Das hört sich doch gut an. Oder? Vom Job eine Auszeit nehmen (oder neudeutsch auch Sabbatical genannt) und einfach LEBEN und die Welt entdecken. Das war zumindest mein Traum – der wurde nicht von einem Tag auf den nächsten geboren, aber entstand nach und nach und wuchs im Laufe meines Berufslebens immer stärker heran.
Vor wenigen Tagen hat mich meine Firma gebeten für unsere interne Firmenzeitschrift ein paar Worte zu meinem Sabbatical zu verfassen. Dies nehme ich auch zum Anlass auch hier in meinem Reiseblog ein paar persönliche Worte zu dem wie und warum zu schreiben. Es sind viele Fragen die an mich im Vorfeld zu meiner Weltreise und auch währenddessen gestellt wurden und die ein oder andere interessiert vielleicht auch Dich. Vielleicht geht es Dir ja ähnlich …
Warum hast Du Dich für diese Auszeit – oder neudeutsch ein Sabbatical – entschieden?
Direkt nach der Schule und meiner Zeit bei der Bundeswehr startete ich mein Duales Studium (Berufsakademie). Bereits in den ersten Wochen war ich im Sog gefangen: ich habe versucht viele Projekte und Aufgaben mitzunehmen, zu Lernen und mich in vielem einzuarbeiten. Mein Studium war betriebswirtschaftlich – die Projekte eher IT-lastig. Es machte Spaß – unheimlichen Spaß sogar. Ich war mit Begeisterung und Engagement bei der Sache. Die Aufgaben wuchsen und veränderten sich und die Verantwortung stieg. Vom Studenten hatte ich es über Teilprojektleitung und Projektleitung schließlich zum Bereichsleiter “geschafft”. Kollegen schenkten mir Ihr Vertrauen und wählten mich sogar in den Aufsichtsrat. So vergingen die Jahre. Zu der gestiegenen Verantwortung und der gleichbleibend hohen Arbeitslast kamen aber zunehmend Dinge hinzu, die mir nicht gefielen. Immer häufiger ärgerte ich mich über zu viele Dinge im Unternehmen, die sich meiner Meinung nach in vielen Dingen eher in das Negative hin entwickelt hatten. Aber war das wirklich so? Oder war ich mittlerweile zu sehr in der Alltagsroutine gefangen und störte mich an eher Kleinigkeiten? War ich doch mehr als 15 Jahre im gleichen Unternehmen und mehr 10 Jahre im gleichen Projektumfeld tätig. Brauchte ich eine Abwechslung? Ja, die brauchte ich! Ich musste Abstand gewinnen und etwas ganz anderes machen. Das alles führte letztendlich zu mehreren Gesprächen mit meinen Vorgesetzten und letztendlich auch mit Kollegen und Kunden.
Erst die Fremde lehrt uns,
was wir an der Heimat haben.
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Hast Du keine Angst vor der Zeit nach dem Sabbatical? Befürchtest Du keinen Karriereknick?
Ein Sabbatical zu nehmen war mit Sicherheit keine leichte Entscheidung für mich – aber aus aktueller Sicht die absolut Richtige! Mittlerweile bin ich seit 8 Monaten reisend unterwegs. Während dieser Zeit habe ich sehr viel gesehen und erlebt:
- einen perfekten Start bei einem kurzen Zwischenstopp in Seoul (Südkorea) gehabt,
- die Schönheit und Vielfältigkeit der Landschaft bei meiner Reise über die Nord- und Südinsel in Neuseeland genossen,
- eine der höchsten Gebäude der Welt und andere Gebäude bei einem Zwischenstopp in Kuala Lumpur (Malaysia) bewundert,
- mich über die Gastfreundschaft und die Inselwelt der Philippinen gefreut,
- eine sehr schöne, aber auch anstrengende Reise vom Süden in den Norden vom Vietnam gehabt,
- mich bei einem Fitness- und Thaibox-Training in Thailand für die weitere Reise fit gemacht,
- mit Nepal eines der ärmsten Länder der Welt besucht, bewandert und lieben gelernt und eines der von Westernacher unterstützten Hilfsprojekte besucht
- konnte mich nicht lang genug in einer der für mich aufregendsten Städte die ich gesehen hatte aufhalten: Hong Kong
- wurde herzlichst von unseren Kollegen in Shanghai (China) empfangen und mit Insidertipps versorgt (Danke dafür!)
- war mehr als begeistert von der Freundlichkeit, der Kultur, Geschichte und Landschaft von Japan
- habe mich von der Weite und teilweise skurrilen Landschaft eines kleinen Teils des Westens der USA verzaubern lassen
- und genieße derzeit meinen Einstieg in mein Abenteuer Lateinamerika im faszierenden Mexiko mit unglaublich netten Menschen
Und, was hast Du die letzten 8 Monate so erlebt? … zugegeben provokative Frage, aber warum sie nicht auch mal stellen?
Ob ein Sabbatical nun gut oder schlecht für die eigene Karriere ist, weiß ich derzeit noch nicht. Ehrlich gesagt habe ich mir die Frage im Vorfeld natürlich auch gestellt, aber sie rückte nach und nach immer weiter in den Hintergrund. Ich genieße diese Zeit jetzt in vollen Zügen und denke erst mal noch nicht an morgen. Ich befinde mich nun aber auch in der glücklichen Situation, dass ich in einem sehr modernen und mitarbeitergeführten Unternehmen arbeite und zudem auch ein kleines finanzielles Polster angespart habe. Außer für mich selbst, muss ich derzeit für niemanden weiter verantwortlich sein. Das macht es etwas einfacher, beruhigt natürlich und lässt es mich auch etwas lockerer sehen. Ich habe aber in den letzten Monaten viele Leute getroffen und Beiträge von vielen gelesen – und von niemanden habe ich gehört, dass ein Sabbatical und ganz besonders eine längere Reise (beruflich) geschadet hätte. Meistens ganz im Gegenteil …
Und wenn alle Stricke reisen muss ein Plan B her – man muss eben nur etwas flexibel sein. Beispielsweise sitze ich während ich diese Zeilen schreibe in einem netten kleinen Café in Oaxaca in Mexico zwischen Conni von Planetbackpack.de und Patrich von 101places.de … beide sind im Vergleich zu mir professionelle Reiseblogger und bezeichnen sich selbst als “digitale Nomaden”. Sie haben Ihre Leidenschaft das Reisen nun zum Beruf gemacht. Es ist sehr interessant von Ihnen einen Einblick eine ganz andere Welt im Vergleich zu dem mir bisher bekannten Angestelltendasein zu bekommen. Möglichkeiten gibt es also – man muss (wie häufig) eben nur selbst die Initiative ergreifen, hart daran arbeiten und an sich selbst glauben.
Warum eine Weltreise und nicht etwas anderes?
Es gibt viele Dinge die ich machen möchte – zu viele um ehrlich zu sein. Jedoch dreht sich letztendlich alles darum Erfahrungen zu sammeln, Menschen und Kulturen kennen zu lernen und von ihnen zu lernen, anderen zu helfen und natürlich auch sich eine Auszeit vom Alltag zu gönnen. Das alles ist beim Reisen sehr gut möglich. Ich liebe einfach die Abwechslung, die Herausforderung und das Entdecken. So entschied ich mich während meines Sabbatical eine Reise rund um die Welt anzutreten. Jedoch ohne konkrete Route, sondern ich wollte mich treiben lassen und da bleiben wo es mir gefällt oder meine Hilfe benötigt wird und an anderen Orten vielleicht schnell weiterziehen.
Der Sinn des Reisens besteht darin, unsere Phantasien durch die Wirklichkeit zu korrigieren. Statt uns die Welt vorzustellen, wie sie sein könnte, sehen wir sie wie sie ist.
Samuel Johnson (1696 – 1772)
Bisher war ich tatsächlich aber mehr reisend, als helfend unterwegs – aber ich habe ja noch ein paar Monate vor mir und wer weiß wo und welche Gelegenheiten sich noch ergeben. Es müssen auch nicht immer die großen Taten sein. So denke ich auch heute sehr häufig an ein einen Rikscha-Fahrer in Nepal zurück, der mir ohne finanzielles Interesse viel von sich, seiner Familie und dem doch sehr harten (Über-)Leben in Nepal erzählte und sich vor Dankbarkeit am Ende unseres Gespräches fast überschlagen hätte. Oder eine obdachlose ältere Frau in Kalifornien, mit der ich mehrere Stunden an meinen letzten zwei Abenden in den USA verbrachte, mein Essen und Trinken teilte – einfach weil mich ihre Geschichte interessierte. Vom Mann geschlagen, abgehauen, spielsüchtig geworden, Job verloren und auf der Straße gelandet … und dort nun seit mehr als 15 Jahren. Eine ihrer größten Träume sei es, so sagte sie mir, in den Yosemite Nationalpark zu gehen (Anmerkung: der liegt nur wenige Kilometer entfernt, aber ohne Auto und Geld ein unerreichbares Ziel). Und bei beiden war es weniger das bisschen Geld was ich ihnen jeweils zukommen lassen habe, wofür sie sich bedankten. Es war einfach mein offenes Ohr und die Zeit die ich Ihnen schenkte. Und ganz ehrlich, wie häufig habe ich das während meines “normalen” Alltags gemacht wo ich mehr oder weniger von einem Termin zum nächsten rannte?
Ist eigentlich bisher alles so gelaufen wie Du es Dir vorgestellt hast?
Diese Frage kann ich mit einem klaren JA beantworten. Was ich mir erhofft hatte, war nämlich: Abwechslung, Flexibilität und das Gefühl von Freiheit. Und das alles habe ich und genieße es in vollen Zügen. Da ich keine feste Route habe, bin ich in meinen Entscheidungen und Zeitplänen (weitestgehend) flexibel. Ganz anders als im durchorganisierten Arbeitsalltag früher. Ich lerne fast jeden Tag so viele interessante (aber teilweise auch skurrile) Menschen kennen und freue mich darüber. Auch versuche ich mir nicht zu viel vorzunehmen und lieber einen Tag länger an einem Ort verweilen … einfach auch mal treiben lassen. Wenn man mehrere Monate unterwegs ist, kann man nicht ein straffes Programm durchziehen. Es geht viel mehr darum eine schöne Zeit zu haben und nicht eine Checkliste mit Sehenswürdigkeiten abzuhaken.
Aber es gibt natürlich auch “Schattenseiten”: man lernt viele Menschen kennen und eigentlich dann doch wieder nicht. Denn vieles ist aufgrund der Kürze der Zeit (natürlich) sehr oberflächlich. Feste Freundschaften die dauerhaft bestehen gibt es wohl eher selten. Umso schöner zu wissen, dass Freunde und die Familie zu Hause einen nicht vergessen haben und ich sie auch nicht vergessen werde. Ebenso verbringt man (zu) viele Stunden im Internet während des Reisens. Ob es die Suche nach der Reiseroute, Übernachtungsmöglichkeit oder ganz einfach der Kontakt zu Freunden und Familie ist. Das alles benötigt Zeit … manch mal leider zu viel Zeit.
Ist es nicht gefährlich und langweilig alleine zu reisen?
Definitiv nicht! Man reist eigentlich nie richtig allein. Wer möchte und aufgeschlossen ist, kann jeden Tag neue und interessante Menschen kennen lernen … und den Tag oder ganze Wochen gemeinsam verbringen. Kontakte lassen sich vor allem in einem Hostel sehr schnell herstellen – Hotels eignen sich da eher nur bedingt dafür. Die Mehrheit der Personen die im Hostel übernachtet, reist alleine oder sucht den Kontakt zu anderen Reisenden – ob nur für ein Gespräch und Erfahrungsaustausch oder gar für gemeinsame Aktivitäten. Schätzungsweise gab es in den nun fast 8 Monaten vielleicht nur zwei Wochen an denen ich “allein” war – ansonsten war ich immer von Leuten umgeben mit denen ich ein paar Stunden oder ganze Tage gereist bin.
Was kostet so eine Reise und welches Land hat Dir bis jetzt am besten gefallen?
Zwei der schwierigsten Fragen und jeder Reisende wird Dir eine andere Auskunft geben. Diese Fragen lassen sich nämlich nicht so wirklich beantworten – es ist von zu vielen Faktoren abhängig. Die Kosten hängen sehr stark von der Art des Reisens und den Regionen ab. Ich hatte sowohl in den Regionen als auch in der Art des Reisens eine verdammt weite Spanne. Versuchte jedoch bisher meist eher Low-Budget zu reisen. Während ich in Nepal für umgerechnet 3 Euro im Hotel übernachten konnte, so war das in Neuseeland und Singapur um einiges teurer. Meine Schlafplätze reichten von kostenlosen Privatübernachtungen über Zeltplätze, Mehrbettzimmern und Schlafkapsel im Hostel, eine Matratze im Kloster, Doppelbetten im Hostel bis hin zu einem Luxushotel (genau eine Nacht). Ebenso die Fortbewegungsmittel variieren und reichen vom Anhalter über lokale Bussen, Touristen- und Nachtbusse, Züge, eigenem Auto bis hin zum Flugzeug. Noch mehr als die Art zu Reisen und zu Übernachten sind die Reiseregionen für die Kosten ausschlaggebend. Wie man mit 10 Euro pro Tag in einem Land sehr königlich leben kann, muss man in einem anderen Land für das gleiche schon mal mehr als 100 Euro ausgeben. Ich bin fester Überzeugung, dass man mit jedem Budget Reisen kann – das Budget ist lediglich ausschlaggebend wie und wo ich reise, aber nicht ob!
Und wie die Region und die Art des Reisens für die Kosten ausschlaggebend sind, so sind es viele andere Faktoren die ein Reiseziel einem besonders gut oder schlecht in Erinnerung bleiben. Damit meine ich beispielsweise das Wetter, die Menschen um einen herum, die Unterkunft, die guten und schlechten Erfahrungen die man beim Reisen in der Region macht usw. … zu viele Faktoren auf jeden Fall, um die Fragen nach dem absoluten Highlight allgemein beantworten zu können. Aus meiner Erinnerung waren meine ganz persönlichen Highlights auf meiner Weltreise bisher:
- faszinierende Städte wie Seoul, Wellington und natürlich Hong Kong
- fantastische Inseln wie Palawan auf den Philippinen oder Aka in Japan
- das Fitness- und Thaiboxtraining mit alten und neuen Freunden in Thailand
- das Reisen in für mich bis dahin völlig unbekannten Ländern wie Vietnam und Nepal
Abschließend möchte ich die Gelegenheit hier aber auch nutzen mich bei meiner Firma, den Kollegen und Vorgesetzten bedanken, welche mir geholfen haben meinen Traum zu verwirklichen. Ebenso natürlich bei Freunden und Familie, die von meiner Idee anfangs begeistert und entsetzt zu gleich waren, aber mich dennoch (wie eigentlich immer) unterstützen.
Hast Du auch schon mal ein Sabbatical genommen? Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Oder denkst Du darüber nach diesen Schritt zu tun? Was interessiert Dich und worüber sollte ich etwas genauer berichten?
Die kommenden Wochen werde ich versuchen nach und nach näher auf das doch interessante Thema Sabbatical und die Auszeit vom Job einzugehen. Ein paar Grundlagen erklären, Modelle vorstelen, weitere Fragen beantworten und die Vor- und Nachteile eines Sabbaticals aus meiner Sicht aufzeigen.