"Baby Driver" [USA, GB 2017]


Als würde Musik die Leinwand streicheln, als würde Musik die Leinwand liebkosen – und sich ihr Protagonist, Kraftfeld, weniger Kraftprotz, darin verirren. Sanft, nicht zu flippig, anschmiegsam, nicht zu aufmerksamkeitssuchend, bejahend, nicht zu schwärmerisch folgt ihm Bill Pope über den Asphalt, ihm, das ist Baby (Ansel Elgort). In diese Welt gehört er nicht. Er versucht, sich über sie hinwegzusetzen, er versucht, sie hinwegzutanzen, ein Schritt nach dem nächsten. Baby ist eine ziemlich schrullige, autistische, anziehend menschenleere Gestalt, die Kopfhörer dauerhaft im Ohr, den Blick wie Bleifuß an ein Ziel geheftet. Allerdings mag es Baby nicht, wenn der "Job" (meist illegal) zu früh oder zu spät startet. Zur falschen Note, zum falschen Klang. Dann wird die Arbeit unrhythmisch, vielleicht auch schlampig ausgeführt. Baby stoppt daraufhin seine Kollegen, hält sie zurück, gibt ihnen ein Zeichen, wann sie bei welchen Lyrics auszusteigen haben. Den Job erledigen. Baby ist Perfektionist, da Komponist, weil Dirigent.
"Baby Driver" genügt sich als, man merkt es, musikalisches Schaulaufen, dem es an Zufälligkeiten mangelt. Edgar Wright, Spezialist dafür, den Mainstream zu beladen (respektive zu überladen), hat jedem Frame, jeder Szene, jeder Geste Plätze zugewiesen, die, mehrdeutig, allesamt sitzen. Ein deshalb "perfekter" Film ist das, bestehend aus einander ergänzenden, kurzatmigen Videoclips, in denen Verfolgungsaction wie Einbruchsstrategien das Band der Dramaturgie straffen. Mechanistischer wird, kann Kino nicht mehr werden – keine Öffnung, kein Überquellen. Wright weiß, dass die "Feier" aus seinen vorherigen Filmen, das Feuer, die Flammen, vor allem das Spontane, abgeklungen ist, ja beängstigend lässiger Routine Platz machte. Bestenfalls gelingen ihm dabei kinetische Momente, die in der Bewegung von Zeitbeschleunigung und Raserei extrovertiert vibrieren. Mancherorts aber will Wright nie loslassen – denn er ist versessen auf (Geschwindigkeits-)Kontrolle, auf die Kontrolle über die Montage, auf den Takt per se.
Den Status eines "Action-Musicals" löst "Baby Driver" folglich höchstens zu Beginn ein. Danach vermengt der Plot Zitate und Figurensketche sichtlich formelhafter. Die Hauptidee der Geschichte hätte auch aus einem John-Frankenheimer-Film oder einem Film von Walter Hill, einem Film von Michael Mann – oder, generell, einem Genrefilm der 70er Jahre herrühren können. Schließlich ist der "letzte Job" nichts, womit man sich brüstet, verweist dieser wiederum auf einen "allerletzten" und dieser zum "ganz großen Coup", der die Katastrophe orchestriert. Ähnlich ergeht es Baby. Die Fänge seines Arbeitgebers Doc (Kevin Spacey kalauert sich grimmig bis zum Schmelzpunkt) kann er nur schwer von sich weisen. Das Arrangement der Crew, in der Baby den "Fahrer" (eben den "Driver") verkörpert, ist amüsant, spritzig, anekdotisch ausufernd, nie zu postmodern. Wright nämlich träufelt der Postmoderne stets einen Schuss Hingabe auf deren Haupt. "Baby Driver" manövriert sich durch eine Wright-Kunstwelt. Aber dies vermag der Film ohne ein Zeichen von Anbiederung zu meistern.
Vorerst. Wie gesagt. Wright kann es nicht dabei bewenden. Wo in den Filmen Frankenheimers, Hills, Manns die moralisch halbseidenen Charaktere insbesondere Abstraktionen waren, die mit ihren Handlungen, Gedanken auf eine Ethik über sie (und die Straße) hinaus schließen ließen, muss Wright Baby psychologisieren, ihm die Chance geben, Mensch zu werden, während der Zuschauer sukzessive eine Coming-of-Age-Bewusstwerdungsschmonzette sieht. Denn Baby verliebt sich. Irgendwann. In eine Kellnerin (Lily James), und es wird klar, dass Baby gar nicht der knallharte Typ ist, der er zu sein schien. Sein Abdriften in den Wellengang der Musik hat einen tragischen Hintergrund, und nebenbei kümmert er sich um seinen tauben Adoptivvater Joseph (CJ Jones). Einige dieser rührseligen Episoden, die Wright zwar sanft herausarbeitet, unterliegen jedoch einem enger geschnürten Korsett, viel zu viel Plot abzuwickeln. Für einen Film, der sich verlieren, aber gleichzeitig verlieben möchte, erreicht diese bodenständige(re) Aussteigerfantasie nicht vollends das gewünschte Resultat.
Der originäre Zugriff, das Kino zu seinen ursprünglichen Ingredienzien – denen der Bewegung, des Bilderstroms, denen choreografierter Wundertütendinge – zu leiten, geht in "Baby Driver" nur dort auf, wo sich die Geschichte traut, nicht mehr Geschichte zu sein. Andernfalls sehen wir einen Protagonisten, der der Chiffre abgeschworen hat. Er kämpft um die Liebe, den Ausstieg, stellt sich den Konsequenzen. Stellt sich dem Vertrauen, das erschüttert wurde. Bonny und Clyde reloaded. "Baby Driver" ist Musik, gleichzeitig Schlager, ein Mixtape (aus Gesagtem), gleichzeitig ein Zusammenschnitt aus Vergangenem und Zukünftigem, der fatalste Fatalität gegen das Engagement, sein Schicksal zu ändern, eintauscht. Ein Zwitterwesen, genau wie Baby, das merklich unrund Kurven schneidet. Wright gelang kein schlechter Film, ihm ist das pumpende Herz anzumerken, für Sonderlinge, ein schnittiges Tempo, die Genreliebe. Am Ende gleichwohl ist die Gewalt vielleicht ein bisschen zu krass, das Mixtape zu vorhersehbar – und die Musik vielleicht ein bisschen zu laut.
6 | 10

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