Azar Nafisi – "Lolita lesen in Teheran"

Von Nicsbloghaus @_nbh

Langsam, ganz langsam bekomme ich ein Bild vom aktuellen, normalen Leben im Iran. Schon “Wir sind der Iran” von Nasreen Alavi und die Marjane-Satrapis-Comics “Persepolis” haben mir etwas darüber berichtet.

Azar Nafisi jedoch ist eine hochgebildete Literaturprofessorin, die – quasi als Klammer – darüber berichtet, dass es schon ein klein wenig “Gegenrevolution” ist, wenn man im Iran der letzten Jahre westliche Literatur liest und lehrt.

So ist das Buch zum einen eine Bestandsaufnahme, eine Art Tagebuch einer, die keine Luft mehr bekommt in der Enge, die die Mullahs verordnen. Und zum Anderen ein Aufruf zum gewaltlosen Widerstand; zum Erschaffen von Nischen innerhalb dieser Gesellschaft. (Ich will nicht wieder damit anfangen; aber immer erinnert mich das an das Leben im gewesenen Ländchen: dieses Ausweichen ins Private wo der staatliche Druck zu groß wird. Jedoch relativiere ich inzwischen: in der kleinbürgerlichen DDR war sogar die Unterdrückung kleinbürgerlich (und kleinlich), aber kaum tödlich wie im Iran.)

Er [Gatsby] wollte seinen Traum verwirklichen, indem er die Vergangenheit wiederholte, und am Ende fand er heraus, daß die Vergangenheit tot war, die Gegenwart ein Trugbild und die Zukunft nicht vorhanden. Ähnelte das nicht unserer [islamischen] Revolution, die im Namen einer kollektiven Vergangenheit begonnen und unser Leben im Namen eines Traumes zerstört hatte? Seite 189

Wegen der grundehrlichen und unaufgeregten Art, in der A. Nafisi über das Leben in Theran berichtet, wegen der tiefgründigen Vermittlung (so ganz nebenher und wie im Vorübergehen) von Literatur und vor allem wegen der Warmherzigkeit, die aus jeder Zeile spricht, ist das Buch lesenswert.
Was es zudem wirklich wichtig macht ist, dass hier eine Stimme spricht, die sowohl den “Westen” als auch den “Orient” in seiner persischen Form kennt und diese beiden, so grundverschiedenen Gesellschaftsideen weder vergleicht noch überhaupt gegenüberstellt.

Nafisi ist eine Kosmopolitin. Und die Weltliteratur ist ihre Fahrkarte dahin. Sie erinnert daran, dass auch im uns so fernen Iran Menschen leben, die Hoffnungen haben, sich verlieben, lesen, traurig sind und manchmal bitter. Ganz normale Menschen mit ganz normalen Freuden und Kümmernissen. Von denen wir so wenig wissen. Und die wir durch solche Bücher besser kennenlernen können.

Nic