Avec Le Temps

Von Gardner

Bordeaux, 1979

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Irgendwie passt es in diese Niemandszeit zwischen Weihnachten und Neujahr: Dass man zur Besinnung kommt. Vielleicht liegt es auch an der seltenen Tatsache, dass ich endlich einmal Zeit für eben diese Zeit habe. Soviel hatte ich mir vorgenommen, doch mein Körper machte mir mit einer heftigen Grippe einen mit Husten und Niesen beseelten Strich durch die brüchige Planung. Zuerst machte mich das ein wenig wütend, doch allmählich setzt sich der Gedanke bei mir durch, dass dies eine Notbremse war, die mich endlich und wirklich inne halten ließ im sturen Lauf der Zeit. Aber der Mensch kann es ja nicht lassen: So begann ich, zumindest etwas zu tun, was mir Freude bereitet, wenngleich hier und da auch ein wenig Wehmut mitschwingt. Aus dem großen Ordner mit den damals selbst entwickelten Negativen in Schwarz/Weiß zog ich ein paar Bögen und hielt sie gegen das Licht. In einer Schrift, an die ich mich jetzt auch wieder erinnere, steht am Seitenrand geschrieben: Urlaub 1979, Frankreich. Das Hirn tickert und rotiert widerwillig, da es mit mathematischen Aufgaben nie gerne belästigt wird. Irgendwann rollt die Zahl 32 halblaut und zögerlich lang gezogen über meine Lippen. 32 Jahre ist das jetzt her! Dank der modernen Technik ist es nicht schwer, diese privathistorischen Negative selbst für heutige Betrachtungsgewohnheiten in passable Fotografien umzuwandeln. Ich stoße auf Bilder, die sich damals schon in mein Hirn eingebrannt haben und nie verblichen sind, aber auch einige Überraschungen sind dabei. Mit dem Betrachten der Fotos verbinden sich wie von Geisterhand gelenkt bestimmte Szenen, Gesprächsfetzen, Stimmungen, Gefühle und Gedanken, die ich damals hatte. Aber auch der Soundtrack zu dieser Zeit ist plötzlich wieder akut. Springsteen, Béranger, Waits, Ferré, Le Forestier, Rolling Stones und weitere Musikschöpfende, mit denen ich X weitere Zeilen füllen könnte und die meine zahllosen Audiokassetten damals mit Musik versorgt hatten. Ich sehe uns im Auto, meinem geliebten und unvergessenen R 16. Jung und mit wenig Geld, aber mit einer nie zuvor gekannten Abenteuerlust, aber auch mit einer gewaltigen – na, nennen wir es – glücklichen Unbedarftheit. Nichts war geplant oder gar perfekt. Entscheidungen fielen aus dem einen Moment für den nächsten. Es gab de grobe Richtung, mehr nicht. In Amboise hatten wir auf einem Parkplatz übernachtet, der sich sehr früh am folgenden Morgen lauthals als Marktplatz herausstellte. Weiter gings danach von der Loire fort Richtung Atlantikküste. Diese Gegend hat mich seitdem nie wieder losgelassen. Auf Cap Ferret, einer Halbinsel am Bassin d’Arcachon fanden wir eine Jugendherberge, die gleichzeitig auch Campingplatz war. Aufgrund des großen Andrangs mussten wir eine weitere Nacht vor den Toren im Auto verbringen, ehe man uns am anderen Morgen einließ. Man brauchte nur eine Düne zu meistern und man war am Meer. Wahnsinn!! Einen regnerischen Tag nutzten wir für einen Trip nach Bordeaux. Hier stoße ich jetzt auf einige längst vergessene Fotos und ertappe später mich dabei, wie ich anhand von diesen Bildern und Streetview unseren damaligen Stadtbummel rekonstruiere. Was mir im Groben sogar gelingt. 32 years after. Denn mit der Zeit verwischt sich doch so einiges im Gedächtnis und auch im Herzen, was manchmal heilsam ist. Doch die aktuelle Rückblende schmerzt nicht, sondern zaubert mir einiges an Lächeln ins verschnupfte Gesicht. Der eine oder andere Seufzer wird auch vernehmlich. Und so betont und markiert dies alles nochmals auf ganz eigene Weise, was ich nie vergessen will.