Ausgewählte Besonderheiten der vergangenen Festtage in Irkutsk. Oder wie ich sie begangen habe.

Es ist viel Zeit vergangen, als ich das letzte Mal einen Eintrag durch den Äther zu euch, meine Leser und Leserinnen, geschickt habe. In jenen drei Wochen ist viel passiert. Beeindruckendes, Bemerkenswertes und Schönes. Das erste Mal in meinem Leben habe ich Weihnachten und Silvester in Russland gefeiert – und diesem ersten Mal werden in Zukunft hoffentlich noch weitere Male folgen.

Als Erstes wünsche ich euch (verspätet, aber doch) frohe Weihnachten und ein ebenso frohes neues Jahr. Auf dass ihr weiterhin fleißig meinen Blog verfolgt – und geduldig auf neue Einträge wartet. Die wird es in Zukunft wohl häufiger geben: ein Neujahrsvorsatz von mir ist nämlich jener, die wochenlange Funkstille ein wenig zu verkürzen und mehr zu schreiben. Was ich mir dann aber wünsche (seht es als Weihnachtsgeschenk an mich), sind mehr Kommentare, Anregungen und Kritik. Was irritiert euch, was gefällt und was nicht? Worüber möchtet ihr mehr erfahren und welche Themen kamen bislang in diesem Blog überhaupt nicht zum Zug? Brecht das Schweigen.

Zweitens: was tut sich in Irkutsk? Nichts, derzeit. Die Stadt erholt sich von den Neujahrsfeiern und bereitet sich auf das russisch-orthodoxe Weihnachtsfest am 7. Januar vor. So kommt es, dass der erste offizielle Arbeitstag sowohl in Irkutsk, als auch im restlichen Russland, der 11. Januar ist. Ganze zehn Tage steht nicht nur eine Stadt, nein, ein ganzer Staat still. Objektiv betrachtet ist dies volkswirtschaftliches Fiasko, andererseits werden die ersten Tage des neuen Jahres, an denen wenige arbeiten, viele aber umso mehr essen, trinken und sonstigen russischen Freizeitbeschäftigungen nachgehen, als Teil der nationalen Identität angesehen. Jedenfalls ist es ungewöhnlich ruhig in der Stadt. Keine Staus, keine Hektik, rundherum zufrieden-gesättigt-erschöpfte Gesichter. Überall in der Stadt verstreut stehen Weihnachtsbäume im unverkennbaren russischen Stil, ähnlich bunt und kitschig sticht die Weihnachtsbeleuchtung ins Auge. Nach unzähligen Jahrzehnten der Finsternis folgen eben naturgemäß Jahre des exzessiven Zurschaustellens der neuerlangten Freiheit. Dies äußert sich nicht nur im extravaganten Schmuck von Weihnachtsbäumen und ähnlichem, sondern auch im Erscheinungsbild vieler russischen Frauen, in der Farbe einiger Autos (Stichwort: rosa) und in den Klingeltönen russischer Handys, die so gut wie immer im lautesten Club-Mix losplärren.

Aber genug über die Besonderheiten des „russkij stil’“. Es gibt auch ansprechendere Seiten der Weihnachtszeit. Die vielen Eisskulpturen, die bei weitem schöner anzusehen sind, als jeder wild vor sich hinblinkende überdimensionale Weihnachtsbaum, zähle ich dazu. Die gefrorenen Skulpturen, Nachbildungen bekannter Bauwerke und Rutschbahnen sind ein Tribut an den Winter, der hier in Sibirien richtiggehend zelebriert wird; er wird geliebt. Dies ist mehr als begreiflich: Väterchen Frost bedeckt alles mit einer weichen weißen Schicht, er verdeckt den Schmutz, den Müll, alles Schlechte. Und bringt eine seltsame Stille mit sich. Da werden auch die grimmige Kälte und taube Gliedmaßen bereitwillig in Kauf genommen.

Drittens: was hat sich bei mir zu Weihnachten und zu Silvester getan? Einiges. Weihnachten habe ich unter einem echten sibirischen Weihnachtsbaum im Studentenheim mit meinen Studienkollegen und russischen Freunden gefeiert. Das etwas zerzaust und nackt aussehende Prachtexemplar einer Tanne (?) habe ich mit einer französischen Kommilitonin übrigens nach einstündiger Suche bei -30 Grad aufgestöbert, gekauft und in einem völlig überfüllten Bus zur Belustigung der Passagiere und des Fahrers nach Hause transportiert. Es hat sich gelohnt. Und tatsächlich kam bei Lasagne, Schnecken und foie gras aus Frankreich, Soljanka, diversen Salaten, jeder Menge Süßem und Glühwein Weihnachtsstimmung auf. Die allerdings um Mitternacht abrupt und rüde vom Wachpersonal des Heims unterbrochen wurde; die schlechte Gemütslage war aber nur von kurzer Dauer – wir setzten die Feier kurzerhand in der Wohnung einer Freundin im Zentrum bis zum Morgengrauen fort.

Zu Silvester schließlich musste ich meine Auffassung relativieren, dass wir Südtiroler unschlagbar viel und lange essen und danach ausgiebig feiern. In Russland ist es eine kulinarische Orgie, die sich – wie in meinem Fall – nicht nur auf einen Abend beschränkt, sondern sich gut und gerne noch einige Tage hinziehen kann. Selten zuvor habe ich solche Massen an Ess- und Trinkbarem gesehen. Zum russischen „nowyj god“ („Neujahr“) wird alles aufgeboten, das nahrhaft (die verbrauchten 2 Kilogramm an Mayonnaise sprechen für sich) und vor allem unglaublich wohlschmeckend ist. Ins neue Jahr gerutscht bin ich im Übrigen nicht in Irkutsk, sondern in Baikalsk am Baikalsee – zusammen mit einigen Kommilitonen und Kommilitoninnen und russischen Freunden. Es war einmalig, im metertiefen Schnee am Ufer des Baikals zu stehen, die Feuerwerke zu betrachten und dem See beim Zufrieren zuzusehen. Ein Dank noch einmal an Julja, Stas, Alisa und Dascha für drei unvergessliche Tage.

Soweit die neuesten Nachrichten von mir. Und ich wiederhole mich: Ein frohes Neues. Bleibt mir gediegen.

 



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