Susan Morrow ist eine genügsame Frau, sie unterrichtet einige Stunden in der Woche an einem Junior-College und hat sich sonst völlig ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter verschrieben. Ihr Mann ist Chirurg, sein Einkommen sichert ihnen einen gewissen Lebensstandard und alles scheint gut zu sein. Doch dann bekommt Susan aus heiterem Himmel Post von ihren Exmann Edward. Keine der üblichen nichtssagenden Weihnachtskarten, sondern ein vollendetes Manuskript. Seine gescheiterten Versuche, als Schriftsteller Fuß zu fassen und seine mangelnde Fähigkeit, mit Susans Kritik umzugehen waren damals unter anderem der Grund für die Scheidung. Susan fasst sich aber ein Herz und liest an drei aufeinanderfolgenden Abenden Edwards Manuskript, das von Tony, einem Mathematikprofessor in Ohio erzählt. Tony ist mit seiner Familie auf den Weg zu ihrem Ferienhaus in Maine, als sie auf dem Highway von drei Rowdys von der Straße gedrängt werden. Tony, der nicht aus seiner Haut kann muss schließlich hilflos zusehen, wie seine Frau Laura und seine Tochter Helen von zwei Männern entführt werden während er vom dritten im Bunde in einem einsamen Waldstück ausgesetzt wird. Susan ist gefesselt vom Roman und fragt sich immer mehr, was Edward ihr mit dem Roman sagen will. Sie findet sich in vielen Verhaltensweisen in seinem Protagonisten Tony wieder und nimmt schließlich ihre eigene Ehe kritisch unter die Lupe…
Was soll ich sagen? Die Kurzbeschreibung hat sich sehr vielversprechend angehört und ein literarischer Thriller, in der es um einen Roman im Roman geht…immer her damit! Leider bin ich bitter enttäuscht worden. Wieso baut man als Autor erst mühsam Spannung auf um sie dann schon beinahe brutal wieder zu zerstören indem man -in meinen Augen- banales Geplänkle dazwischen schiebt? Susans Gedanken zu Edwards Manuskript sind weder sonderlich originell noch berühren sie mich. Ihre Geschichte wird erzählt, allerdings lässt sie mich völlig kalt. Eine eigentlich intelligente, emanzipierte Frau, die sich aber vollkommen ihren Ehemann unterordnet, der sie vermutlich immer noch mit einer Arzthelferin betrügt während sie brav kuscht…ich kann leider nicht anders, als mit den Augen zu rollen.
Diese Weibchen-Nummer, in der die Frau schließlich erkennt, dass sie sich vielleicht doch nicht zu sehr ihren Mann unterwerfen hätte sollen…das ist einfach nicht meine Baustelle. Für mich macht das Susan sehr unsympathisch und die Hälfte der Zeit habe ich die Protagonisten innerlich angeschrien. Das gilt auch für Tony, Edwards Protagonisten. Er ist praktisch die männliche Variante des “hilflosen Weibchen”, er sieht einfach zu, wie seine Familie entführt ist und kommt einfach nicht aus seiner Haut heraus. Kein Wunder, dass Susan sich so gut in ihn wiedererkennen kann. Beide Charaktere entwickeln sich zwar weiter, aber das reisst es leider auch nicht heraus. Anfangs hat mich zumindest Edwards Roman gefesselt, aber es hat nicht mehr lange gedauert und ich war nur noch genervt davon.
Das Leben ist kein Ponyhof, schon klar. Susans und auch Tonys Leben sind das auch nicht, aber die Art und Weise, wie sie damit umgehen ist einfach haarsträubend. Ich war mehrmals kurz davor, die zugegebenermaßen sehr schöne Hardcoverausgabe (ich habe eine Schwäche für die Luchterhand-Einbände!) zu attackieren damit sie sich endlich mal zusammenreissen. Meine eigene Jugend ist zwar schon etwas den Jordan hinunter geplätschert, aber ich bin immer noch jung genug dafür, dass es mir grausen kann, so zu werden. Sich seinen vermeindlichen Schicksal zu ergeben anstatt einfach mal für seine Ziele, seine Familie und seine Werte zu kämpfen. Wenn das “erwachsen sein” darstellt…danke, ich verzichte dann mal lieber. Genau wie ich auf “Tony & Susan” wohl besser verzichtet hätte.
Ich will nicht sagen, dass Austin Wright sein Handwerk nicht versteht, sprachlich finde ich “Tony & Susan” einwandfrei, ich habe mir einige Stellen eingemerkt weil ich die Bilder, die Wright auf meine innere Leinwand zaubert sehr gelungen fand, aber letztendlich steht und fällt ein Roman mit seinen Charakteren. Ich kann mich mit Wrights Protagonisten absolut nicht identifizieren und manchmal hat nicht viel zu einem gehässigen “Geschieht dir ganz recht…!!!”-Gedanken gefehlt. (“Tony & Susan” erschien übrigens bereits 1993 und wurde nun neu aufgelegt, was auch erklärt, warum die Protagonisten weder Mobiltelefone noch das Internet benutzen. Heute würde Edwards Story so nicht mehr funktionieren.) Eines muss man “Tony & Susan” aber lassen: viele Thriller, die ich handwerklich wirklich gelungen finde ziehen letztendlich einfach an mir vorbei. “Tony & Susan” macht mich wütend.