Authentizität buddhistischer Texte

Warum Titel und Einleitung bei buddhistischen Texten so wichtig sind.

Authentizität buddhistischer TexteDie Tibeter sind recht genau in ihren Übersetzungen und Textsammlungen und stehen auf Titel, Überschriften und einleitende Floskeln. Bei den indischen Texten steht immer zuerst der indische Titel, dann die tibetische Übersetzung und dann eine Verehrung. Dadurch werden die Authentizität und die Textkategorie dargestellt. Sie haben eine Art Code am Anfang von jedem Text, der es ermöglicht, das Ding sofort in eine Kategorie zuzuordnen.
Diese Vorgehensweise wurde bereits zu Beginn der Übersetzungstradition festgelegt und hat sich bis heute bewährt. Somit weiß der Leser immer gleich, worum es im großen und ganzen in dem jeweiligen Text geht.

Tripitaka

Für die drei Lehrkörbe haben sie die Sutras immer mit einer Verehrung an die Buddhas und Bodhisattvas, da die Sutras von den Buddhas und Bodhisattvas gelehrt wurden. Die Texte der Vinaya beginnen immer mit einer Verehrung an Buddha Shakyamuni, da er als der überragende Führer in der ethischen Disziplin gilt. Die Texte des Abhidharma beginnen immer mit einer Huldigung von Manjushri, da dieser den Abhidharma gelehrt hat.

Tantra

Die Tantras hingegen stehen ja außerhalb der drei Lehrkörbe und beginnen immer mit den jeweiligen Respektbezeugungen an ihre ursprünglichen Übermittler. Bezieht sich der Text auf einen Schatztext (tib., gter ma) von Guru Rinpoche, dann beginnt der Text meist mit „namo guru padma kara ye“ oder wenn es eine Dakini-Übermittlung ist, dann schon mal mit „namo daki ye“ usw.
Auch ist bei einem Schatztext (Terma) das Dakini-Zeichen zu Beginn angeführt. Ein „Dakini-Zeichen“ ist eine Silbe oder eine kryptisches Gekritzel, aus dem der betreffende Tertön (Schatzfinder) diesen betreffenden Text dann entschlüsselt hat.
Daher sollte man sich bei Übersetzungen immer um eine möglichst genaue Übertragung des gesamten Textes bemühen und nicht Teile davon gering schätzen.

Wenn also ein Sutra oder ein Tantra mit „Einst habe ich gehört…“ beginnt, dann ist das der Hinweis, dass diese Lehre mündlich übertragen wurde. Im Sanskrit steht dann „evam maya srutam ekasmin samaye bhagavan…“ also „Dies habe ich gehört: ‚Einst weilte der Bhagavan…‘.“ Allein schon die Silbe „evam“ ist voller Symbolgehalt und repräsentiert die Bhaga – den spirituellen Schoß der Schöpfung – aus der alles entspringt. Teile dieser Textanfänge als unbedeutend zu erklären oder einfach aus Unkenntnis wegzulassen, schmälert die vollständige Übertragung.


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