelneues Exemplar des Kriminalromans "Brandstifter" von Jon Hallur Stefansson. Den Inhalt habe ich zwar (wie übrigens das Meiste aus den Büchern, die ich lese) weitestgehend vergessen; immerhin war es spannend genug gewesen, um seinerzeit bei einem Flohmarkt in der Kemptener Viehhalle einen Folgekauf (und dann auch eine Folgelektüre) auszulösen: "Nordermoor" von Arnaldur Idridason.
Die Lektüre einer Wagner-Biographie in einem Urlaub in Garmisch-Partenkirchen katapultierte mich bloggend sogar in eine Zeit-Reise in meine Kindheit zurück.
Anspruchsvoller, zumindest aber anstrengender, war da schon ein 50 Cent-Fund aus der Wühlkiste der Immenstädter Stadtbücherei (in einem Urlaub, von welchem sich lediglich eine Kritik des Thermalbades in Oberstdorf in einem meiner Blotts niedergeschlagen hat): Die "Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität" des Österreichers Franz Xaver Eder (hier auf der Verlagswebseite eine Besprechung). Tapfer habe ich mich aber auch durch dieses Werk (das ich als einen Bericht über den aktuellen Stand der internationalen Sexualitätserforschung für Laien charakterisieren würde) durchgebissen, wofür freilich die Urlaubszeit nicht ausgereicht hat.
- wird fortgesetzt -
Textstand vom 31.10.2010. Auf meiner Webseite
http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm
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