„Was die Vielfalt seiner Rebsorten angeht, ist Italien eines der reichsten Länder der Erde. In seinen Weinbergen wachsen rund 350 bekannte Varietäten. Einige sind weltberühmt: Nebbiolo und Sangiovese etwa. Aus ihnen werden die grossen piemontesischen und toskanischen Rotweine erzeugt. Andere haben nur regionale oder lokale Bedeutung. Weitere 330 namentlich bekannte Rebsorten existieren nur noch als genetisches Material in Genbanken. Und schließlich gibt es schätzungsweise 1200 Sorten, die noch gar nicht katalogisiert sind, weil von ihnen nur noch einzelne Stöcke existieren. Italien besitzt also einen großen Rebenschatz. Ihn zu erforschen, wird die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte sein.“
Autochthone Weine aus Italien
Knapp die Hälfte der 350 bekannten Varietäten besitzt derzeit keine kommerzielle Bedeutung mehr. Als Folge der fortschreitenden Verbreitung internationaler Sorten wie Chardonnay, Sauvignon, Merlot, Syrah und Cabernet Sauvignon – auch in Italien – sind sie nur noch in kleinen Mengen vorhanden. Viele kämpfen ums Überleben. Deshalb machen sich Rebenforscher, Politiker und Weingutsbesitzer Gedanken um das „ampelografische Erbe“ ihres Landes, so Giuseppe Martelli, Präsident der Vereinigung italienischer Önologen und Kellertechniker (Assoenologi). Den Rebschatz zu erhalten und zu erforschen, besitzt hohe Priorität im zweitgrößten Weinproduktionsland der Welt. Mehrere staatliche und private Projekte sind initiiert worden, um die alten, autochtonen Reben zu erhalten und auf ihr qualitatives Potenzial hin zu untersuchen. Ziel: Die hochwertigen Sorten zu selektieren, um verstärkt Weine mit Bezug zu ihrer Herkunft, zur Geschichte, zur Kultur zu fördern und sich so von unzähligen anonymen Weinen unterscheiden zu können, die heute vor allem aus den osteuropäischen und überseeischen Ländern kommen. „Die Konsumenten erwarten, daß der Wein eine territoriale Identität besitzt“, formuliert Martelli programmatisch. Sind es doch Rotweine aus Sorten wie Aglianico und Nero d’Avola aus Süditalien, wie der Sagrantino aus Umbrien oder wie der Südtiroler Lagrein, die in der Weinwelt heute schon unverwechselbare Akzente setzen. Und auch bei den Weißen hat Italien hochklassige, unimitierbare Weine im Sortiment wie Greco, Fiano und Falanghina aus Kampanien oder wie Friulano (Tocai) und Ribolla aus dem Friaul. Martelli: „Wir merken schon heute, daß die internationalen Märkte Italiens Bemühungen honorieren, hochwertige Weine aus eigenen, autochthonen Rebsorten zu erzeugen.“
Wein aus Italien bei www.gerardo.de
Worauf beruht der Erfolg internationaler Sorten?
Freilich haben auch in Italiens Weinbergen die internationalen Erfolgssorten in den letzten Jahrzehnten Fuß gefasst und viele einheimische Reben verdrängt. Vor allem die Rebsorte Merlot erfreut sich bei den Winzern nahezu aller italienischer Regionen großer Beliebtheit. Sie verspricht, Weine von internationalem Format zu liefern, die den Geschmacksvorlieben vieler Weinfreunde weltweit entgegenkommen. Die rote Syrah und die weiße Sauvignon-Rebe haben in vielen Regionen ebenfalls die Weinberge erobert, während Cabernet Sauvignon und Chardonnay nach einem stürmischen Vormarsch mittlerweile an ihre Grenzen gestoßen zu sein scheinen und wieder rückläufig sind. Worauf beruht der Erfolg dieser (und ein Dutzend anderer) internationaler Sorten? Sie besitzen dank wissenschaftlicher Erforschung ihrer DNA-Substanz und genauer klonaler Selektion Eigenschaften, die garantieren können, daß sie auch außerhalb ihrer angestammten Gebiete qualitativ hochstehendende Weine hervorbringen. Von diesem Zustand ist Italien noch ein Stück entfernt. Erst wenige seiner zahlreichen autochthonen Sorten sind genau erforscht, homologisiert (auf genetische Ähnlichkeiten hin untersucht) und selektiert.
„Ich bin fest überzeugt, daß sich aus vielen noch unbekannten italienischen Rebsorten große Weine erzeugen lassen.“ – Stefano Chioccioli, Agronom
Wir bedanken uns recht herzlich bei Dr. Jens Priewe sowie dem Italienischen Institut für Aussenhandel für die freundliche Unterstützung.