Oh wie ich diesen Film liebe! Immer und immer wieder könnte ich ihn mir anschauen, mich mit Harold verbünden und von Maude lernen, zu Cat Stevens’ Songs tanzen und sie laut mitsingen, intensive Atemübungen machen und alle Gerüche um mich herum wahrnehmen, Banjo spielen und auf Schrottplätzen picknicken… und mich in warme Cordjacken mit Lammfellbesatz kuscheln!
Ich muss mich bei HAROLD & MAUDE einfach mal auf die Kostüme beschränken, weil ich sonst in Sachen Handlung, Humor, Kameraeinstellungen, Dialoge und so weiter so ausschweifen würde, dass es keiner wagen würde, sich die vielen überflüssigen Lobworte durchzulesen. Die Kostüme, aber auch der gesamte Film, sind zeitlos und klassisch mit einem subversivem, schwarzen Humor. Und könnt Ihr Euch noch an den Look of the Day SPACE GLADIATOR erinnern? Da trägt Shahna aus STAR TREK einen silber-futuristischen, recht freizügigen Spacebody und entworfen wurde das ganze von William Ware Theiss. Überhaupt, wer sich mal die STAR TREK Folgen aus den 60ern anschaut, der muss an den Kostümen William Theiss’ grandiosen homosexuellen Geschmack erkennen (die divenhaften Frauen, die irgendwie echt sexuell angehauchten Raumschiffanzüge von Kirk und Spock). Nun und dieser William Theiss war nun auch der Kostümbildner für HAROLD & MAUDE. Abgesehen von der innercharakteristischen Bedeutung der Kostüme fließt da auch ganz stark Theiss’ eigener Stil bei. Die 70er Jahre sind an den Kostümen unverkennbar und dennoch wäre keines der Kostüme in unserer Zeit deplaziert. Ein bisschen Hippie-Stil fließt von Regisseur Hal Ashby ein, der im Film auch einen kleinen Cameo hat. Zum Beispiel trägt er in der Szene eine ganz ähnliche Lammfelljacke wie Harold. Werfen wir also mal einen kurzen Blick auf die Kleidung der Charaktere.
HAROLD (BUD CORT): Harold ist ein exzentrischer, heranwachsender Junge. Die Distanz zu ihm und seiner Mutter, die Kühle und Oberflächlichkeit, die im Haus und in seiner Umgebung herrscht, versetzt ihn ihn eine Außenseiterrolle, weil er sich den Erwartungen nicht anpassen will oder auch nur könnte. Schon seine immense Körpergröße – Bud Cort ist mit Sicherheit 4m groß – lässt ihn deplaziert wirken, ebenso sein leichenblasser Teint und die riesigen Augen. Seine inszenierten Selbstmorde und Friedhofsbesuche eingeschlossen kann man wohl sagen, dass sich Harold von seinen Mitmenschen unterscheidet. Eben darin war er immer mein Held. Was nun seine Kleidung betrifft, so folgt Harold schon mit seiner Haarpracht den zeitgemäßen Standarts. Harold scheint aber die Aufgabe von Kleidung erkannt zu haben und setzt sie gezielt ein. Wenn seine Mutter ihm Datepartnerinnen vorstellt, zieht er nach ihren Erwartungen Anzüge an. Bei seinen Therapiesitzungen imitiert er seinen Psychologen haargenau, nicht nur in der Kleidung, sondern auch in Körperhaltung, während es seinem ignoranten Therapeuten nicht im geringsten auffällt. Harold macht sich mittels seiner Kleidung also auch über die lustig, die ihn so verwundern.
Wenn es um alltägliche Kleidung geht, so zieht sich Harold stets gepflegt an. Die legeren Schlaghosen sehen an seinen dürren, langen Beinen sehr adrett aus, gerade mit den Jacken und Jacketts darüber. Wo sich Harold zu Beginn monochrom kleidet, meist in Schwarz und Grau, greift er später auf bunte Farben und Muster zurück, nachdem Maude ihm Leben eingehaucht hat. Frocktalk analysiert:
“His transition goes as follows: 1) Miserable momma’s boy, 2) Copycatting the shrink, 3) Loosening up with Maude, 4) the Breakthrough, 5) Color/Life.”
Abgesehen von dieser Entwicklung, muss man jedes Teil seiner Garderobe lieben. Harold scheint eine enorme Auswahl an Jacken zu besitzen, ebenso an Schlaghosen und Hemden/Pullover. Hier also HAROLDS FABELHAFTE JACKENSAMMLUNG:
HAROLDS FABELHAFTE HOSENSAMMLUNG:
Und eine kleine Auswahl an HAROLDS FABELHAFTEN HEMDEN UND PULLOVER:
MAUDE (RUTH GORDON): Und Maude… Mmmmh Maude… Die von keiner anderen hätte gespielt werden können als von der grandiosen Ruth Gordon. 79 JAhre alt und nackt macht sie sich schon gut, aber die Kostüme von William Theiss unterstreichen erst so richtig ihren Typ. Und für die Authentizität ihres Looks hätte kein anderer Kostümbildner sorgen, als Theiss. Ich glaube, um so einen Charakter Auch Maude scheint eine große Jacken- und Mantelsammlung zu besitzen. Erst sehen wir sie in einem grau-beigen Wollmantel, dann in einem braunen, schleßlich in einem weißen Trenchcoat oder einer knallgelben Regenjacke. Maude führt stets ein Seidentuch bei sich, das sie sich entweder auf den Kopf bindet oder als Schal trägt. Das signifikanteste ihres Looks sind ihre angebundenen Zöpfe, die an eine junge Milchmagd aus einer anderen Zeit erinnern. Maude strahlt die Lebensfreude und Neugierde eines kleinen Kindes aus, daher ist ihre Kleinmädchenfrisur nicht weit hergeholt, sondern unterstreicht im Gegenteil nur ihre innere Jugend. Außerdem geht die fast 80-jährige MAude eine Beziehung mit dem 18-jährigen Harold ein, da wirken gerade solche Details auf den Zuschauer, der sich zwar des Alters dieser Dame bewusst ist, aber gleichzeitig von ihrer Jugendlichkeit überwältigt ist. Maude lässt sich einfach nicht auf ein Alter festlegen, weder in ihrer Lebensführung, noch in ihrer Kleidung.
Und dann gibt es da noch diese intimen Szenen. Sie spielen in Maudes Behausung (einem umfunktionierten Güterwaggon!). In der ersten Szene trinken und reden Harold und Maude gemütlich auf dem Boden und Maude trägt ein blau-rot-gelbes, bodenlanges Samtkleid, die Haare elegant hochgesteckt und mit einer Blume geschmückt. Sie ist auch so süß geschminkt, mit blauem Lidschatten, sehr feminin und divenhaft. Später ist es fast die selbe Aufmachung, nur dass Maude statt des Kleides einen blauen Seidenkimono trägt und die Blume in ihrem Haar ausgeprägter ist. Und schließlich an ihrem 80. Geburtstag trägt Maude einen langen, orange-geblümten Rock mit passender Weste über einem weißen Spitzenhemd mit Glockenärmeln und Schulterraffungen. Oh Gott, diese Frau ist so süß und zusammen mit ihren Blümchen würde ich sie gerne so ganz fest umarmen und knuffen!
MRS. CHASEN (VIVIAN PICKLES): Harolds Mutter ist alleinerziehend und scheint, trotz ihrer derben Oberflächlichkeit, einen aufkeimenden Feminismus in sich zu tragen. Zumindest ist sie ne Powerfrau, doch bei ihrem Überlebenskampf scheint sie jegliche Emotionen abgeschaltet und vergessen zu haben, worauf es im Leben wirklich ankommen sollte. Die Hilfeschreie ihres Jungen ignoriert sie; statt für ihn da zu sein, versucht sie sich gesellschaftlich zu etablieren und führt ein richtiges Socialite-Leben. So ignorant sie auch ist (wie offenbar die restliche Gesellschaft im Film), ihre Wertschätzung der Oberfläche drückt sich immerhin positiv auf ihre Kleidung aus, denn Mrs. Chasen ist stets perfekt kostümiert. Zu Anlässen trägt sie Perrücke und perfektes Make-up. Während sie mal selbstbewusst schwarze, elegante Aufzüge trägt, trägt sie ein anderes Mal göttinnengleiche Kleider. Jedes ihrer Outfits ist ein in sich geschlossener Look, der was anderes darstellt. Eine Mutter, eine Gastgeberin, eine Geschäftsfrau. Einmal trägt sie sogar eine fast schon lächerliche Cowboykostümierung. Und sogar privat, ohne jegliche Zuschauer, inszeniert sie ihren Auftritt, so die Szene am Pool, als sie sich bei klassischer Musik feierlich ihren Mantel abwirft und mit ihrer Badekappe in das Wasser eintaucht, währen Harold mal wieder einene seiner Tode inszeniert. Ja, Mrs. Chasen ist immer irgendwie over the top, extrem glamourös, erhält ihre Fassade aufrecht, vor allem sich selbst gegenüber. Und ihre emotionale Kühle und Oberflächlichkeit gepaart mit der Übertriebenheit ihrer Kostüme lässt sie als unmittelbarer Mitmensch von Harold extrem absurd wirken und steht somit gleichzeitig für die gesamte absurde Gesellschaft.
Zuletzt noch einige Bilder der drei Dates von Harold, die ihm seine Mutter verschafft. Candy, Edith und Sunshine sehen nicht nur ebenso absurd aus, wie Mrs. Chasen und all die anderen Randfiguren, sie tragen überdies noch lächerliche Namen. Die erste Dame erscheint in einem langen lila Rock mit lilanem Stretchpullover, lilaner Strumpfhose und lilanen Schuhe. Ein großer Taillengürtel schnürt ihren Bauch zurück und die Gute wirkt sehr kostümiert, als hätte sie sich besonders herausgeputzt. Die zweite Datepartnerin kommt in einem biederen Rüschenkleid mit Glockenärmeln und weißer Strumpfhose. Der Kurzhaarschnitt vermittelt Selbstbewusstsein, doch ihre Spießigkeit kann nicht überdeckt werden. Schließlich Sunshine, die Schauspielerin, die zu ihrer weiten Hose einen Glockenärmelpullover im Missoni-Muster trägt, ihre Haare unter einer weiten Mütze trägt, die Schläfenlocken raffiniert eingedreht. An ihrem Hals trägt sie einen besonderen Schmuckaufsatz, der für Modeliebhaber natürlich ein wahres Schmuckstück bedeutet, für den Film selbst aber vermutlich wieder diese absurde Übertreibung darstellen soll.