775,5 Meter über Meer fand letztes Wochenende zum dreizehnten Mal das B-Sides Festival statt. Rund 4500 Besucherinnen und Besucher bestaunten nicht nur die umliegende Berglandschaft, sondern tauchten auch in innere, imaginäre Gefühlslandschaften ab. Wir waren am Samstag da und haben einige Impressionen mitgebracht.
Neben der grossen, etwas eingebildeten Schwester Bad Bonn Kilbi (wir berichteten) ist das B-Sides das nahbare, sympathische kleine Brüderlein der Schweizer Entdeckerfestivals. Hier liess auch dieses Jahr der Hype um das schmucke Bergfestival nicht nach: Es war schon seit Monaten ausverkauft und spätestens am Samstagabend wusste man wieso: Auf dem Gelände befand sich eine Menschenmasse, wie sie der Sonnenberg nur einmal pro Jahr sieht.
Chili sin Carne mit einem Hauch Grün
Doch das bemerkenswerte ist hier: es fühlt sich nie wirklich voll an. Auch sind die Besucherinnen und Besucher sehr umgänglich und schreien nicht so viel (ausser es würde eine Band spielen, bei der man schreien muss, aber sie scheinen auf jeden Fall nicht grundlos zu schreien).
Alles okay, alles öko
Das nichtjohlende Publikum durfte übrigens auch dieses Jahr Gaumen und Verdauungstrakt mittels sehr gut zubereitetem Essen beglücken. Da gab es unter anderem Falafel-Snack-Platten, Chili sin Carne, Pizokel oder auch für Frühaufsteherinnen, Helfer und Zeltfans: Ein Frühstück. Das System mit dem Essen und dem Trinken funktioniert ebenfalls hervorragend: mit Jetons (ebenso aus nachhaltigem Gehölze gefertigt) hatte man jeweils Teller, Besteck und Gläser zur Depotstation zurückzubringen. So kam es, dass fast nirgendwo Abfall am Boden herumlag. Und wenn etwas herumlag, dann waren das entweder Konfetti oder Popcorn (das es beim Merch-Stand für attraktive 2 Stutz zu erwerben gab.
Los Orioles aus Biel
Le Monde qui rit
Le Mond qui rit (…)
Nun aber ein wenig zu den Bands – wer spielte denn so? In den drei Tagen waren diese 7 Acts hier unsere Lieblinge. Am Samstag aber kam es bei vielen Namen auf der Liste vor, dass wir die Namen nicht kannten.
So zum Beispiel die erste Band: Les Filles de Illighadad aus Tahoua, Niger. In lange Gewänder gehüllt spielten die vier Members einen Sound, der nur schwer einzuordnen ist. Das wird auch im „About“-Text auf ihrem Facebookprofil deutlich:
„It’s hard to talk about, because its corollarly so clearly does not exist in the industrial centers or the so-called “Western” world.“
Die Sonne hing fest am Himmel. Viele hielten ein kühlendes Getränk in den Händen. Zahlreiche junge Eltern gaben sich mit ihren Kindern dem Kinderprogramm hin (zum Beispiel konnte man Buttons mit dem persönlichen Lieblingswort anfertigen lassen oder am Zahnputzstand „so fresh so clean“ die Beisserchen reinigen). Viele breiteten ihre Picknickdecken im Gras aus zwischen Lyrics von Bands, die auf Schilder geschrieben waren.
Der Nachmittag verstrich und mein persönliches Highlight erschien um 19.40 Uhr auf der Zeltbühne: Warm Graves aus dem Vereinigten Königreich spielten etwas in sich gekehrten Post Punk und schweiften so plötzlich ab in die Düsterkeit am hellichten Tag.
Ikan Hyu, ein weibliches Duo aus Zürich, folgte auf der Bohos Welcome Stage im Zelt. Im Description-Text auf der B-Sides Website wird folgendes über die zwei Electronica-R&B-nicht-in-die-Schublade-zu-steckende Band gesagt:
„Ikan Hyu: Pop und Abenteuerlust, Pop und Spiel/Spass/Spannung.“ Die erwähnte Abenteuerlust war vor allem beim Publikum da: das Zelt war restlos gefüllt. Auf der Hauptbühne machte sich zeitweilens Reverend Beat Man & The New Wave bereit. Der Voodoo-Rhythm-Label-„Gott“ creepte wie eh und je das Publikum mit seinen Songvariabeln aus.
Ehe es komplett dunkelte, wagte man noch einen letzten Blick über die Mojito-Bar (der „Signature-Drink“ war allerdings der „B-Mule“, nicht der Mojito) und genoss einen Blick über Berg- und Seelandschaften. Bei Bedarf konnte man sich dann auch kurz der Schönheit des Lebens rückbesinnen, ehe man wieder zurück zur Bohos Welcome Stage pilgerte. Dort spielte die Berner „Supergroup“ All XS Hits wie „Millenials“ und brachte das Publikum langsam aber sicher in Bewegung.
Excess bei All XS
Wer sich bei All XS noch nicht bewegt hatte, tat dies nun: Entweder bewegte man sich auf den Heimweg oder man bewegte sich zu Romano. Der Berliner Mann mit Zöpfen brachte mit seinen nicht so ernst gemeinten, kunsthaften Heimatsongs des Vororts Köpenick die Masse zum glühen. Bei Smash-Tracks wie „Klaps aufn Po“ oder „Mutti“ gab es keinen Halt mehr. Zudem winkte er, was ziemlich Mode ist bei Bands (so oft geschehen am Primavera Sound Festival in Barcelona dieses Jahr, das aber nur als Randnotiz, das sind jetzt zu viele Nebensätze.) Auf jeden Fall tanzten ca. 40 Leute am Schluss auf der Bühne und gaben sich Klapse (Kläpse? Klapsen?) auf die Poebenen.
Die Feste wurden gefeiert, bis sie fielen
Der Abend war zerrinnend wie Karibiksand auf der Handfläche. Von weitem hörte man noch Muthoni Drummer Queen, die mit maskierten Bandmitgliedern und Stimmgewalt die Atmosphäre massgeblich prägte. Es ist ein Fest, dieses Festival, vor allen Dingen darum, weil es sich anstrengt. Aber nicht um cool zu sein, sondern weil es sich anstrengt ein Fest zu sein. Und das ganz fest.