Ausgerechnet Sibirien

Der deutsche Film ist ununterbrochen am Ackern. Er muss sich nämlich laufend beweisen. Der deutsche Film genießt bei den meisten Filmfans in Deutschland keinen besonders guten Ruf. Möchtegern-Hollywood will keiner sehen. Gucken wir lieber die echten Blockbuster. Manche deutsche Filmemacher wollen auch Blockbuster machen und es kommen so Genrefilme, wie „Hell“ dabei heraus, die sowohl bei Kritikern, als auch Zuschauern baden gehen. Ab und zu funktioniert dann doch mal was. Das hat dann zur Folge, dass die nächsten 50 deutschen Filmproduktionen genau das gleiche machen. Die meisten Filme, die auf Erfolgswellen mit reiten wollen, vergisst man sofort wieder. So wird es wohl auch dem neuen Film von Ralf Huettner ergehen - „Ausgerechnet Sibirien“
Matthias Bleuel wurde gerade geschieden. Er verkauft und verballert alles, was ihn an seine Ehe erinnert, geht joggen und steigert sich förmlich in obskure Hörbücher rein, die von Schamanen und irgendwelchen Dämonen handeln. Außerdem übt er auf seine Kollegen den schwer zu erklärenden Drang aus, ihm unentwegt eine rein zu hauen. Das alles – und noch einiges mehr – bringt Matthias' Chef jedenfalls dazu, ihn nach Sibirien zur Zweigstelle nach Kemerovo, um dort das neue Registratursystem des Versandhandels für Klamotten ein zu richten, für den Matthias arbeitet.
Der will natürlich nicht dort hin, hat aber keine andere Wahl. Nach einer langen Reise, steht Matthias mitten in der Pampa vor einem regelrechten logistischen Albtraum. Nichts läuft, wie es laufen soll, die russischen Mitarbeiter trinken unentwegt Wodka und die russischen Computer akzeptieren die neue Registriersoftware nicht. Vollkommen frustriert besucht Matthias einen Wochenmarkt und sieht dort den Auftritt einer Kehlkopfsängerin. Der Gesang verzaubert ihn sofort und alles ändert sich.
Nach „Vincent will Meer“ hat Ralf Huettner eigentlich alle Möglichkeiten gehabt. Dieser Film war nämlich einer jener seltenen Fälle, die etwas neues und sehenswertes einbrachten. Zudem erzählte er eine rührende Geschichte und blieb im Gedächtnis haften.
„Ausgerechnet Sibirien“ nun ist weder innovativ, noch sehenswert. Viel mehr strotzt der Film nur so vor Stereotypen. Es gibt die typischen, russischen Flugzeuge, die nicht da hin fliegen, wo sie hin sollen. Es gibt die typischen russischen Autos, die selbst die kleinste Strecke nicht absolvieren, ohne, dass es einen Motorschaden gibt; es gibt typische russische Mamas und typische, russische Papas. Vergammelte Häuser, olle Klamotten und Wodka.
Sobald der Deutsche da ist, kommt eine Frau, die ihm einen Haufen Geld bietet, wenn er sie heiratet, weil das die einzige Möglichkeit ist, an einen deutschen Pass zu kommen. Der Dolmetscher, der perfekt Deutsch spricht, ist natürlich schwul, weshalb es ständig Stress mit seinem Vater gibt. Dieser ganze klischeebehaftete Haufen überschüttet eine Hauptfigur, die nicht nur gesichtslos erscheint, sondern deren gesamte Motivation überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Die Geschichte erzählt vom Mut, sein Leben zu verändern. Matthias Bleuel verändert sich aber gar nicht, sondern bleibt den ganzen Film über der ebenso typisch deutsche Arsch. Die Sache mit dem Kehlkopfgesang wäre noch interessant gewesen, wird aber von der völlig unpassenden Schamanenthematik übertönt. Unpassend sind im Übrigen auch die psychedelisch gedachten Kurzauftritte von Alexej Leonow in seinem aufgeblähtem Raumanzug. Die Bedeutung dieses Bildes hat sich mir leider überhaupt nicht erschlossen.
„Ausgerechnet Sibirien“ ist nicht mehr, als ein klischeehafter, vorhersehbarer, kitschiger und oberflächlicher Schatten eines guten  Filmes. Das einzige, was begeistern konnte, waren die schönen Landschaftsbilder, aber die kann man auch sehen, wenn man sich einen Bildband über Südsibirien bestellt. Das war nix!
Ausgerechnet Sibirien (D, RU, 2012): R.: Rald Huettner; D.: Joachim Krol, Katja Riemann, Vladimir Burlakov, u.a.; M.: B-Zet & Ralf Hildenbeutel; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, zwischen 12:00 und 13:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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