Heute gibt es mal wieder einen Test und zwar einen, den es noch nicht gab. Einen Autotest. Wir nehmen uns den Volkswagen Passat TDI SEL Premium zur Brust. Dieses Modell gibt es nur in den USA und es ist nicht direkt mit dem deutschen Passat vergleichbar. Nicht nur der Preis ist deutlich niedriger, auch die Ausstattung ist komplett anders. Aber eins nach dem anderen. Der Wagen würde in Deutschland in Euro und mit deutscher Mehrwertsteuer ca. 29.900 Euro kosten. Das ist die Maximalausstattung. Das Modell geht in Deutschland in Minimalausstattung bei 31.750 Euro los.
Aber man kann Äpfel und Birnen schlecht vergleichen. Also machen wir uns an den Test.
Das Besondere
Das Besondere am Passat TDI ist das TDI. Für amerikanische Verhältnisse sind Dieselmotoren in PKWs fast Neuland. Diesel ist in Deutschland in der Klasse extrem gut verkauft, hier eher nicht. VW hat aber mit dem Jetta und Passat TDI geschafft, hier die Dieselumsätze zu treiben. Ein Grund ist der Kraftstoffverbrauch, obwohl Diesel pro Gallone rund 20 bis 50 US-Cent mehr kostet.
Der US-Passat wird in den USA gefertigt und zwar in Chattanooga, Tennessee. Das Modell ist übrigens auch als Passat NMS bekannt.
Die Karosserie
Der Wagen ist 4,87 m lang und damit vergleichbar zu seinem deutschen Bruder. Allerdings kann man im Vergleich der Bilder sehen, dass die US-Fassung etwas grösser und sportlicher wirkt. Leider gibt es in den USA keinen Kombi. Witzigerweise sollte der US Passat eigentlich 10 cm länger sein als das deutsche Modell, wenn man aber in die Datenblätter bei VW Deutschland schaut, dann steht beim deutschen Passat auch 4,87 m. Frage ist, wer hier falsch liegt.
Türen fallen satt ins Schloss und man hat ok Rundumsicht. Leider hat der Wagen keine Einparkpiepser, so dass man nach hinten schätzen muss, wie lang der Wagen ist. Glücklicherweise ist hier in den USA alles etwas grösser und so kann man auch ohne Piepsen gut einparken. Man hat halt genug Platz.
Der Motor
Volkwagen verbaut den 103 kW (140 PS) BlueTDI, der hier Clean Diesel heisst. Dieser Motor ist in Europa optional zu haben und schafft die Euro 6-Norm. Er hat eine Harnstoffeinspritzung, um den Stickoxidausstoss zu minimieren und damit die strenge US-Norm zu schaffen. Zuvor waren zum Beispiel Diesel in PKWs in Massachusetts verboten. Einzig schwere Trucks und Pickups durften Diesel haben, also alles, was kommerziell unterwegs war. New Hampshire hatte zum Beispiel diese Einschränkung nicht, trotzdem hatte VW keine Diesel angeboten.
Der neue Passat und der neue Jetta werden aktiv mit Dieselmotoren beworben und man sieht jede Menge TDIs auf den Strassen. Auch der Tiguan ist mit Diesel unterwegs. Das Drehmoment schlägt jeden normalen Sechszylinder und der Verbrauch schlägt quer durch die Bank fast jeden Vierzylinder-Benziner. Einzig die ganze kleinen Autos und der Prius sind eine Verbrauchskonkurrenz.
Kalt ist der Motor etwas lustlos unterwegs und nagelt sichtlich. Es dauert ein kleines Stück bis er sichtlich Drehmoment und Motivation gewonnen hat. Es ist nicht so, dass man nicht damit fahren kann, aber man merkt, dass der Motor nicht weich und ruhig ist.
Die Ruhe stellt sich ein, wenn er auf Betriebstemperatur gekommen ist. Wobei er knurrig und leicht aufdringlich bleibt, wenn man mal draufdrückt. Der Diesel scheint weniger geräuschisoliert als in Deutschland. Irgendwo muss der Preisunterschied ja herkommen.
Wenn man lange Strecken auf der Interstate fährt oder normale US-Highways nimmt, also ohne viele Ampeln, dann kommt der Wagen mit 4,9 l/100km (48 mpg) laut Bordcomputer aus. Wenn man durch die Vorstädte muss und normalen Verkehr hat, dann ist man mit 6,6 l/100km (35 mpg) dabei. Erwischt man den morgendlichen fetten Verkehr und kommt nicht dazu, den Wagen gleiten zu lassen, dann schlägt das leider mit 10,0 l/100km zu Buche.
Für die typischen US-Vorstädte und die morgendliche "Rush Hour" sollte man überlegen, ob man nicht doch eine Start-Stopp Automatik einbaut. An amerikanischen Ampel steht man bis zu zwei Minuten, da muss das Ding nicht rumtuckern. Zumal der Ruheverbrauch laut Bordcomputer bei 0,8 bis 1,0 l/h liegt.
Das Getriebe
Volkswagen bietet den Passat und auch den Jetta in den USA mit DSG oder Handschaltung an. Die Handschaltung scheint sich gut zu verkaufen, denn wenn ich in einige VWs reinschaue, ist da oft ein Schaltknüppel zu sehen. Gehört wahrscheinlich zum Image, wenn man einen europäischen Automacher wählt.
Mein Modell hat aber das bekannte 6-Gang DSG. Der bekannte Vorteil ist der Verbrauchsvorteil gegenüber einer Wandlerautomatik ohne grössere Komforteinbussen. Man hat halt eine Automatik, aber gleichzeitig ein richtiges Getriebe mit hohem Wirkungsgrad. Gerade im Vergleich zu den üblichen US-Automatiken, ist das quasi wie Handschaltung. Meine meisten US-Mietwagen leiern ohne Ende und von der Leistung des Motors kommt selten alles auf der Strasse an. Selbst kleine Hügel werden mit Hochdrehen quittiert. Übertroffen wurde das nur durch die Automatik der alten Mercedes A- und B-Klasse. Eine Schande für Mercedes.
Insgesamt kann man sich über das DSG nicht beschweren. Schaltet zeitig und nutzt den Diesel, lässt das Drehmoment arbeiten und nicht die Leistung. Das ist sehr angenehm und entspannend. Auch schaltet das DSG nicht wild runter, wenn man etwas schneller werden will, aber nicht springen muss. Auch schaltet es am Berg sehr zögerlich runter und lässt das Drehmoment das Auto ziehen.
Das Getriebe geht nicht in Leerlaufstellung, wenn man steht. Hier geht natürlich wieder Sprit verloren, aber man wird wohl damit versuchen, das unruhige Hoppeln durch den Stau zu vermeiden.
Wenn der Motor kalt ist, passiert es manchmal, dass es etwas ruckelt oder das Getriebe länger zum Schalten braucht. Fast, als würde sich das Ding verschlucken. Gelegentlich ist es auch etwas zögerlich mit dem Schalten und dreht noch den Motor einige Sekunden. Wahrscheinlich ist der Fahrzustand nicht eindeutig genug.
Praktisch ist, dass das DSG auf manuelle Schaltbefehle hört, also man bewusst hochschalten kann und es in den meisten Fällen auch keine gegenteilige Meinung hat und stur auf seine Sicht der Dinge beharrt.
Das Fahrverhalten
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Im Bezug auf das Fahrverhalten kann man nicht meckern. Nicht zu weich, nicht zu hart. Recht ordentlich auf der Strasse. Man darf die Lochpisten nicht vergessen, die in Massachusetts den Namen Highway tragen. Es schmerzt schon, durch die Dinger zu hauen, weil man nicht ausweichen kann oder einfach die Dinger nachts nicht sieht.
Die Bremsen könnten etwas bissiger sein. Sie sind nicht schwammig, aber ich vermisse die typische Bremskurve der europäischen Autos.
Die Reifen sind der letzte Mist. Bei schnellen Kurvenfahrten hört man, dass sie auf dem Rad rollen, obwohl der Luftdruck stimmt. Bei Regen kann einem schlecht werden. Zudem kämpfen sie damit, die Kraft des Motors auf die Strasse zu bekommen. Typische US-Konfiguration halt. Harter Gummi, damit die Dinger lange halten, Universalprofil, weil auch der Winter damit abgedeckt werden muss und weich auf der Flanke, damit die Löcher und Kanten weggebügelt werden.
Die Ausstattung
Der Wagen hat die Maximalausstattung. Soundsystem von Fender, Navi und Bordcomputer, sowie ein Sonnendach. Hier aber die kleine Version und nicht das riesige Dach, was schon ein Glasshimmel wäre.
Das Navigationssystem ist ok. Recht genau und es nervt nur selten mit "Jetzt umdrehen". Leider ist der Touchscreen altmodisch und bekommt den Fingerdruck oft nicht mit. Etwas nervig.
Das Licht an US-Autos ist immer abgrundtief schlecht. Man sieht soviel, wie mit Autos Ende der 80er in Deutschland. Das liegt vor allem an der Lichtnorm, die kein asymmetrisches Abblendlicht erlaubt und auch die Höhe des Lichtes sehr einschränkt. Grund sind die vielen Stellen in den USA, wo man plötzlich auf der rechten Seite Gegenverkehr hat. Auch wenn man eine Betonwand dazwischen hat, würde man die anderen mit asymmetrischem Licht blenden.
Der Passat hat zwar Abbiegelicht, aber nur über die Nebelscheinwerfer. Kurvenlicht ist nicht lieferbar. Xenon auch nicht.
Was ärgert
Die meisten Sachen wurden bereits angesprochen, aber hier nochmal zusammengefasst:
- Reifen: Bitte vernünftige Pneus.
- Navi: Ein weniger störrischer Touchscreen.
- Start-Stopp: Um die langen Ampelphasen vernünftiger zu überstehen.
- Parkpiepser: Die Übersicht ist nach hinten nicht super. Parksensoren wären toll.
- Licht: Hier ist wohl nicht viel Raum durch den Gesetzgeber...
- Regensensor. Der kann doch nicht teuer sein und wäre eine prima Ablösung der altmodischen Intervallschaltung.
Verschiedenes
Es ist manchmal schwer eine passende Tankstelle zu finden, denn viele kleine Markentankstellen oder Nichtketten, haben keinen Diesel. Was zwar nervig ist, aber bei 1300 km im Tank doch durchaus auszuhalten ist.
Diesel kostet in den USA mehr als Normalbenzin. Der Unterschied liegt zwischen derzeit zwischen 20 und 50 US-Cent pro Gallone (3.8 l). Der Verbrauchsvorteil spielt den höheren Preis mehr als lässig ein. Diesel schwankt auch deutlich weniger im Preis im Vergleich zu Benzin. Während Anfang Mai die Differenz bei unter 20 US-Cent lag, muss man drei Wochen später mit fast 50 Cent leben.
Fazit
Der US-Passat ist ein passables Auto. Nicht umsonst teilen sich beide Wörter den "Pass"-Wortstamm :) Gutes Fahrverhalten, extrem langstreckentauglich, viel Platz, gutes Navi (vom Touchscreen abgesehen). Der Innenraum wirkt wertig und die Bedienung ist logisch und einfach.
Störend sind die Kleinigkeiten, die man aus Europa kennt, wie Start-Stopp, Regensensor und Parksensoren. Auch sind die Reifen unterirdisch und man sollte sie eigentlich gleich wechseln. Bei Nachtfahren stört das unterirdische Licht, aber da macht der Passat keine Ausnahme, denn die US-Lichtnorm ist sehr einschränkend und lässt wenig Spielraum.
Für extremen Kurzstreckenverkehr und die morgendliche "Rush Hour" scheint er mir nur bedingt geeignet. Ich weiss nicht, ob das DSG das auf Dauer mitmacht. Zudem spielt der Diesel hier nicht seinen Verbrauchsvorteil aus. Da wäre ein Dieselhybrid super, der 2-3 km langsam ohne Motor schafft und so durch den Stau rollen kann. Wenn die Strasse wieder frei ist, dann kann das Auto wieder konventionell rollen.
Der US-Passat ist ein vernünftiges Auto, dass europäisches Flair mit amerikanischen Preisen verbindet. Man merkt die Kompromisse, kann sich aber damit arrangieren, weil man immer alles im Vergleich sehen muss.