Früher waren Filme irgendwie anders. Ich will jetzt ausnahmsweise mal nicht meckern und jammern und mich beschweren, früher sei alles besser gewesen. Viele neue Filme sind sehr gut, aber früher waren die Filme eben irgendwie anders. Das kann viele Gründe haben. Auf dem Gebiet der digitalen Technik hat sich unglaublich viel getan und die Möglichkeiten der Filmemacher sind schier unerschöpflich. Nichts desto trotz denkt man immer mal wieder an die Alte Schule. Spätestens dann, wenn ein Regisseur mit einem neuen Film auftaucht, obwohl man eigentlich dachte, er wäre schon längst fertig mit der Welt und vor allem dem Job des Filmemachers. Guiseppe Tornatore ist ein solcher Regisseur, der uns 1988 ins "Cinema Paradiso" entführte und uns nun in seinem neuen Film erneut nach Baaria einlädt.
Baaria ist ein kleines Städtchen in Mitten der rauen Landschaft Siziliens. Wir lernen Peppino kennen, der Sohn eines Bauern, der früh in seinem Leben lernt, dass man hart arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Gleichzeitig geht er zur Schule, um möglichst viel Wissen aufzusaugen. Ihm steht nämlich keine Karriere als Hirte bevor, sondern die eines engagierten Politikers. Wir begleiten Pepi bei seinem Schwur zum Eintritt in die kommunistische Partei, auf seinem Weg zum Altar und auf seiner Reise nach Moskau. Während all dieser Jahre sieht man den Ort Baaria, wie er sich verändert, ebenso, wie die Menschen, die hier lebten und leben. Sämtliche historische Ereignisse der letzten 60 Jahre hinterlassen ihre Spuren. Und obwohl Baaria sehr klein ist und unbedeutend scheint, bekommt man das Gefühl, die ganze Welt dreht sich um diese Stadt.
Sehr viel mehr kann man zur Handlung gar nicht sagen. Die Geschichte fließt regelrecht über die Leinwand, wie der Fluss der Zeit. Ohne, dass etwas prägnantes oder einschneidendes passiert, vergehen die zweieinhalb Stunden trotzdem, wie im Fluge. Es ist eben so, als ob ein Kamerateam die letzten 60 Jahre dokumentiert hat und jetzt eben die schönsten Stellen zusammen geschnitten hat. Wir sehen Menschen, die ihrem Tageswerk nachgehen und einfach leben. Tornatore legt dabei sehr viel Wert auf kleine Details und so gelingt ihm ein unglaublich authentisches Bild, und wenn man schon mal in Italien gewesen ist, hat man immer das Gefühl im Film, man habe das alles schon mal gesehen. Zusätzlich baut Tornatore ununterbrochen Zitate aus seinen früheren Filmen ein, und so wird aus "Baaria" eine Art Querschnitt durch das Gesamtwerk Tornatores. Das Feeling der alten Schule kommt bereits in den ersten Minuten des Films wieder auf. Der kleine Junge, den man am Anfang sieht, heißt nicht nur Toto, sondern sieht dem Helden aus "Cinema Paradiso" unglaublich ähnlich. Den letzten Rest und Schubbser zum vollkommenen Schwelgen in Nostalgiegefühlen gibt die wunderschöne Musik von Ennio Morricone. Das Jahrgangstreffen ist also nahezu perfekt.
"Baaria" ist wunderschön. Ganz großes Kino und doch irgendwie ganz simpel. Technisch angestaubt, aber ästhetisch hoch anspruchsvoll produziert. So dicht an Handlungssträngen, dass man das Gefühl hat, es gäbe gar keine richtige Geschichte. Es ist nicht das, was ich erwartet habe, aber irgendwie doch genau das Richtige. Ein neuer Film, aber irgendwie alt, weil anders. „Was redet der da eigentlich? Sollen wir uns den Fllm jetzt angucken, oder nicht?“ Ja! Unbedingt ansehen! „Baaria“ ist einfach toll. Man hat Schwierigkeiten, hinterher zu sagen warum, aber man ist verzaubert und begeistert. Vielleicht ist es ja das, was an den Filmen früher anders war.
Baaría (I / F, 2009): R.: Guiseppe Tornatore; D.: Francesco Scianna, Margareth Madè, Raoul Bova, u.a.; M.: Ennio Morricone; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
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