Aufmerksam verfolgte ich den stetig ansteigenden, am Ende tosenden Hype um die adoleszente Autorin Helene Hegemann und ihr Debüt Axolotl Roadkill. Immer, wenn sich die Feuilletonisten überschlagen, werde ich zuerst skeptisch und dann trotzig. Liegt wahrscheinlich daran, dass sie sich nie wegen mir überschlagen – ein psychoanalytisches Problem, vermute ich.
Jedenfalls habe ich mich aufgrund der medialen Verseuchung nicht überwinden können, das Buch zu kaufen oder auch nur zu lesen. Ging mir mit Feuchtgebiete auch schon so. Okay, es war also wie oft: da kommt ein junges Mädchen des Weges und schreibt wortgewandt und zynisch über Dinge, von denen junge Mädchen zum einen im normalen Leben nicht so arg viel wissen und zum anderen nicht so wortgewandt und zynisch sind. Das schafft Aufmerksamkeit. Generell scheint man Kindern und Jugendlichen Lebenserfahrung oder auch Lebensklugheit insofern abzuerkennen, dass es eine unerhörte Sensation ist, wenn so ein unverbrauchtes Wesen mit einer Portion Härte um die Ecke biegt.
Diese Mechanik finde ich extrem vorhersehbar, und der Kulturbetrieb fällt subito darauf herein. Dreckiges Thema kombiniert mit Fast-noch-Kind: lecker. Gut, nun gönne ich so ziemlich jedem Autoren den Erfolg. Jeder, der privat oder beruflich gewohnheitsmäßig schreibt, kennt die Qual, die hinter so ein paar Seiten Text stecken kann. Schön, wenn man damit Öffentlichkeit generiert. Ehrlich.
Nun begab es sich aber so: nachdem erst einmal alle großen Tageszeitungen und Magazine in gerührte Weinkrämpfe über ihre sensationelle Entdeckung ausgebrochen sind, betritt das Blog Gefühlskonserve die Bühne und bezichtigt die Hegemann des Plagiats. Eine Seifenoper allererste Güte. Offenbar hat sich die Autorin à la Wühltisch bei diversen Werken bedient: bei der Gefühlskonserve belegt man dies konkret für den Roman "Strobo" des Bloggers Airen, indem Textstellen direkt miteinander verglichen werden. In Axolotl Roadkill fehlen jedoch die üblichen Quellenangaben.
Die ganze Chose schlägt Wellen, der Verlag entschuldigt sich, die Autorin entschuldigt sich, die einst freudigen Rezensenten fühlen sich vermutlich ernüchtert und in Katerstimmung. Und ich kann mich immer noch nicht zum Lesen überreden, sondern begnüge mich mit allerlei Leseproben und sporadischem Mitlesen in der U-Bahn.
Dass die Hegemann nun Teile des Buches geklaut hat, sagt mir irgendwie gar nichts. Mal ehrlich, das Mädchen ist 17. Meine böse Theorie: sie fand diese Textstellen passend und dachte halt, das wird keiner merken. Pech gehabt. Die Presse erklärt den peinlichen Fehltritt gerne mit der These, die Autorin gehöre nun einmal zu einer Generation, für die das "Samplen" ganz normal sei, und heutzutage wüchsen die Kinder eben damit auf, dass das Netz als großer Selbstbedienungsladen erscheine usw usw.
Das Plagiat wird also kulturell erklärt. Dabei ist es doch bloß ein schnöder Klau, der leider Gottes aufgeflogen ist. Wär ja auch zu schön gewesen, dass da ein Teenagermädchen vom geistigen Olymp herabsteigt und uns langweiligen Kultursnobs mal so richtig die Seele zurechtrückt. Ja, das wäre schön gewesen.
Dabei will ich eigentlich nur wissen, ob das Buch, wenn man den ganzen Medienschmodder mal wegwischt, wirklich lesenswert ist. Ist es?